Kapitel 25

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Wir drehten uns zu Darian um, der neben dem Kaptain inzwischen auf dem Boden kniete und ihm eine Hand tröstend auf die Schulter gelegt hatte. Seine Lippen bewegten sich, aber ich konnte die Worte, die sie verließen, nicht ausmachen. Luans Kopf war in Kaptain Moores Schoß gebettet, der ihm wie bei einem kleinen Kind den Kopf streichelte. Er war zwar noch nicht bei Bewusstsein, aber er sah deutlich besser aus als noch wenige Minuten zuvor. Zu gut, um ehrlich zu sein.

Stirnrunzelnd wandte ich mich Fergus zu, der seinen Blick ebenfalls auf Luan gerichtet hatte. Gleichgültigkeit zeichnete sich in seinem Gesicht ab und mir wurde wieder bewusst, wie alt Fergus war. Für ihn war Luan nur ein weiterer Mensch. Nichts Besonderes, dem er ein verstärktes Augenmerk widmen könnte. Ich behandelte Fergus wie einen ganz normalen Menschen, dabei war er alles, aber nicht normal. Es war viel zu leicht, seine wahre Identität aus den Augen zu verlieren, wenn man nicht immer wieder daran erinnert wurde.

"Was genau war in dem Trank, den Luan eingeflößt bekommen hat?", fragte ich schließlich und kam nicht umhin, ein gewisses Maß an Misstrauen zu verspüren. In dem Trank hätte sonst was drin sein können. Vielleicht vertrugen ihn normale Menschen nicht.

Fergus bedachte mich mit einem nachsichtigen Lächeln. Eines, das man normalerweise kleinen Kinder schenkte, die noch zu jung und naiv waren, um etwas zu verstehen.
"Ein paar Kräuter, die überraschende Heilwirkungen haben, wenn man sie in der richtigen Dosis und in der entsprechenden Kombination einsetzt."

Ich nickte. Wir standen noch immer in dem Gang vor dem Saal, der in zwei Richtungen abzweigte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde ich mich noch immer in dem ganzen Gebäude heillos verlaufen. Es gab viel zu viele Räume und Gänge, ohne ein klar erkennbares Muster. Ein wahres Labyrinth, wenn man wie ich noch nie hier gewesen ist. Vielleicht aber war auch genau das die Motivation hinter den wirr angelegten Gängen und scheinbar wahllos aneinandergereihten Räumen. Ein Labyrinth für jeden zu schaffen, der nicht hierhin gehörte.

Mit einem Kopfschütteln richtete ich meine Aufmerksamkeit auf Darian, der nicht mehr neben dem Kaptain saß, sondern einige Meter entfernt an der Wand lehnte. Mit einem undefinierbaren Ausdruck in seinen dunkelblauen Augen schaute er mich an und hatte dabei die Arme locker vor seiner Brust verschränkt. Ich erwiderte seinen Blick und wusste nicht so recht, was er darin las. Ich wussste ja selbst nicht genau, was ich ihm gegenüber empfand. Er war mein Vater, aber das hieß nicht, dass ich ihn plötzlich wie einen liebte. So funktionierte das nicht. Er war mir symphatisch und ich fühlte mich bei ihm wohl, aber Liebe? Das erschien mir angesichts der Umstände zu übertrieben und absolut irreal.

Ich ging zu ihm hin und blieb einige Meter vor ihm unschlüssig stehen. Sollte ich ihn umarmen? Die Hand schütteln? Ich entschied mich für die sichere Variante und nickte ihm zur Begrüßung lediglich zu. "Hey"

"Hey", erwiderte er meinen peinlichen Versuch, ein Gespräch aufzubauen.

"Also", ich stockte, unsicher, wie ich fortfahren sollte. Was genau sollte ich zu ihm sagen? Zum ersten Mal in meinem Leben fehlten mir die Worte. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie ich mich verhalten sollte, welche Worte die richtigen waren. Er war auf der einen Seite noch ein halber Fremder für mich, auf der anderen Seite spürte ich, dass uns etwas verband. Und das machte mich unsicher und ängstigte mich. Wir hatten uns 17 Jahre verpasst und es gab nicht genügend Worte, um mein Bedauern darüber ausdrücken. Um 17 Jahre wiederaufzuholen. Ich wollte ihn kennenlernen, aber wo sollten wir anfangen?

Ich entschied mich dafür, dieses unangenehme Gespräch erst einmal aufzuschieben. Wir hatten hoffentlich genügend Zeit darüber zu sprechen, wenn der Krieg vorbei war. Wenn wir dann alle noch lebten.

"Du weißt, wohin wir müssen.", meinte ich ohne Umschweife. Es brachte nichts, um den heißen Brei herumzureden.
"Das Ende ist, wo der Anfang war. Weißt du, wo das ist?"

Pirate's LoveWhere stories live. Discover now