~ Kɾσαƚιҽɳ ~

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Es war einmal ein Prinz, der lebte auf einem hohen Berg. Seine Burg war umgeben von einem großen Wald und steilen Klippen. Er war ein frommer Herr und mit Schönheit gesegnet.
Lange war er verschollen, doch heute kehrte er heim.
'Pazin' las ich auf dem Schild, nachdem wir den Dschungel überwanden.
Das Schild war wohl die erste funktionierende Zeitmaschine, denn plötzlich schien ich im Mittelalter gelandet zu sein.
Die Wände der Häuser sahen aus wie die Mauer, welche die Stadt umgab und die Straßen waren alle mit groben schwarzen Steinen gepflastert.
Es hätte mich nicht gewundert, wenn aus dem nächsten Haus eine fülligere Frau heraus gekommen wäre mit Eimern, um diese beim nächsten Brunnen mit Wasser zu füllen.
Was mich allerdings wunderte war, dass Milo nur 18 Jahre hier lebte. Pazin spiegelte ihn wieder, mal ganz abgesehen von der riesigen Kirche, welche man wohl von überall erkennen konnte.
Freundlich, einladend, absolut anders, interessant und gläubig.
Ja, das war Milo und Milos Heimat.
Auf die Familiendates freute ich mich von Beginn an am meisten, doch jetzt packte mich die Aufregung.
Seit ich mich erinnern kann, lebte ich in Großstädten... Passte ich überhaupt hierher?
In einer stilvoll, alt hergerichteten Pension, ein Hotel war in dieser Stadt nicht zu finden, zog ich mich um.
Bevor es zu dem großen Familientreffen kam, durfte jeder Kandidat ein eigenes Date in seiner Stadt vorbereiten.
Milo teilte mir mit, ich solle mir Sportbekleidung anziehen.
Also schlüpfte ich in die blaue Leggings von Nike, meinen schwarzen lieblings Bustier und warf mir noch den weißen Kapuzenpulli drüber, falls es irgendwie kälter werden sollte.
Ich fühlte mich wohl, aber wenn ich an Milo zurück dachte war das auch kein Wunder. Er war bemüht darum, dass es mir gut ging.
Das bewies wohl unser erstes Date, welches ich nie wieder vergessen werde. Diesen Moment, in welchem ich meine Augen öffnete und er genauso saß, wie vor Stunden, bevor ich einschlief und das alles nur, um mich nicht zu wecken.
Liebe deinen nächsten, wie dich selbst. So war er bestimmt zu jedem.
Kaum saß ich im Auto, fuhren wir wieder in den Wald hinein. Die Autofahrt dauerte nicht lange und schon hielten wir wieder. In dieser Gegend konnte man spurlos Leute verschwinden lassen, aber töten war soweit ich weiß eine Sünde.
Nichts für meinen Jesus.
An einen Baum gelehnt, ein Bein angewinkelt stand er dort. Sein Gesicht zierte bereits ein warmes Lächeln und ich konnte nicht anders als überglücklich auszusteigen.
Es war so, als hätte ich ihn jahrelang nicht gesehen. Meine Beine rannten, meine Arme streckten sich zu ihm und keine Sekunde später kollidierten unsere Körper aneinander.
"Bebo",
sprach er, sein Gesicht versenkt in meinen Haaren.
"Bebo?",
wiederholte ich, ihm nun endlich in die Augen schauend.
"Du solltest damit anfangen die Sprache deines zukünftigen Ehemannes zu lernen."
Mein Mund verzog sich schlagartig zu einem 'O'.
Er reichte mir seine Hand und wir liefen in den Wald hinein.
Dort war kein Weg, nicht mal ein abgetrampelter Pfad.
"Du hast es aber eilig",
antwortete ich auf seine vorherige Aussage.
"Kein Sex vor der Ehe",
lachte er, während ich meine Hand von seiner lösen wollte, um ihm einen kräftigen Schubs zu geben, doch er hielt sie fest und ließ keinen Widerstand zu.
"Kleine Mädchen sollten nicht alleine im Wald herum irren."
Ich gab das Strampeln und ziehen an seinem Arm auf und wir brachen in schallendes Gelächter aus.
Wieso hatte ich früher nie Zeit mit ihm verbracht?
Irgendwann standen wir vor einem aus vielen großen Steinen bestehenden Berg.
Es musste eine Sackgasse sein, aber nein, völlig verwundert beobachtete ich den Herren, wie er locker und ohne Angst von einem Fels auf den anderen stieg.
"Selbstmord ist eine Todsünde!",
musste ich ihm bereits hinterher rufen, weil er schon einige Meter entfernt war.
"Trägheit auch",
blickte er lachend zu einem trotzigen ich hinunter. Am liebsten hätte ich ihm einen der riesigen Steine hinterher geworfen. Doch am Ende wäre er nur auf mir gelandet.
Nicht nach unten schauen, ermahnte ich mich selbst, wieder und wieder.
Auf allen Vieren krabbelte ich meinem Jesus hinterher.
Oben angekommen, natürlich nicht ich, sondern er, hockte er sich hin und beochtete mein Anti-Talent. Dass er sich dabei auf die Unterlippe biss und dabei recht angestrengt aussah machte die Sache nicht besser. Er sollte bloß nicht ersticken bei dem Versuch nicht zu lachen.
Auf den letzten Metern streckte er mir seine Arme entgegen und ich ergriff seine Hände dankbar.
Eine Weile liefen wir weiter, bis durch das dichte Grün, helle Strahlen fielen.
Und aufeinmal wurde die Erde unter meinen Füßen weniger und der steinige Untergrund wurde sichtbar.
Als auch der letzte Baum hinter uns lag, wusste ich auch warum.
Wir standen auf einer Klippe, unter uns ein See, welcher so schön in einem satten Türkis leuchtete.
"Oh nein, Milo!"
Sein selbst so begeistertes Gesicht, wandelte sich in ein überraschtes.
"Ich werde nicht dort runterspringen!"
Um das zu wissen, musste ich nicht erst an den Rand des Abgrundes kommen.
Der Druck an meiner Hand wurde wieder stärker. Er zog mich ein wenig näher zu sich und zwang mich dabei in seine Augen zu schauen.
Zu schmalen Schlitzen kniff er sie. Was versuchte er gerade aus meinem Gesicht zu lesen?
"Vertraust du mir?"
Wie ich diese Frage hasste... Meistens wurde man danach unter dem Deckmantel des Vertrauens zu etwas gezwungen, was man gar nicht wollte.
Nun war es an mir, meine Augen zusammen zu kneifen, vielleicht fand ich ja etwas in seinem Gesicht.
Er würde nie etwas tun, was mir nicht gut tut. Genau das vermittelten mir diese Augen.
Meine Hand lag wieder locker in seiner und mein Kopf wippte zaghaft auf und ab.
Enttäusch mich nicht Milo, waren meine Gedanken, als er mich doch in die Richtung des Abhanges führte.
Als ich bereits hinunter sehen konnte und meine Füße kaum 15 Zentimeter vom Abgrund entfernt waren, spürte ich meine Zähne aneinander klappern.
"Entspann dich",
versuchte er seine Hand von meiner zu befreien. Erst jetzt bemerkte ich, wie meine Nägel sich in sein Fleisch bohrten.
Ich ließ los und wollte ihm im selben Moment um den Hals fallen, seinen Körper mit Händen und Füßen, sowie es ein Klammeräffchen tun würde, umschlingen.
Er hielt zwar nicht mehr meine Hand, doch die Berührung endete nie.
Als er einen Schritt hinter mich setzte, wanderten seine Finger Hauch zart über meinen Arm und gingen über zu meinem Rücken, wo sie eine Weile ruhten.
"Schließ die Augen und konzentriere dich darauf, wie du atmest."
Seine Stimme bestimmte über mich und ließ dabei keine Zweifel zu.
Rasend und zittrig erreichte die Luft meine Lungen. Mein Herz schlug viel zu schnell, um seine Schläge zählen zu können.
"Hör genau zu."
Milos Hände, welche so groß und warm waren schlichen sich unter den weißen Pullover.
Um meine Taille fanden sie dann Ruhe. Ich spürte einzelne Finger direkt auf meiner nackten Haut, was mir eine Gänsehaut verschaffte.
Unter ihm nahm meine Atmung wieder eine normale Geschwindigkeit an, nur mein Herz folgte diesem Vorbild nicht.
Da war plätscherndes Wasser in der Nähe. Das hörte ich, fiel es mir erst jetzt auf.
Ich riss meine Augen auf, um nach dem plätschern zu suchen.
"Angst macht manchmal blind und taub, vor allem für Schönes."
Das stimmte... Wie viele Möglichkeiten in meinem Leben musste ich schon übersehen haben, weil ich nur an das dachte, was mir Angst macht. Sancho...
Aber nein, das war vorbei. Damals hatte ich mich dafür entschieden, mich der Angst hinzugeben. Heute, aber nicht!
"Hälst du mich fest?"
Um es mir zu verdeutlichen, drückten seine Finger sich noch einmal mehr in meine Seiten.
Millimeter für Millimeter tastete ich mich voran, bis ich ihn sah, den Wasserfall unter meinen Füßen.
Er war umgeben von einem bunten Regenbogen.
Es fühlte sich an, wie fallen, ohne zu fallen. Mein Körper folgte den Tropfen, bis in die Tiefe und sogar dieses typische Kribbeln erreichte all meine Gliedmaßen.
"Wow...",
staunte ich vor mich hin, bis ich ruckartig zurück gerissen wurde.
Ich quiekte kurz auf und wäre tatsächlich fast auf ihn gesprungen, wie zu Beginn geplant.
"Weiter geht's",
löste er sich von mir. Frech, stand ihm. Vor allem dieses spitzbübische grinsen.
Aus der Starre erwacht, eilte ich ihm wieder hinterher.
Wir gingen weiterhin an der Klippe entlang.
"Was ist das Ziel des heutigen Dates?",
fragte ich ihn.
"Natürlich deine Liebe",
lachte er.
"Und wie willst du das erreichen?",
versuchte ich es anders.
"Also 1. Du hast gesagt, du brauchst die Stadt, damit andere dich daran erinnern, dass du noch lebst. Ich wollte dir die Natur nahe bringen, die Ruhe und Stille, auf das du das Gefühl bekommst die Welt daran erinnern zu müssen, dass du noch da bist... Es ist schwierig zu erklären... ",
schaute er beschämt zu Boden.
"Nein, nein... Ich glaube ich verstehe es", war es nun an mir, ihm ein bestärkendes Lächeln zu schenken, welches ich im nächsten Moment doch wieder selbst gebraucht hätte.
"Und 2. Wollte ich dich meiner Welt näher bringen. Diese besteht aus Reisen und jeden Ort in seinem Detail zu erfassen."
Vor mir tat sich ernsthaft der Boden auf.
Eine steinige Schlucht führte tief in das Innere der Klippen.
"Du willst mich in die Hölle bringen?", wollte ich wissen, ohne mein Blick aus dem schwarz zu holen.
"Es wird dir gefallen",
zwinkerte er mir zu, bevor er erneut meine Hand packte. Verdammt... Wieso konnte ich ihm nicht einfach widersprechen?!
Ich glaube, ich wollte einfach in seiner Nähe sein, welche gerade so besonders war.
Diesmal half er mir stets beim hinab klettern von Fels zu Fels.
Es war unlogisch, zumindest konnte ich es mir nicht erklären, aber desto tiefer wir kamen, desto heller wurde es wieder.
Und irgendwann kamen wir auf einem flachen Untergrund an und ich schaute mich um.
Wir waren echt im inneren der Klippen, vor uns der See, eingebettet in die Höhle.
Jetzt wusste ich auch, wieso es hier ein wenig heller war.
Uns Gegenüber öffnete sich die massive Steinwand nämlich, jedoch konnte man nicht durchsehen.
Der Wasserfall von eben, legte sich wie ein dicker Vorhang in die Spalte.
"Hier wäre ich auch gerne aufgewachsen."
Ja, ich war sogar kurz davor, neidisch zu werden.

Das Kamera-Team verließ die Grube, um eine Drehpause einzulegen.
Milo und ich blieben auf einem kleinen Felsblock nebeneinander sitzen.
"Bist du wirklich in die Kirche gegangen und nie wieder zurück gekommen?"
Die Frage brennte mir einfach schon zu lange unter den Fingernägeln.
"Ich war in der Kirche, wie gesagt und vom zurück kommen hatte ich doch nie was erwähnt."
Mir klappte die Kinnlade runter.
"So einer bist du also...",
schüttelte ich den Kopf.
"Wie viele Freundinnen hattest du bis jetzt?"
Na toll... Er musste nachdenken... Lange nachdenken...
"Weiß nicht...",
zuckte er mit den Schultern und mein Mund wollte sich gar nicht mehr schließen.
"Ich war nicht immer so gläubig...",
setzte er fort mit einem schelmischen Grinsen, was es gar nicht besser machte.
"Was erwartet mich heute bei deiner Familie?"
Wie schon gesagt, war ich so ziemlich aufgeregt und zu wissen, was kommt, könnte mir etwas die Angst nehmen.
"Meine Geschwister freuen sich auf dich."
Zwar lächelte er mich an bei seiner Antwort, doch nachdem das letzte Wort fiel, wandte er seinen Kopf sofort ab und ich könnte schwören, dass sein glückliches Gesicht zum ersten Mal einem traurigen glich.
"Was ist mit deinen Eltern?",
haute ich meine Vermutung ungehemmt raus. Mädchen, lern Empathie, schimpfte ich mich selbst.
Auch ohne Antwort, wusste ich, dass ich auf den Punkt getroffen hatte.
Sein Blick, welcher konzentriert nach vorne, auf dem Wasserfall lag, flüchtete nun komplett vor mir.
Ich sah nur seinen Hinterkopf, als er sagte:
"Sie sind vor zwei Jahren bei einem Autounfall gestorben."
Er tat mir ungemein leid, wie er neben mir saß. So abgewandt schien er plötzlich so ziemlich einsam.
Meine Hand legte sich sanft auf seine Wange, um seinen Kopf den meinem wieder zuzuwidmen.
Diesen Kampf musste er nicht alleine kämpfen... Eigentlich gar keinen mehr, solange ich bei ihm war.
"Tut mir leid, dass ich gefragt habe. Ich wollte keine alten Wunden aufreißen... Aber am liebsten würde ich gerne alles von dir wissen."
Sein Blick traf auf meinen. In diesem gedämmten Licht versank ich in dem schwarz seiner Augen. Ein Entkommen war nicht möglich.
Er zog mich mit allem was er war und was er hatte in den Bann.
"Dann sollte ich wohl mit etwas wichtigem anfangen."
Wieder starrte er angespannt nach vorne.
"Maelle... Ich will dich nicht verlieren."
Seine Hand fuhr sich einmal von oben bis unten über das Gesicht.
Irgendwas beschäftigte ihn, doch was mir den Atem stahl, war seine Aussage.
Ich fand Milo schon immer interessant, aber immer überkam mich der Eindruck, er würde nichts von mir wollen und das sich das auch in Zukunft nicht ändere.
Er sollte nicht mehr die Möglichkeit bekommen sich mir zu entziehen, wie er es schon die ganzen letzten Minuten tat.
Entschlossen stand ich auf und quetschte mich zwischen seine Beine.
Meine Hände legte ich um seinen Hals. Nun war er gezwungen mir in die Augen zu schauen, bis er sich ausgesprochen hatte.
Wieder spürte ich seine warmen Fingerspitzen die kalte Haut unter meinem Pullover berühren.
"Mein Name ist Milo Novak... Kennst du jemanden aus meiner Familie?"
Meinte er etwa, ob ich eine Person kannte, welche ebenfalls Novak heißt? Ja, da kannte ich jemanden.
"Dr. Mary Novak?",
formulierte ich den Namen meiner Psychologin als Frage.
"meine Cousine."
Wahrscheinlich verstärkte ich meinen Griff um seinen Hals genau in jenem Moment. Sofort fragte ich mich, ob er mein Geheimnis kannte. Die alt-bekannte Panik kochte auf.
"Maelle, ich habe keine Ahnung, weshalb du bei ihr in Behandlung warst oder bist. Ich schwöre es. Das hat mich nie interessiert."
Ein Wort, ein Gedanke... Erneut wusste er, was ich dachte. Wir verstanden uns, ob blind oder taub.
"Aber ich wusste, dass jemand anderes meine Cousine ausquetscht.
Ich habe mich als gläubiger Freak ausgegeben, um interessant für die Show zu werden. Miss Lopez sollte es lassen meine Cousine zu erpressen. Mit meinem Wissen wollte ich wiederum sie erpressen. Sie sollte dich und Mary in Ruhe lassen, aber das tat sie nicht. Ihr war gleich klar, dass, wenn ich zur Polizei gehe, auch Mary ihre Strafe erhält. Von nun an, hast du die Macht über diese Information und du kannst sie gegen die Produzentin verwenden. Wieso solltest du auch Mary verschonen wollen... Es tut mir Leid, dass ich dir nicht schon früher geholfen habe... Ich wollte dich nicht wieder und wieder in ihr Messer laufen lassen. Maelle, es tut mir wirklich abgöttisch Leid."

Und damit hast du mich ins nächste Messer laufen lassen, lieber Milo.
Vielleicht etwas zu grob löste ich mich von ihm und ging.

#15 RosesWhere stories live. Discover now