~ BҽႦσ ~

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Meine Emotionen waren mal wieder nicht zu kontrollieren. Er hatte mich belogen, die ganze Zeit schon. Ich hätte nichts von all dem mitmachen müssen, wenn er auch nur ein Wort gesagt hätte.
Ich schmiss meine Sachen unachtsam in den Koffer.
Heute würde ich abreisen. Dieser scheinheilige Verräter konnte mich mal kreuzweise.
Ab heute war sein Spitzname Lucifer, aber nein. Es gab eine Serie, welche ich ab und zu gerne schaute und da gab es auch einen Lucifer. Der war nur durch und durch ehrlich, nicht wie Jesus hier.
Aber halt, er war ja nicht mal Jesus. Diese Fassade, dass war alles ein Spiel. Eigentlich kannte ich gar nichts von diesem Mann. Den Mann, welchen ich am liebsten ansah und am liebsten sprechen hörte...
Um kurz verschnaufen zu können, ließ ich meinen Oberkörper aufs Bett fallen.
Wie sollte man denn so Vertrauen lernen?
In kreisenden Bewegungen massiert ich meine pulsierenden Schläfen.
Wie konnte jemand so süßes, sich so in mich einfühlen und gleichzeitig so kalt sein.
Das frage ausgerechnet ich mich? Habe ich das bis vor kurzem nicht noch selbst gemacht... Er kannte meine Absichten bis heute nicht. Vor ein paar Tagen in Griechenland war er nicht anwesend, als ich mich entschuldigte.
Mittlerweile packte ich meine Tasche in den Kofferraum des schwarzen Mercedes.
Ein letztes Mal zog ich die Luft dieser Stadt ein.
Sie roch so frisch und zart nach Tannenbäumen und anderen Pflanzen.
Eine wundervolle Abwechslung zu Miami.
Es tat mir weh, jede Sekunde und seit dem ich im Auto saß, jeden Millimeter ein Stück mehr.
Vielleicht habe ich ihn belogen, aber weh tat ich ihm nie.
Dafür genügend anderen und wenn ich ganz ehrlich bin...Es hätte auch ihn treffen können.
Jedes Mittel zum Ziel war mir doch recht gewesen.
Mein Gehirn nahm mich selbst nie in Schutz, doch für ihn hielt es tausende Entschuldigungen parat.
Er war nicht anwesend als du die anderen aufgefordert hast, ehrlich zu dir zu sein und dennoch ist er von selbst auf dich zugekommen.
Das Geheimnis mit seiner Cousine hätte er dir gar nicht anvertrauen müssen. Wie schon gesagt, du könntest damit Angela erpressen und Mary in Gefahr bringen. Du hättest sogar einen gerechtfertigten Grund, um dies zu tun.
Bist du endlich fertig, schrie eine weitere Stimme in meinem Kopf die andere an. Ja, ich drehte letztendlich durch.
Ein letztes Mal erklang die besserwisserische Stimme.
Nein, der wichtigste Grund fehlt nämlich noch.
Du kannst nicht aufhören an ihn zu denken.
"Luigi, dreh den Wagen um.",
Scheiße, habe ich ihn wirklich Luigi genannt? Alles Akims Schuld.
Der Mann mit dem dichten schwarzen Schnurrbart sah mich verdutzt an, kurz nach dem der Wagen beinahe unter einer Vollbremsung zum stehen kam.
"Entschuldigen sie bitte, könnten sie mich vielleicht doch zu Milo bringen?"
Er schüttelte den Kopf, doch kam schließlich meiner Bitte nach.
Ich nahm meine Tasche auf den Schoß und schminkte mich noch einmal dezent nach. Wimperntusche, Concealer, Highlighter und ein Labello. Mehr brauchte ich nie um mich schön zu fühlen.
Mit meinen Haaren, welche noch etwas feucht von der Dusche waren, konnte ich jetzt nicht viel anfangen, also steckte ich sie locker hoch.
Mehr ich, als ich jemals ich war, stand ich dann in einer lockeren Hose und einer weißen Bluse vor Milos kleinem Häuschen.
Als er die Tür öffnete, das braun in seinen Augen so ohne Glanz, die Haare komplett verwuschelt, als wäre er bereits das hundertste Mal darüber gefahren, war mir klar, dass es richtig war, genau hier und nirgendwo anders zu sein.
Ich legte meine Arme um seinen Hals und er seine um meinen Rücken.
Der herbe Duft seines Parfums vernebelte mir die Sinne. Er war wie eine Droge und ich kurz davor der Sucht zu verfallen.
Auch nach Minuten war ich nicht bereit ihn loszulassen.
Wo sollte das nur enden?
"Bruder, wer...? Oh mein Gott Leute, kommt schnell. Sie ist doch noch gekommen."
Über Milos Schulter erkannte ich erst einen Mann, dann noch einen weiteren und zum Schluss eilte noch eine Frau herbei.
Schließlich schafften wir es und lösten uns, doch wie vor ein paar Stunden spürte ich seine Berührungen ohne eine Pause, was mich keines falls störte.
"Ilija, freut mich.",
stellte sich der wohl älteste vor. Ich schätzte ihn irgendwo auf zwischen 35 und 40. Er war wie Milo in rundlicher Version. Ein richtig sympathischer Teddy-Bär mit kleinen Fältchen.
"Dragan", auch er lächelte freundlich und sah dabei Milo zum verwechseln ähnlich. Nur seine Haare waren mehr Nuss-braun und nicht so dunkel.
Die zierliche Frau schien kaum älter zu sein, durch ihre kleine und wirklich zierliche Gestalt wirkte sie sogar jünger als ihr Bruder.
Sie hatten alle vier die selben dunklen und unergründlichen Augen.
"Ich hätte es nicht gemacht, aber schön dass du doch noch gekommen bist. Ivana",
streckte auch sie mir ihre Hand hin.
Ihre schulterlangen Haare waren blondiert und geglättet. Das Makeup saß wie eine eins. Wir könnten uns gut verstehen, dachte ich mir.
Doch dann verwirrte mich, was sie eben noch sagte. Ich war so überfordert, dass ich es doch beinahe überhörte.
"Wieso nicht?"
Sie schaute Milo vernichtend an.
"Na, der Typ ist noch nicht mal mit dir zusammen und schafft es schon deine Gefühle zu verletzen. Bei mir wäre es vorbei gewesen",
streckte sie sich, um ihm einen Klaps auf den Hinterkopf zu geben.
"Leute, was stehen wir hier so blöd im Flur."
Ilija schob uns alle durch den Gang in den offenen Raum gerade aus.
Wenn draußen alles altertümlich wirkte, war das innere hier das komplette Gegenteil. Es war nicht Hightech-modern, sondern mehr so gemütlich-modern...
Das Wohnzimmer mit dem anschließenden Esszimmer waren in hellen Creme-Tönen gehalten.
Das große Highlight war die riesige weiße Couch in mitten des Raumes.
Auch der Ausgang auf die Terrasse befand sich hier. Einen gepflegten, kleinen Garten konnte ich durch das große Fenster erkennen.
Milo führte mich auf die Couch und setzte sich neben mich. Seinen Arm legte er um meine Hüfte. Ich fühlte mich sicher und irgendwie unbesiegbar... Ein tolles Gefühl.
Der Drang mit ihm zu reden quälte mich nur und das seit er mir erzählt hatte, was ihm auf dem Herzen lag.
"Lasst uns Pizza bestellen!"
Ivana flog über uns, ebenfalls auf das Sofa und obwohl sie ein Fliegengewicht war, wackelte unsere Sitzgelegenheit.
"Ihr habt doch gekocht?"
Noch vor dem Haus duftete es herrlich.
"Das ist dann der Nachtisch",
lachte Dragan mit einem Blick in die Küche.
"Außerdem Schätzchen, ich koche schonmal gar nicht."
Eine laut auf dem Kaugummi kauende Ivana schob sich erneut in mein Sichtfeld. Sie war temperamentvoll, direkt und das Gegenteil von Milo, aber unterhaltsam. Das musste ich ihr lassen.
"Pizza hört sich gut an."
Wir entschieden uns ganz einfach für eine 4-Käse-Pizza im XXL Format.
Kurze Zeit später war sie auch schon da.
"Wer wohnt eigentlich hier?",
fragte ich in die Runde.
"Der älteste natürlich",
meldete sich Ilija wieder zu Wort. Ich glaube er hatte allgemein das Sagen in der Familie.
"Alleine?",
- "Nein, nein meine Frau und die Kinder sind gerade bei ihren Eltern. Sie wohnen hier um die Ecke."
- "Und ich würde es hier niemals aushalten. Ich studiere Mode in Zagreb und wohne auch da. Du musst unbedingt mal nach Zagreb!",
Ivana, welche links neben mir saß, fuchtelte beim erzählen wild mit ihrer Gabel herum.
"Was magst du an unserem Brüderchen?"
Dem besagten Brüderchen schien es hier im Haus die Sprache verschlagen zu haben.
"Seine Spontanität, die Abenteuerlust, er hat wunderschöne Augen und er kümmert sich um mich. Außerdem ist er ehrlich und direkt."
Unter dem Tisch schnappte Milo sich meine Hand und legte sie dann zusammen mit seiner auf seinem Bein ab.
"Mein Bebo."
Seine Augen strahlten wieder, sogar mehr als vorher.
"Dragi."
Verwundert, ja schockiert betrachtete er mich. Bevor er fragen konnte, antwortete ich ihm.
"Eine meiner Visagistinnen kommt aus Kroatien."
Sein Kopf näherte sich meinem, bis seine Lippen meine Wange fanden.
Jede seiner Berührungen entfachte ein Kribbeln, als würde Strom durch meine Adern fließen.
"Leute, ich kotze gleich",
holte Ivana uns ins hier und jetzt.
"Was haltet ihr von eurem Bruder."
Sie lachten.
"Wir sehen ihn wenns hoch kommt zwei mal im Jahr."
Ilija schien nicht sehr begeistert.
"Ich finde er ist ein Schwachkopf. Von der Nutte zur Nonne... Hat er dir erzählt, dass er alles gefickt hat, was nicht auf einen Baum klettern konnte?"
Mein Pizzastück fiel mir aus der Hand, während Dragan zu ersticken drohte.
"Wieso bist du eigentlich nicht auf Weltreise gegangen?",
fragte Ilija seine Schwester, aber sie streckte ihm lediglich die Zunge raus.
"Sorry Maelle, unsere Eltern wollten unbedingt auch Mädchen haben und sie war dann das einzige. Die verwöhnte Prinzessin."
- "Ach was... Ehrlich gesagt, habe ich schon lange gemerkt, dass Milo irgendwie seltsam ist."
Den Blick, welchen Milo mir darauf zuwarf war unbezahlbar.
"Schwester vor Stecher",
hielt Ivana mir ihre Hand hin.
Als ein Alarm erklang sprang Dragan, wie von einer Tarantel gestochen auf. Er kehrte zurück mit irgendeinem Gebäck. Kleine zusammen geklappte Kugeln waren es.
"Hier Maelle, dass sind Breskve",
drückte Dragan mir eine von ihnen in die Hand.
Ich biss natürlich hinein. Wow, dachte ich mir bereits. Das war Foodporn vom feinsten.
Ähnlich wie der Pudding von Davids Oma.
Da harmonisierte feinster Teig mit Schokolade und einem Hauch Frucht.
" Sehen aus wie Pfirsiche",
drehte ich die orange-pinke Kugel einmal, bevor ich erneut hinein biss.
"Breskve bedeutet auch Pfirsich. Schmeckt man die Pfirsich-Note auch raus?"
Dragan schweigt also, bis es um das Thema Essen geht.
Ich schmunzelte in mich hinein.
Sie waren chaotisch und unglaublich harmonisch zu gleich. Süß, einfach.

#15 RosesOnde histórias criam vida. Descubra agora