~ Ɛηgℓαη∂ ~

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Kennt irgendjemand Mousehole? Nein, schade eigentlich, um die kleine Küstenstadt mit dem typisch englischem Charme. Nur die roten Telefonzellen erinnerten mich an London, wo ich vor kurzem erst war. Hier leuchteten keine Reklame, keine hektischen Geschäftsleute in Anzügen und die Luft riecht nicht nach Abgasen. Die Straßen waren eng, kleine Läden an jeder Ecke und scheinbar kannte jeder jeden.
Am Hafen kamen wir zum stehen und ich sah Sam bereits vor einem Segelboot.
Aus der Luft konnte man eindeutig das Salz des Meeres entnehmen.
"Hey Sam",
streckte ich meine Arme für eine Umarmung aus.
Er erwiderte sie.
"Hey Maelle."
Zum ersten Mal sagte er meinen Namen.
"Was machen wir?",
schaute ich bereits auf das Boot hinter ihm.
"Hast du schon mal geangelt?"
- "Nein",
schüttelte ich aufgeregt meinen Kopf.
Ich wollte schon seit meiner Kindheit mal angeln, aber irgendwie ist es nie dazu gekommen.
Sam gab mir die Hand und half mir auf das weiße Boot.
Sofort fiel mir das riesige Lenkrad auf. Wortlos zeigte ich in dessen Richtung und Sam lachte.
"Komm",
liefen wir gemeinsam darauf zu.
"Darf ich?",
berührte ich bereits das kalte Eisen,
doch Sam drückte gerade konzentriert an irgendwelchen Knöpfen am Cockpit. Cockpit? Sagte man das bei Booten so. Steuerbord? War es vielleicht das? Ach, keine Ahnung. Viel zu kompliziert das ganze.
"Darf ich dir helfen?",
zeigte er auf das Steuerrad.
"Sehr gerne, bevor ich uns versenke."
Er stellte sich hinter mich und legte seine Arme an meinen entlang auf das Rad.
Auch wenn er mir half merkte ich schnell, wie schwer es zu bewegen war. Kapitän würde ich wohl nie werden...
Nach einer Weile waren wir mitten ins nirgendwo geschwommen und wäre das Kamerateam nicht mit an Bord und sogar im Boot nebenan, dann hätte ich mir wohl Sorgen über Sams Absichten gemachten.
Sam ging wieder ans andere Ende und holte aus einer länglichen Tasche zwei Angeln und während ich das unendliche Gewässer betrachtete, fummelte er irgendwas an den Stangen herum.
Wieder fragte ich mich, wo wir ankamen, wenn wir einfach gerade aus durch schwimmen würden.
"Du lässt die Schnur nach hinten fallen, nimmst dann Schwung und schleuderst sie über die Reling",
unterbrach Sam meine Gedanken, indem er mir die Angel in die Hände drückte.
Sie war schwerer als gedacht, aber ich probierte es.
Wahrscheinlich würde ich sonst nie wieder die Gelegenheit bekommen.
Ein Seitenblick verriet mir, wie Sam mich aus prüfenden Augen musterte. Seine Augen strahlten im selben blau-Ton, wie das Wasser.
"Sehr gut, Maelle",
spürte ich seine wärmende Hand auf meinem Rücken.
"Ich bin ein Naturtalent, oder?",
lachte ich in dem Wissen, einfach nur ein mittelmäßiger Anfänger zu sein.
"Ganz klar",
musste sogar er lachen, sogar er! Mir fiel auf, dass ich Sam noch nie so richtig lachen sah.
"Angelst du öfter?",
wollte ich wissen, als ich mitbekam, wie einfach und leichthändig er seine Route auswarf.
"Gehört in unserer Stadt zur Grundausstattung."
Das glaubte ich ihm auf's Wort. Bei den vielen Booten, welche am Ufer angelegt waren, mussten auch diese zur Grundausstattung jedes Haushaltes gehören.
Im Gegensatz zu all den anderen Dates, genoss ich hier die absolute Ruhe, die vollkommene Entspannung...
"Darf ich dich was fragen?",
durchschnitt seine herrlich raue Stimme die Stille.
"Schieß los",
wandte ich mich ihm zu.
"Wieso ist Dany draußen und ich noch drinnen? Ich meine, es schien mir als hättet ihr euch von Anfang an gut verstanden und mit mir hast du kaum drei Worte gewechselt."
Ja, Dany ist ein toller Mensch. Seine Stimme, seine Art, ich vermisste ihn bereits. Im Haus hielt ich mich am liebsten mit Akim und ihm auf. Wir waren irgendwie zu einem ganz speziellen dreier Gespann geworden.
"Dany und ich hatten in der Tat mehr Zeit miteinander. Das hat auf jeden Fall gereicht, um zu wissen, dass zwischen uns niemals was sein wird. Ich bin ein Mensch, der glaubt nicht an Liebe oder Hass auf den ersten Blick. Erst nachdem ich einen Mann kennengelernt habe, möchte ich urteilen, über seinen Charakter und über meine Gefühle für ihn. Bei Dany war ich mir zu hundert Prozent sicher, dass da niemals mehr als Freundschaft sein kann, bei dir kann ich das noch nicht sagen."
Während mein Blick schon längst wieder im Wasser verschwand, ungefähr dahin, wo auch meine Angel untergegangen war, schaute er mich weiter an. Das war ja nichts ungewöhnliches, denn er beobachtete mich öfter.
"Du starrst... immer... Wieso?"
- "Du bist hübsch",
kam es einen Ticken zu schnell.
Ich belächelte es einfach, weil ich genau wusste, dass es nicht der Wahrheit entsprach.
Plötzlich hatte ich auch gar keine Zeit mehr darüber nachzudenken, denn oh mein Gott, da zappelt etwas.
"Sam, Sam Sam!!! Da zappelt was!",
schoss ich wie eine Rakete von meinem Klappstuhl.
Als wäre etwas passiert, stand auch er schlagartig kerzengerade neben mir.
Mit einem geübten Griff kurbelte er die Schnur auf, indessen meine Augen zum reißen gespannt auf der Wasseroberfläche klebten.
Ein silberner, wild vor sich hin zappelnder Fisch erschien und ich war unentschieden, ob ich Mitleid oder Stolz empfinden sollte.
"Tatsächlich, du hast Talent Maelle",
lächelte Sam und okay, ich beschloss stolz auf mich zu sein.
Ich meine, ich war ja kein Vegetarier und wir betrieben hier auch keinen Massenmord an Fischen.
Danach machte das Drehteam Pause und ich beschloss doch nochmal das Thema von vorhin aufzugreifen.
Wir saßen beide wieder nebeneinander, auf unseren Klappstühlen, die Angelrouten wieder im Wasser versunken.
"Darf ich dich was fragen?",
kam es nun von mir.
"Ja klar."
Wenn er das mal nicht im nächsten Moment bereute...
"Was machst du so oft bei Angela im Büro?"
Eigentlich erwartete ich, dass er erschrocken sein musste, weil er soeben entlarvt wurde, doch sein Ausdruck blieb der gleiche...Konzentriert auf das Wasser gerichtet.
"Woher weißt du es?"
- "Meine Frage zuerst",
blieb ich streng.
Dann sah er mir doch mitten in die Augen. Ich war so fixiert auf diese, dass ich nichtmal mitbekam, dass er seine Angel bei Seite gelegt hatte, gleiches dann bei mir wiederholte, um meine Hände in seine zu nehmen.
"Manchmal wirkst du, frei von allem, wie ein kleines Kind und manchmal so, als würde die ganze Welt auf dir lasten. Desto länger ich dich beobachtet habe, desto lauter stellte sich mir eine Frage. Wieso haben es so viele auf sie abgesehen? Das hat sie doch nicht verdient. Erst kam Angela auf mich zu. Sie meinte, sie suche jemanden der undercover auf die Bachelorette aufpasst. Ich kam aus der Armee und die Firma für die ich danach als Sicherheitsangestellter arbeitete, kündigte mich, aufgrund von zu impulsiven Handelns. Dieses Jobangebot von Angela kam wie gerufen. Mir wurde nach einer Weile im Haus nur schnell klar, dass ich nicht für deine Sicherheit da war, sondern dich nur ausspionieren sollte. Sie wollte wissen mit wem du heimlich, welche Gespräche führst und es tut mir Leid Maelle, aber von mir wusste sie von der Sache mit Leo, genauso das mit Sancho und ich habe ihr auch gesagt, dass Frey und du ein engeres Verhältnis zu einander habt. Ich wusste durch deine Gespräche mit Frey, dass Cody dich erpresst hat. Ich war einfach dein Schatten."
Meine Hand kribbelte förmig, während meine Gedanken schrien, ich solle ihn vom Boot schmeißen und doch schluckte ich, zählte meine Atemzüge...für's erste...
"Du krankes Arschloch. Wie konntest du nur?",
riss ich meine Hände aus seinen, nur um sie zu Fäusten zu ballen, welche dann gegen seine Brust flogen.
"Wieso sie mir das antun?! Meinst du dein Mitleid macht irgendwas besser?! Wie konntest du nur?",
wiederholte ich meine Frage, denn es passte einfach nicht in meinen Kopf, wie man so krank sein konnte.
"Maelle, hör bitte einen weiteren Moment zu. Nur einen weiteren. Du wirst es nicht bereuen, bitte!"
Ich hasste es, wenn sie immer wieder stärker sein mussten als ich. Seine Hände umschlossen wieder meine und ließen keine Bewegung mehr zu.
"Dann kam noch jemand zu mir...",
setzte er einfach fort, als er merkte, dass ich nicht aufgeben würde mir einen abzustrampeln.
"Sancho."
Dieser eine Name reichte, um meinen Körper absolut gegen meinen Willen erstarren zu lassen.
"Auch wenn ich es ihm geschworen habe, ich weiß zwar nicht, wo er ist, aber ich habe noch Kontakt zu ihm."
Ich blinzelte ein paar mal, um wieder Herr über mich selbst zu werden.
Eine Gänsehaut zierte meine Haut und das nur, weil es in einem Gespräch um ihn ging. Reiß dich verdammt noch mal zusammen! Zum Glück gelang es mir. Nach einem Augenblick der Stille, nutzte ich den Überraschungseffekt und riss meine Hände endgültig aus seinem Griff.
Gleich schlang ich sie um meinen Körper.
"Rede!",
forderte ich ihn auf.
"Nur unter einer Bedingung. Du erscheinst heute beim Familiendate."
Ich begann zu lachen... Ach halt, dass war sein Ernst?!
"Du wagst es dich? Nach allem...?"
Er schwieg und starrte weiter in meine Augen. Jap, er meinte es ernst.
"15 Minuten, dann verschwinde ich!"
Kaum zu fassen, dass ich einwilligte, aber es ging um etwas wichtiges. Etwas extrem wichtiges für mich, stellte ich fest, als ich überstürzt handelte, nur um an Informationen über ihn zu kommen.
"Okay..."
Sam deutete auf den Stuhl und widerwillig setzte ich mich erneut neben ihn.
"Sancho kam relativ zu Beginn auf mich zu und konfrontierte mich mit meinen Machenschaften. Er spielte sich als Held auf. Ich solle ihm Informationen über Angela zuspielen, was sie mit dir vorhat. Denn er würde dich beschützen wollen... Keine Ahnung, vielleicht wollte er das sogar. Naja neben dem Einreden auf mein Gewissen, bot er mir auch eine verdammt hohe Summe. Alles, was Angela wusste, wusste von nun an auch er. Er wusste auch davon, dass sie dich mit dieser roten Mappe erpresst."
"Weißt du, nein, weiß er, was dort drin steht?",
unterbrach ich ihn.
"Ich weiß es nicht, aber er wusste es scheinbar. Als ich ihm erzählt habe, dass Angela dich mit irgendeiner Mappe erpresst, sagte er nur 'Das könnte spannend werden.' Nachdem er gegangen ist, habe ich ihn noch einmal vor dem Flug nach Santorin gesehen. Er hat gesagt, ich solle weiter ein Auge auf dich werfen und dich in Schutz nehmen, wenn es darauf ankommt."
Verdammt Sancho... Immer noch werde ich von dir heimgesucht...
Und jetzt wusste ich auch, was er damit meinte, dass es im Haus jemanden gibt, der auf mich aufpasst.
Bis heute habe ich mich gefragt, was er damit meinte.
Ich beschloss nicht mehr darüber zu reden, es war ja so schon zu viel für mich...
Er gehörte einfach nicht mehr zu meinem Leben. Das mussten nur er und ich noch akzeptieren...

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