»Was hast du denn gegen kleine Kinder?«, fragt sie leise kichernd.

»Gar nichts. Ich habe nur etwas gegen kleine Kinder, die Menschen bei... wichtigen Dingen stören.« Paige grinst mich an. »Ich finde ihn zum Auffressen. Er war so niedlich.« Ich finde ihn gruselig, aber ich sage nichts.

»Wie auch immer, lass uns reingehen.«

Schnell schließe ich die Tür auf und wir betreten den Flur.

»Zweiter Stock.«

Paige mustert die Treppe, geht aber nicht hoch. Ich drehe mich zu ihr. »Alles okay?«

»Hmm«, brummt sie nur, visiert die Stufen an und schätzt den Platz zwischen den Wänden ab, der keinen Platz für zwei Personen bietet.

»Wie schade, wir passen auf der Treppe nicht nebeneinander... Was bedeutet-«

Mit einem Satz springt sie die ersten Stufen hoch und drängt sich an mir vorbei. »Das du mich jetzt nicht mehr überholen kannst!«

Lachend läuft sie die Treppe hoch, unsere Schritte hallen laut im Flur wider. Dicht hinter ihr komme ich an. Wieder schließe ich die Tür auf, nur dieses Mal streikt der dämliche Schlüssel.

»Sorry, der lässt sich manchmal nicht umdrehen«, murmle ich konzentriert. Frustriert reiße ich ihm aus dem Loch und stöhne auf. Jetzt, wo es wirklich wichtig ist, kriege ich diese bescheuerte Tür nicht auf. Ich komme mir wie ein totaler Idiot vor. Der ich auch bin. Augenscheinlich. Paige nimmt mir den Schlüssel aus der Hand und versucht es ebenfalls. Vergeblich. Zum Glück.

»Was zum Teufel habt ihr für eine blöde Tür?«, fragt sie frustriert.

Von oben klackert Absätze auf dem Boden. Unsere Nachbarin, Mrs Devilic, kommt die Treppe gemächlich runtergeschlendert und schenkt uns einen seltsamen Blick. Kopfschüttelnd geht sie an uns vorbei. »Diese heutige Jugend, zu nichts mehr zu gebrauchen«, brummt sie vor sich hin. Paige wirft ihr einen giftigen Blick zu, den sie leider nicht mitbekommt. Wenn Blicke töten könnten, wäre diese Frau tot. Aber sowas von.

»Ace, du musst deine liebenswerte Nachbarin darüber informieren, dass sie ihren Hexenbesen in ihrer Wohnung vergessen hat. Wie will sie denn jetzt durch New York fliegen?«

Ihre laute Stimme hallt durch den Flur, ganz sicher hört auch Mrs Devilic sie. Von unten hört man nur noch ein eingeschnapptes Grunzen, dann wird eine Tür aufgerissen und lautstark zugeknallt. Aber wo Paige Recht hat, hat sie Recht.

Mrs Devilic sieht tatsächlich aus, wie eine Hexe. Mit den grauen, kurzen Haaren, der Warze auf der Nase und dem verkniffenen Gesichtsausdruck könnte sie auch locker als die grüne Hexe aus der fantastischen Welt von Oz durchgehen. Nur in alt und faltig. Ich versuche wieder, die Tür zu öffnen und - oh Wunder - sie öffnet sich tatsächlich. Nachdem ich an ihr rumgezerrt habe, bis sie dann doch nachgegeben hat. Zusammen gehen wir rein. Wir beide bleiben im Flur stehen.

»Du kannst deine Schuhe ausziehen.« Paige leistet der Forderung, oder Einladung oder was auch immer Folge und schlüpft aus ihrem Sneaker. Ich tue es ihr gleich.

»Hast du Hunger?«

Paige stimmt heftig zu. »Aber sowas von! Ich sterbe gleich!«

Ich lache auf, mir geht es nicht anders. Allerdings habe ich nicht nur Hunger auf Essen, sondern auf eine ganz andere Art von Versüßung. Das sage ich ihr natürlich nicht.

»Tja, ich kann nicht kochen. Soll ich uns einfach belegte Brote schmieren?«

Paige nickt. »Belegte Brote klingen toll.«

I LIE TO YOUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt