~ Տҽíղҽ Eղƭʂƈɦҽíɗʋղɠ ~

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"Guten Morgen, Leo."
In Leggins, einem weißen Top und einer XXL-Strickjacke, kurz gesagt, meinem lieblings Freizeit-Outfit, begrüßte ich den erschrockenen Produzenten. Er stand etwas versteckt in der Einfahrt zur Villa, hinter der großen Tür seines Jeeps und sammelte irgendwelchen Papierkram zusammen. Also, der ordentlichste war der liebe Leo ja nicht, musste ich nach einem Blick auf seine Rückbank feststellen.
Als er sich mit Schwung zu mir drehte, flogen doch gleich tausend Zettel mit in meine Richtung.
"Mae!",
legte er eine Hand auf seine Brust, die sich heftig hob und wieder senkte.
"Oh Gott",
konnte ich die Belustigung nicht ganz aus meiner Stimme nehmen.
Zeitgleich stellte ich beide Kaffee-Becher auf dem Auto-Dach ab und half ihm beim aufheben.
Immer noch etwas verloren stand er dann da, den zerstörten Haufen Papier unter seinen Arm geklemmt.
"Du bist heute sehr früh dran",
schaute er bestätigend auf seine nicht vorhandene Armbanduhr.
Unter anderen Umständen wäre bestimmt etwas aus uns geworden... Und genau diesen Gedanken musste ich jedesmal widerwillig unterdrücken.
"Erstens..."
Ich nahm einen der Pappbecher und drückte ihn ihm in die Hand.
"... muss doch jemand bei all der Arbeit die du hast darauf achten, dass du auch ausreichend versorgt bist und zweitens, müsste ich vor Drehbeginn mit einem der Kandidaten sprechen. "
Über den Kaffee schien er sich wirklich zu freuen, schmunzelnd versank sein Blick in der braunen Flüssigkeit. Als ihm dann allerdings mein zweites Anliegen zu Ohren kam, richteten sich seine dunklen braunen Augen voller Skepsis auf mich.
"Mit wem?"
- "Sancho",
schoss es eiskalt aus meinem Mund, ohne den Hauch eines Gefühls.
Er nickte wissend und ich musste mich fragen, was er denn überhaupt dachte zu wissen.
Es schien ihm auf jeden Fall nicht zu gefallen und ich entschloss mich nachzufragen.
"Du scheinst nicht einverstanden zu sein?"

- "Und du hast mich doch nicht um Erlaubnis gefragt, also ist es doch egal."

"Es ist mir trotzdem nicht egal, was du denkst."

Dann war es ruhig und ich glaube er musste sich selbst bewusst werden, was er denn nun wirklich darüber dachte.
Er atmete ein, doch stoppte abrupt und ein zweites Mal, dann lachte er, scheinbar über sich selbst.

"Weißt du, ich fühle mich gerade, wie der letzte Idiot."

Was auch immer er sagen wollte, es fiel ihm schwer und das ich seine Hand nahm, war kein Akt des Spiels, sondern eine Entscheidung meines Herzens, welches ihn nicht leiden sehen konnte.
Das Zittern seiner Hand erlosch in meiner und nach langer Zeit, schaute er mich wieder an.
"Ich verkuppel in meiner Show ein Mädchen, dass ich immer mehr selbst will. Wie bescheuert muss man sein? Meine Mutter hat schon immer gesagt, ich bin zu dumm und naiv für dieses Geschäft..."
Oh Gott... In seiner Nähe fühlte ich mich, wie der schrecklichste Menschen, welcher jemals existierte.
Als er bemerkte, dass ich nicht antwortete, setzte er auf die Leo-typischste Art fort.

"Hör zu, du musst dazu nichts sagen. Ich weiß, dass es total sinnlos..."

-"Jetzt hörst du mir mal zu! Ich will mit Sancho nur etwas zum Ablauf der Folge klären und du bist weder dumm, noch naiv oder sonst was, aber in einem hat deine Mutter recht. Du passt wirklich nicht in dieses Geschäft, weil du dafür viel zu gut bist."

Schüchtern, wie er war, starrte er den Boden an. Ja, Komplimente waren manchmal schwerer zu verdauen, als Kritik.
Sanft legte ich meine Hände um seinen Hals und ging einen Schritt auf ihn zu. Seine schwarzen Locken, welche ich an meinen Fingerspitzen spürte, waren tatsächlich weich, wie Seide.
Ich überbrückte den kurzen Abstand, denn er war nicht viel größer als ich und drückte meine Lippen leicht gegen seine glatte Wange, bevor ich mich schnell wieder löste und die Villa betrat.

***

So stand ich, wie angepriesen vor Sanchos Tür. Schon seit 15 Minuten, um genau zu sein. Meine Faust war erhoben, bereit zu klopfen und dennoch tat ich es nicht. Verdammt, meine Knie zitterten einfach. Ich verlor mich in seiner Nähe und das machte mir am meisten Angst.
Es war einfach nur schrecklich.
Mae, du bist kein verdammter Teenager mehr, schimpfte mein Verstand, doch dieser kam leider nicht gegen die Lautstärke meines Herzschlages an.
Ich holte erneut aus und wusste im selben Augenblick leider auch, dass die Hand kurz vor der Tür wieder zum Stehen kommen würde.
Doch es kam anders, die Tür öffnete sich und zu gleich schien es mir, wie ein Fluch und ein Segen.
Sancho blieb ruckartig stehen, als wäre er gegen eine durchsichtige Wand gelaufen.
Ein schlichtes "Hallo.", ertönte aus seinem Mund und ich erwiderte es genauso, den Blick fest auf den Boden gerichtet.
"Ha-Hast du kurz Zeit?"
Seine Adiletten verschwanden aus meinem Sichtfeld und ich wusste ich konnte eintreten. Es hatte also doch Vorteile gehabt, auf den Boden zu starren.
Er schloss die Tür hinter uns und lief entspannt zu seinem Bett, welches noch sehr nach Schlaf aussah.
Ganz cool, ganz im Gegensatz zu mir, warf er sich darauf und stützte sich auf seine Ellenbogen, um mich sehen zu können. Nur seine Waden baumelten herunter. Wie auch ich, hatte er wohl erstmal das nächst beste Outfit gewählt. Wieso auch nicht... Die Entscheidung fand erst heute Abend statt und sonst stand nichts auf dem Plan.
"Auch wenn es mir wirklich schmeichelt... Du bist doch nicht zum starren gekommen, Gatinha?"
Konnte es eigentlich noch schlimmer werden?
"Nein... T-tut mir leid..."
Ja, konnte es. Innerlich klatschte ich mir heute gefühlt zum zehnten Mal die Hand vors Gesicht.
"Erstens, finde ich es nicht toll, dass du auf den Kosten von David spielst. Der Arme sitzt schon mit einem Bein im Knast. Und zweitens weiß noch jemand anderes, dass mit dir irgendwas nicht stimmt und er ist bereit, es live zu verkünden."
Er setzte sich auf und schaute mich konzentriert an. Schnell fixierte ich meinen Blick auf den Spiegel hinter ihm.
"Du hast doch gesagt, ich soll aufhören mit verticken und ich habe ihn ganz höflich gefragt."
Das war das einzige, was ihm dazu einfiel?
"Sancho, hier soll gar nichts illegales im Umlauf sein!"
Meine Augen schossen imaginäre Pfeile direkt in sein kaltes Herz. Leider schmerzten sie ihn nicht, was mir das freche grinsen in seinem zauberhaften Gesicht verriet.
"Also, ich finde das alles nicht so lustig",
wandte ich mich wieder ab und ging auf das Fenster zu.
Ich zuckte zusammen, als ich plötzlich Hände um meine Arme spürte und erneut zum Raum hin gewirbelt wurde.
Er ließ sie nicht los, sondern brutzelte mein Gehirn mit seinem intensiven Blick. Das schlimmste war, dass ich das Gefühl bekam, dass er eben dieses Chaos in meinem Kopf genau erkennen konnte.
"Mir ist es egal, wer hinter mir her ist, aber ich glaube dir könnte es gut tun, mir alles zu erzählen. Also wer und wieso?"
Vielleicht hatte er Recht, vielleicht wollte ich nicht alleine mit diesem Problem sein, aber vielleicht wollte ich ihn auch unbedingt in Sicherheit wissen. Leider wusste ich es nicht.
"Cody hat mich in meinem Zimmer abgefangen und mir gedroht, wenn er nicht unter die letzten drei kommt, dann lässt er dich auffliegen."
Seine Hände schlichen den Stoff meiner Ärmel hinauf, bis ich sie Haut auf Haut an meinem Hals spüren konnte.
"Also geht er davon aus, dass du mich um jeden Preis schützen würdest."
Der Moment war gekommen, in welchem ich dieses Gespräch bereute.
Es machte mich beinahe schon wütend, da wollte ich ihm helfen und nun fühlte ich mich dank ihm, wie eine in die Ecke gedrängte Maus.
Wie ein Jäger, um seine Beute lief er um mich herum und blieb hinter mir stehen. Völlig geräuschlos, lag wie aus dem Nichts, seine Hand auf meiner Schulter und mit einer Bewegung schob er all meine Haare über die andere Schulter.
Ich hätte schwören können, dass ein Meter Abstand zwischen uns herrschte, doch als ich sein flüstern unmittelbar an meinem Ohr spürte, wurde mir ganz anders.
"Hatte er wenigstens Recht mit seiner Vermutung? Ist er unter den letzten drei?"
Ein Kloß in meinem Hals verweigerte mir das Sprechen und die weichen Knie eigentlich das Stehen.
"Kannst du dich noch an das Tattoo erinnern? Wo war dieses noch einmal?"
Tatsächlich musste ich bei dieser Erinnerung lächeln. Mit Kohle malte er mir einen Kussabdruck in die Halsbeuge. Genauso lächelte ich wahrscheinlich damals den ganzen Abend vor dem Spiegel in meinem Hotel. Drei Mal setzte ich an, die kindliche Schmiererei wegzuwischen und drei mal scheiterte ich.
Beim vierten Versuch wurde mir klar, weshalb ich es nicht konnte.
Nach mehr als fünf Jahren wurde mir zum ersten Mal wieder bewusst, dass mein Herz nicht so tot war, wie es sich so lange fühlte. Ich weinte und wusste, dass ich es wieder schaffen könnte, mich zu verlieben.
Etwa da, wo er den Kuss einst gemalt hatte, verewigte er ihn nun mit seinen Lippen.
Ich suchte mit meiner Hand Halt in seinem Nacken und schmiegte mein Gesicht weiter an sein Gesicht.
Doch halt. Das war doch alles nur ein Spiel. Keiner suchte hier nach der Liebe. Wir haben uns hier nicht im wahren Leben kennengelernt und wie immer beendete ich das ganze und stürmte ohne Vorwarnung davon.

***

Am Ende des Tages stand die Entscheidung an und anders als sonst, war die durchsichtige Vase heute nur mit einer Rose ausgestattet.
Den Männern sah man die Unsicherheit an. Einige schauten die Pflanze ununterbrochen an, andere verfielen in Diskussionen.
Ja, was hatte es mit dieser einen Rose auf sich? Hatte ich mich etwa verliebt und verzichtete auf den Rest dieses Theaters?
Das waren zumindest meine Gedanken. Nur fehlte mir, wie immer die Kraft, diese auch in die Tat umzusetzen, obwohl irgend etwas in mir ständig wiederholte, dass genau das, das richtige gewesen wäre!
"Meine Herren, heute fällt eine ganz besondere Entscheidung...
Und damit ich euch alle schon mal entlasten kann.
Ihr seid alle safe.
Einer von euch hat mir seine Unsicherheit mitgeteilt und ich habe ihm versprochen, dass er sich frei entscheiden kann.
Jetzt ist es Zeit, dass er sich mir mitteilt.
Vorher möchte ich ihm noch sagen, dass ich ihn sehr gerne habe und ich finde, dass wir uns vom Wesen her, sehr ähnlich sind. Er ist kein Mörder, sondern ein guter Mensch, der hier und da Fehler gemacht hat, wie jeder andere auch."
Spätestens jetzt war allen klar, um wen es hier ging. David lächelte mich an, bevor er vor trat.
Ich fragte mich, was er tun wird, doch lange ließ er mich nicht zappeln.
Er öffnete seine Arme und ich ließ mich in ihnen versinken.
"Du bekommst heute leider keine Rose von mir",
sprach er mir ins Ohr.
"Das ist voll okay. Es tut mir so Leid, David."
Darauf löste er sich und nickte nur vor sich hin. Seine Augen widmeten sich, wie all die Tage zuvor wieder dem Boden. Es war nicht in Ordnung und das würde es nie sein.
Der Mann mit den türkis-blauen Augen verließ die Show und ich hoffte für ihn, dass sich in seinem Leben alles zum guten wenden möge.

#15 RosesWhere stories live. Discover now