~ Eʂ ιʂƚ Zҽιƚ ȥυ ɠҽԋҽɳ ~

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Angela

"Es ist vorbei Leo. Das Projekt endet für dich und zwar heute!"
Ich fühlte mich wie die verdammte Mutter eines sturen Pubertierenden.
"Meinst du ich stimme zu?",
legte er seine Arme vor der Brust zusammen.
- "Meinst du, du hast was zu sagen?",
ahmte ich seine Haltung nach.
"Wieso überhaupt?",
wollte er nun zum hundertsten mal wissen. Verstand er etwa nicht, dass sich meine Antwort auch diesmal nicht ändern würde. Mein Mund blieb offen stehen, aber eine erneute Wiederholung konnte er sich abschminken.
"Das zwischen uns ist vorbei. Nur weil wir reden, heißt das doch noch lange nicht, dass alles wird wie früher."
Auch hierauf ersparte ich mir die Worte. Vor wenigen Tagen stieß er meine Tür, wie ein wild gewordener Stier auf.
Blind vor Wut wiederholte er ständig die selbe Frage 'Was hast du ihr angetan?' Normalerweise ließ ich mich von niemandem bereden, aber er schaffte es tatsächlich mir Angst einzujagen. Es war die letzte Entscheidung und ich erzählte ihm die halbe Wahrheit über Cody und Sancho.
Am Abend zog ich ihn dann noch damit auf, wie ich mich gewundert hätte, dass die Madame schon wieder ihre eigene Haut rettete und nicht die ihrer Liebe, obwohl sie doch so ein liebes Mädchen war.
"Wie fühlt man sich eigentlich als so niederträchtiger Mensch?"
Solch eine Frage stellte er seiner eigenen Mutter.
"Niederträchtig? Ich habe dich alleine groß gezogen, dir hier eine große Möglichkeit verschafft und du bist sogar zu dumm, um aus Fehlern zu lernen."
Zum Ende hin wurde ich immer lauter, weil er mich verletzt hatte. Es tat weh, das spürte ich, auch wenn ich es am liebsten überspielt hätte.
Leo musterte mich eindringlich. Auch aus seinem Gesicht war die Wut verschwunden.
"Es ist schade...",
begann er, doch setzte erst Sekunden später fort.
"Mae und du, ihr seid euch so ähnlich, nur dass sie geschafft hat, sich zu ändern und du ewig verbittert bleiben wirst."
Der nächste Satz, welcher mitten ins Herz traf. Sprechen konnte ich nicht mehr. Meine ganze Kraft steckte ich in das zurückhalten bitterer Tränen. Ja, ich weiß doch gar nicht mehr, wann ich das letzte mal geweint habe.
Sein Blick wanderte in eine bestimmte Richtung und ich folgte ihm.
Er landete auf der Glasvitrine hinter meinem Schreibtisch in der Ecke. Dort standen ganz viele Fotos. Auf den meisten waren Leo als kleiner Junge und ich.
Für meinen kleinen Sonnenschein nahm ich mir damals frei, bis er acht Jahre alt war. Immerhin war sein Vater verschwunden als der kleine erst drei Jahre alt geworden ist.
Wenigstens seine Mutter sollte er ganz für sich haben, dachte ich mir.
"Ich wünschte, er hätte mich mitgenommen."
Das war kein Satz. Das war ein Schuss und er traf mich mitten ins Herz.
Ich wandte mich von ihm ab und die warmen Tränen liefen meine Wangen hinunter.
Da war damals so viel Liebe. Einen Tag getrennt von einander zu verbringen war für uns unvorstellbar.
Seine Arme Schlangen sich oft, um meinen Hals und was er für ein Lachen hatte. Er war immer mein Halt und meine Kraft.
Irgendwann ging er zur Schule und ich zur Arbeit. Der Ehrgeiz stahl uns die gemeinsame Zeit und nun standen wir hier, nicht fähig uns anzusehen.
"Verschwinde, Leo."
Seine Anwesenheit war plötzlich eine Last, eine schmerzhafte. Sie bohrte sich in mein Fleisch und erdrückte meine Lungen.
"Danke, Mutter. Jetzt bin ich frei, kann meinen Träumen nachgehen, sein wer ich bin... Nur tu mir einen Gefallen, lass das Mädchen in Ruhe. Du hast ihr genug weh getan."

***

Maelle

Leo schilderte mir alles.
"Das ist alles meine Schuld."
- "Wieso?"
Er verstand es wirklich nicht, was mir sein Gesicht verriet.
"Du warst der Produzent und ich hätte dich von Anfang an einfach deine Arbeit machen lassen sollen."
Daraufhin versank er tief in Gedanken. Sein Blick wich irgendwo ins Leere.
Ich erschrak als er plötzlich auflachte und von meinem Bett aufstand.
In seinen Augen waren Tränen.
Es war ihm unangenehm, denn er lief von mir davon wieder auf die Terrasse. Mittlerweile war die Musik verstummt und bis auf den Wind hörte man gar nichts.
"Gefühlschaos",
antwortete er schlicht, während er versuchte seine Tränen immer noch hinter dem falschen Lachen zu verstecken.
"Was ist los?"
- "Sie ist ein Ungeheuer, aber ich liebe sie trotzdem. Wir sind im Streit auseinander gegangen und alles woran ich denke ist, dass wir uns wieder versöhnen müssen. Weißt du nur, was das größte Problem ist?"
Ahnungslos schüttelte ich den Kopf.
"Dann wird alles wieder wie vorher und die Mutter, welche mir einst über den Kopf streichelte, mich voller Stolz anlächelte ist trotzdem nicht mehr da. Es ist, als wäre irgendwann ein Teil von ihr gestorben und ich hätte ihn verloren."
Auch mich erreichte die Flüssigkeit in den Augen. Ich habe meine Eltern auch irgendwann verloren und das schlimmste ist, ich weiß nicht wann.
Wann passiert es? Wann hört es auf? Erst sind sie stolz auf alles, lieben und bewundern dich für den ersten Schritt, deinen ersten Schulauftritt, auch wenn er schrecklich war und plötzlich musst du ihnen alles beweisen, aber nichts ist mehr gut genug. Du bist für die Menschen, welche du am meisten liebst nicht mehr gut genug.
"Hey, ich wollte dich jetzt nicht zum heulen bringen."
- "zu spät",
wischte ich mir zwei, drei große Tropfen weg und lachte nun auch.
Wir strahlten beide mit Tränen in den Augen.
"Und du bist an nichts schuld. So blöd, wie ich bin, hätte ich dich früher oder später angesprochen und dich auf eine völligst tollpatschige Art auf ein Date eingeladen."
Er lächelte mich aufmunternd an und als er sah, dass es wirkte, schaute er in die Ferne.
Ganz weit, irgendwo, bestimmt hunderte von Kilometern hinter dem Vulkan, sah man die Sonne aufgehen.
Ein brennender Riss teilte das Meer vom Himmel.
"Am ersten Drehtag beobachtete ich dich. Du bist in deinem goldenen Kleid herum stolziert, wie der Chef des Sets, hast alle hin und her gescheucht, aber dabei immer ein charmantes Lächeln im Gesicht gehabt. Ich war fasziniert... Diese Frau schien so frei wie ein Vogel, selbstbestimmt und machte, was sie wollte, während ich alles tat, was andere wollten. Dann war mir klar, dass ich mich am liebsten einfach an ihren Flügel hängen möchte."
Ich hätte mir niemals denken können, dass mich jemals jemand so sieht.
So, das Gegenteil von mir. Jenes Gegenteil, welches ich mir so erträumte.
"Das war mit Abstand das schönste, was je jemand über mich gesagt hat. Danke, Leo."
Dann wurde es wieder still.
"Also ist die Entscheidung heute unser letzter Akt als Team."
Erst jetzt wurde mir bewusst, was ich an ihm hatte und ich schämte mich dafür, wie abweisend ich ihn zu Beginn behandelte. Sein Schutz, seine Aufmunterungen, seine Anwesenheit...Alles würde mir fehlen.

Ein paar Stunden Schlaf später traf ich Leo dann wie verabredet in einem Café. Wir saßen am Nachmittag, geschützt von einem rot-weiß gestreiften Schirm in der Sonne.
Aus seiner Mappe kramte er die fünf Bilder.
"Hast du einen Favoriten, oder bist du dir schon sicher, wer mit dir hier Hand in Hand rausgeht?"
Tatsächlich konnte ich mir ein Leben ohne drei von ihnen gar nicht mehr vorstellen, aber mit wem mich das schlichte Wort 'Liebe' verband, das konnte ich nicht sagen.
Leo wechselte plötzlich das Thema, was mich an sich schon sehr verwirrte.
"Hör zu, bevor wir richtig loslegen. In der Villa gab es einen zweiten Einbruch. Die Polizei meinte allerdings der Täter sei ein anderer, obwohl schon wieder eine Zahl aus Steinen gelegt wurde. Erschreck dich bitte nicht. Diesmal war es dein Zimmer und die Zahl 063. Es wurde nur nicht so sauber gearbeitet, wie beim letzten Mal. Dein Zimmer wurde zusätzlich auseinander genommen. "
Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken bei dem Gedanken, dass ich bald wieder dort sein würde, doch das hatte noch Zeit, redete ich mir ein.
"Ich habe gehofft, du würdest es noch ein letztes Mal sagen und siehe da",
grinste ich dem planlosen Gesicht entgegen.
"Hör zu, ich habe meine Entscheidung getroffen",
half ich ihm etwas auf die Sprünge.
Lachend, schüttelte er seinen Kopf.

***

Gekleidet, wie eine griechische Göttin stand ich wieder auf dem Steg.
Vor mir die letzten fünf, komplett in weiß gekleideten Kandidaten.

"Akim, du bist ein verpeilter, humorvoller und hilfsbereiter Mensch. Ich glaube mit dir wäre alles unterhaltsam, selbst wenn wir nur stundenlang auf irgend einer verlassenen Straße liegen müssten.
Allerdings spüre ich, dass du mir etwas verheimlichst... "

"Frey, ich kann nicht jedesmal den Satz wiederholen und sagen, dass irgendwas zwischen uns ist, aber so fühlt es sich eben an. Du hast mich verändert und an dir wachse ich.
Aber was ist, wenn ich wirklich meinen eigenen Weg finde... Führt er dann trotzdem zu dir? Bist du ein Seelenverwandter oder nur ein Vorbild?"

"Dany, als du hier ankamst, wollte ich dich gleich wieder loswerden. Einen Tag später vergaß ich mein Vorhaben. Wir sind auf einer Wellenlänge, immer am lachen, Bratan.
Neben einem Mann mit dem ich lachen kann, suche ich allerdings auch etwas ernstes, was ich bei dir bisher noch nicht gefunden habe."

"Milo, du bist, obwohl du absolut gläubig bist, ein Freigeist. Du siehst die Welt in all ihren Kleinigkeiten und Farben. Genau das will ich auch.
Weißt du, was das dumme ist?
Ich sollte jedem Kandidaten meine Zweifel äußern... Bei dir habe ich keine. Ich will einfach mehr Zeit mit dir verbringen, also hol dir schon die Rose."

"Sam, du bist ruhig, interessant und mysteriös. Leider habe ich das Gefühl, dass all diese guten Eigenschaften ganz schnell in Langweilig ausarten können."

Bis auf Milo, welcher absolut vor Glück strahlte, zitterten die anderen.
Ich wollte es nur noch kurz und schmerzlos machen.
Obwohl von schmerzlos nicht die Rede war...

"Frey, Akim und Sam. Holt euch eure Rose."

Während die drei sich die rote Blume holten, klebte mein Blick an Dany, welcher ausnahmslos den Boden anstarrte.
Als die drei wieder an ihrem Platz standen, kam er vor.

"Es tut mir leid, Dany. Mehr als Freunde können wir nur nie werden."

Er lächelte, vielleicht ein wenig geknickt, aber ich wusste, er verkraftete es. Wahrscheinlich spürte auch er, dass es einfach nicht funkte.
Bevor er ging, wandte er sich noch einmal den anderen zu.
Akim war der erste, welcher auf ihn zuging. Es war rührend, wie er ihn in die Arme schloss. Da hatten sich auf jeden Fall gute Freunde gefunden und das war doch auch schon verdammt viel wert.
Nachdem Dany verschwunden war, musste ich noch etwas ungeplantes loswerden.
"Dany ist nicht der einzige, welcher heute gehen muss. Es gab hier immer einen Engel am Set, welcher alles geregelt, alles geplant und erfolgreich umgesetzt hat. Die gute Seele unserer Show... Der Typ mit den unwiderstehlichen schwarzen Locken. Und bevor er geht und die Zuschauer nie erfahren werden, welches geniale Köpfchen ihnen den Abend versüßst. Leo, komm bitte zu mir."
Leo schüttelte wieder nur den Kopf, als er auf mich zukam.
Die anderen klatschen. Auch sie mochten ihn alle... Gut, sie wussten auch nicht, was zwischen uns lief.
"Jetzt bringst du mich auch noch vor die Kamera."
- "Ich muss die Welt doch warnen, was für ein Mensch nun frei herum läuft",
nahm ich ihn in den Arm.
Danach wandte er sich den Kameras direkt zu.
"Ja, was soll ich sagen... Mir hat es sehr viel Spaß gemacht. Ich habe tolle Leute kennengelernt und ich kann einfach nicht vor einer Kamera sprechen, deswegen ist mein Platz wahrscheinlich auch nur dahinter."
Er drehte sich einmal, um sich von allen zu verabschieden.
"Jungs, ich wünsche euch, viel Glück und Mae, du bist eine tolle Frau.
Es war schön mit euch."
Und damit verschwand er.

#15 RosesWhere stories live. Discover now