~ Sƈɧℓąɱɱşƈɧℓąƈɧŧ ~

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Es gab kein Aufatmen, nach den Ereignissen der letzten Tage. Ich hatte die letzten beiden Nächte kaum geschlafen. Ständig bekam ich den selben Alptraum einer schrecklichen Polizeirazia mit Waffen, Schüssen und Blut.
Und trotzdem saß ich nun auf einem Rettungsturm, am Strand in einem absolut freizügigen Baywatch-Outfit.
Sinn der Sache war die nächste sinnlose Challenge .
Vor mir haben die armen Statiker bei über 30° ein Parkour aufgebaut.
Es waren symbolische Bildchen an Stäben im Sand aufgesteckt.
Auf einem war zum Beispiel eine Katze, auf einem anderen Sushi.
Jetzt mussten die Herren entscheiden, was ich wohl mochte und unter einigen Reihen an Stacheldrahtzaun vorbei kriechen, um zu mir zu gelangen. Wenn sie es geschafft hatten bei mir anzukommen und auch noch etwas gutes in den Händen hielten, bekamen sie im Austausch einen kleinen Rettungsring, welchen sie auf dem gleichen Weg wieder an ihren Platz zurück bringen mussten.
Die drei Männer mit den meisten Ringen nach 10 Minuten bekamen ein Date. Platz 2 und 3 erhielten allerdings eher unspektakuläre Dates, wobei Platz 1 sich auf etwas intensiveres freuen durfte.
So kompliziert es war, schaffte ich es auch den Teilnehmern zu erklären.
Ein Pfiff durch meine Trillerpfeife deutete den Start an.
Wenn mir eben schon warm war, dann verschlimmerte sich dieser Zustand bei diesem Anblick.
Frey, welcher sich ohne zu zögern, Oberkörper-frei in den Sand warf.
Er war sportlich, aber nicht sehr muskulös. Den Sixpack sah man nur im Ansatz, aber dennoch lag seine Haut straff an und die Tattoos darauf machten das Bild perfekt.
Ein anderes erstaunliches Bild gab Adam ab. Erstaunlich eher ihm negativen Sinne. Er zierte sich vor dem feuchten Sand und machte so erst gar nicht mit.
Könnte doch gut sein, dass er homosexuell ist? Würde doch auch toll in die Reihe an Geheimnissen passen.
Cody kam als erstes bei mir an und winkte mit einem Hundeschild. Dafür konnte er doch nur einen Rettungsring bekommen. Ich beobachtete ihn weiterhin auf seinem Rückweg. Von allen Kandidaten hatte er den durchtrainiertesten Körper. Für diese Muskeln würde die ein oder andere Frau sterben. Für mich war perfekt nie perfekt, alles brauchte irgendwie seine einzigartigen Ecken und Kanten.
Sancho rannte als nächstes auf mich zu und ich wusste nicht mal, wie ich ihn anschauen sollte.
Er hat gedealt. Er war eine Gefahr.
Und dennoch starrten wir uns so oft Minuten lang einfach nur an, vom ersten Tag an war dies so. Selbst heute erwischte ich mich dabei.
Irgendwas an ihm zog mich einfach an und ließ mich nicht los.
Ja, Schokolade liebte ich. Da hatte er Recht und mit dem Rettungsring unter dem Arm machte es ihm auch keine Schwierigkeiten in Windeseile zurück zu kommen. Er war der schmalste von allen mit der schönsten Hautfarbe. So schön gebräunt, verfeinert mit unzähligen Tattoos.

Nach exakt zehn Minuten pfiff ich erneut und der schrille Klang brachte alle zum stillstehen.
Die Gewinner grinsten bereits vor sich hin. Auch ich musste nicht nachzählen, denn ich habe das Spiel bis zum Schluss aufmerksam verfolgt.
"Meine Lieben. Ich freue mich zu sehen, wie einige von euch wirklich um die Zeit mit mir kämpfen. Den Kampf heute hat gewonnen David mit 3 Rettungsringen, Cody mit 4 Rettungsringen und Sancho mit ganzen 6 Rettungsringen."
War es normal, dass ich mich freute, als ich meine Hände erhob und klatschte?
Meine Augen hingen wieder an seinen und umgedreht.
Die anderen beiden Gewinner klatschten sich nur gegenseitig ab, die anderen Teilnehmer tranken oder setzten sich verzweifelt in den Sand, doch er stand da und sah mich einfach an.
Er setzte sich zur selben Zeit, wie ich in Bewegung, doch dann verlor ich ihn aus den Augen.
Langsam kletterte ich die Leiter des Rettungsturmes herunter, bis ich einen Finger an meinem Rücken spürte. Erschrocken drehte ich mich um und wurde sogleich von zwei starken Händen an der Taille gepackt und die letzten drei Stufen hinunter gehoben.
Meine Hände legten sich auf Sanchos Schultern und zum ersten Mal lächelte er mich an, während ich scheinbar vergaß, wie genau das funktionierte und bevor ich mich erinnerte, war er schon wieder weg. Ich spürte noch genau, wie seine Hände langsam, aber gezielt, hinunter bis zu meinen Hüften strichen.

***

Nachdem der Dreh schon lange beendet war, saß ich immer noch am Ufer unter einem Sonnenschirm und ließ mir die Wellen um die Füße laufen. Die letzte Entscheidung war kaum zwei Tage her und ich machte mir bereits Gedanken um die nächste.
Ich wusste ja eigentlich, wer gehen musste. Es war eindeutig Sancho.
Wie es mich nervte, dass etwas unerklärliches in mir drinnen sich dagegen sträubte.
Mein Ziel hier war es, meinen falschen Ruf zu zerstören.
Vielleicht war ich nicht perfekt, aber auch kein hirnloses Party-Flittchen.
Ich wollte es ganz bestimmten Menschen beweisen. Es ist irgendwann zu meiner Lebensaufgabe geworden.
Tja, und was würde passieren, wenn die falschen Leute dieses Projekt sabotieren? Wieder nur Skandale, Tratsch, Presse und im Mittelpunkt ich. 'Das war ja klar, dass die partysüchtige Barbie sich einen Drogenbaron ins Haus holt'. Solche Sätze hörte ich bereits im Voraus.
"Da ist aber jemand in Gedanken versunken",
machte sich jemand neben mir Platz.
Leo.
"Wir wollten gerade wieder zurück zur Villa und da dachte ich mir, oh wir haben etwas vergessen, unsere Hauptdarstellerin!"
Ein leichtes Lächeln schmückte wieder mein Gesicht.
"Wie könnt ihr mich nach Drehschluss nur vergessen?! Ist nicht so, dass ich nach jedem Feierabend verschwinde."
Ein Lächeln, an welches du dich ständig selbst erinnern musst, hält nicht lange. So verblasste auch dieses wieder.
"Bist du mit dem Auto hier?",
fragte er.
- "Nein."
Dann blieb es eine Weile still und wir betrachteten beide die Ferne und die Sonne, welche sich dem Wasser näherte.
"Was ist los Mae?"
Wie bei Frey, vorgestern, zuckte ich zusammen, wenn ich diesen Namen hörte.
"Du nennst mich auch Mae, obwohl ich dir gesagt habe, du kannst mich Elly nennen. Wieso?"
Er schien von dieser ablenkenden Frage wirklich irritiert, was mir ein Blick in sein Gesicht verriet.
"Ich weiß nicht. Der Name passt irgendwie besser zu dir. Möchtest du nicht so genannt werden?"
Ich hatte das Bedürfnis zu reden, ohne mir über alles Gedanken zu machen. Offen und ehrlich war ich selten, obwohl es so gut tat.
"In Frankreich nannten mich alle so und ich habe es geliebt. Hier wollte ich plötzlich nur Elly genannt werden."
- "Ich kann die Franzosen verstehen. Elly ist so gewöhnlich. Mae betont deine besondere Art, deine Schönheit..."
"Ou Romeo, ich halte dich nur zu ungerne auf, aber mein Ego verträgt solch feine Worte nicht",
boxte ich ihm gegen die Schulter und lachte auf.
Er lachte nach kurzem Zögern ebenfalls.
"Das dritte, was ich sagen wollte, war Göttin der Ablenkung. Also, ich habe meine Frage nicht vergessen. Was ist los?"
Und damit stoppte er die angenehme Stimmung.
"Es ist nichts",
wandte ich mich ab.
"Ich glaube dir nicht, aber ich zwinge dich auch nicht mit mir zu reden. Manchmal tut es nur gut, weißt du? Da ich dich kaum kenne, kann ich bei vielen Dingen bestimmt nur zuhören, aber wenn es die Show betrifft, stehen die Chancen gut, dass ich dir auch helfen kann. "
Für einen kurzen Moment überlegte ich, ihn einzuweihen, aber nein. Er würde genauso, wie meine Vernunft entscheiden und Sancho zu meinem Schutz aus der Sendung schmeißen.
"Danke für das Angebot, Leo. Aber ich muss mir erstmal selbst über etwas klar werden."
Auch wenn sein Blick zum Boden gerichtet war, nickte er verständnisvoll.
"Komm, ich fahr dich heim",
stand er auf und reichte mir so gleich seine Hand. Eigentlich wollte ich alleine sein, aber andererseits brachte ich es nicht übers Herz ihn schon wieder abzulehnen.
"Gerne",
ließ ich mich hochziehen.

***

"Miss Dumont?", wurde ich von dem Rezeptionisten meines Hotels aufgehalten.
"Ja?",
lief ich die restlichen Schritte auf ihn zu.
"Ein Kurier hat einen Brief in ihrem Safe hinterlegen lassen. Möchten Sie den Brief jetzt haben?"
Meine Augen verkleinerten sich zu Schlitzen. Heute verstand ich wirklich nichts mehr...
"Ja..."
Ich nahm den schweren Umschlag an mich und lief schnellen Schrittes in den Aufzug und in meinem Stockwerk angekommen in mein Zimmer.
Sie hatte dran gedacht, jubelte ich bereits in Gedanken, bevor ich den Umschlag aufriss.
Es war ein Smartphone mit Ladekabel.
Bevor ich dieses Projekt startete, machte ich diesen Kompromiss mit Jeanne, meiner Managerin von L'Oréal aus.
Vielleicht war es eine krankhafte Sucht nach einem Handy, aber es machte mir Angst, dass der Rest der Welt an mir vorbei lebte, während ich irgendwie eingesperrt war. Von der Öffentlichkeit abgeschirmt und sie vor mir.
Naja, dieses Problem hatte ich von nun an ja nicht mehr.
Strahlend, schmiss ich mich auf das Bett und installierte erst mal unter einem anonymen Pseudonym Instagram.
#15roses gab ich in das Suchfeld ein und überflog sogleich den Haufen an Bildern.
'Blicke sagen mehr als tausend Worte.',
wurde dort unter ein Bild von Sancho und mir geschrieben. Wie zutreffend dies doch irgendwie war. Wir hatten noch nie, auch nur ein Wort nach der offiziellen Begrüßung gewechselt.
Was mich mehr als erstaunte, war, dass Adam total gut ankam.
Naja der "Schwulen-Vorteil", dachte ich mir. Das sollte nicht falsch verstanden werden. Ich hatte noch nie was gegen Schwule, aber plötzlich musste jede Serie, jede Show und jede Werbung einen Homosexuellen beinhalten. Adam schien auf jeden Fall hohe Einschaltquoten zu bringen. Angela musste ihn also lieben.
Das plötzliche Aufklingeln des Gerätes, ließ es mich beinahe fallen lassen.
"Hallo?",
fragte ich unsicher.
"Elly? Hier ist Jeanne. Der einzige Kontakt auf diesem Handy, den du jemals haben wirst."
- "Was anderes habe ich auch nicht erwartet Jeanne."
"Wie geht es dir? Wie läuft das Projekt? Also im Fernsehen zu sein steht dir auf jeden Fall sehr gut. Weißt du wie viele Anfragen wir bekommen, welche Produkte du benutzt?"
- "Glaub mir die Scheiße hat auch ihren Preis... Ich bekomme langsam die Paranoia jeden und alles im Auge haben zu müssen, sonst fliegt hier alles hoch."
"Wow."
In der Tat war diese Show 'Wow'.
"Naja, ich muss sagen, du machst das wirklich großartig. Die Art wie du redest, wirkt so edelmütig und überhaupt, was du für diesen Liam gemacht hast, war der Wahnsinn. Ich meine, du hast dich quasi vor der Welt geoutet, dass du psychologische Hilfe beansprucht hast und... "
-" Halt Stop! Von was redest du da?"
"Na, dieser Liam hat dir doch seine Probleme gestanden und du hast ihm darauf die Nummer deiner Psychologin weiter gegeben."
- "Und das wurde ausgestrahlt?"
"Ehm, ja?"
Damit hatte Jeanne unwissentlich Leos und Angelas Todesurteil unterschrieben.
Und ich? Ich hatte ein Leben zerstört und mich selbst total blamiert. Aber, oh nein... Der arme Liam.
Ich legte sofort auf und legte das Handy in die oberste Schublade meines Nachtschränkchens.
Er kam zu mir, vertraute mir und schüttete mir sein Herz aus. Dabei konnte ich ihm nichtmal helfen. Nachdem, was er über seinen Vater gesagt hatte, könnte die Firma ganz schön leiden. Ein schlechter Ruf machte da so einiges aus.
Und Liam? Er sitzt wahrscheinlich in einer, von seinen Eltern gewählten, Gummizelle. Und das war alles meine Schuld. Wieder stand mir eine schlaflose Nacht bevor...

#15 RosesWhere stories live. Discover now