Kapitel 40

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Das weitere Treffen war nicht gerade erfolgreich verlaufen. Jeder Gesprächsansatz war im Sand verlaufen und die meiste Zeit hatten sich entweder welche gestritten oder geprügelt. Selbst Luan ist nicht verschont geblieben. Obwohl er verdammt gut gekämpft hat, hat ihn eine Faust im Gesicht erwischt.

"Du musstest ja unbedingt auf die Provokation eingehen.", tadelte ich ihn und drückte ihm nicht gerade sanft einen mit eiskalten Wasser gefüllten Stoffsack auf das rotblau geschwollene Auge.

Als Antwort ließ er Luft durch seine vor Schmerz zusammengebissenen Zähne entweichen. Augenverdrehend wuschelte ich ihm einmal durch seine Haare. "Jetzt sei kein Baby, ist doch nur ein blaues Auge."

Luan öffnete abrupt sein unversehrtes Auge und schenkte mir einen bösen Blick. "Jaja ich weiß, du gibst mir gleich ein blaues Auge." Grinsend übte ich noch ein bisschen mehr Druck aus.

Mein Blick wanderte zum Fenster an der gegenüberliegenden Wand. Die Sonne stand sehr tief inzwischen und wir hatten Kerzen im Zimmer angezündet.

Nach dem Treffen wurde uns allen ein Raum zugeordnet, den die meisten sich mit jemandem teilen mussten. Nur die Kaptains und der deren Verwandte bekamen ein eigenes Zimmer. Da ich das einzige Mädchen war, hatte ich auch ein eigenes Zimmer bekommen, worüber ich sehr froh war. So hatte ich wenigstens einen Rückzugsort, wo ich mich vor den Piraten verstecken konnte, wenn mir alles zu viel wurde.

Im Moment waren wir in Luans Zimmer, wo er mir gegenüber auf seinem dunkelgrünen Himmelbett saß, während ich mir den dunkelbraunen Plüschsessel vom Kamin geschnappt hatte. Das Feuer warf flackernde Schatten an die Wand und ließ das Zimmer noch gemütlicher und behaglicher erscheinen. In einer Zimmerecke stand ein dunkelbrauner Schreibtisch mit mehreren Ablagen und eine Tür führte zu einem Badezimmer.

Die viele Zeit auf dem Schiff hat mich ziemlich abgehärtet im Bezug auf die Wasch - und Toilettensituation, weswegen es mir inzwischen egal war, wo ich mich erleichterte und duschte. Trotzdem hatte es gut getan eine etwas modernere Weise des Duschens nutzen zu können. Mithilfe eines Wasserhahns konnte man Wasser in eine Badewanne einlaufen lassen, das sogar auf warm gestellt werden konnte. Im Grunde unterschied sie sich nur in einem Punkt von unseren Wannen: Die Rohre quietschten unerträglich laut, wenn das Wasser durch sie hindurchfloss. Aber das war es definitiv wert.

"Ich geb dir einen wohlgemeinten Rat, Ava. Werd niemals Ärztin. Du würdest grauenvoll darin sein. Glaub mir, als Ärztin braucht man wenigstens einen Funken Einfühlungsvermögen und ein Stich weniger Schadenfreude.", bemerkte Luan mit ernster Miene. In seinen Augen konnte ich jedoch den Schalk funkeln sehen, weswegen ich nur die Augen verdrehte und ihm den Beutel in die Hand drückte.

Wenn er so ein Besserwisser war, konnte er es ja selbst machen. Mal sehen, ob er das hinbekam.

Ich trat an das Fenster heran, das von dunkelgrünen Vorhängen eingerahmt war. Die letzten Sonnenstrahlen kämpften darum, nicht von den Schatten verschluckt zu werden und verliehen dem Himmel einen zartrosanen Schimmer. Von hier aus erblickte man die gesamte Stadt. Hier und da erblickte man die ersten erleuchteten Häuser und das Meer schien sich fast mit dem verdunkelten Himmel zu vereinen.

"Übrigens, du weißt schon, dass wir auch Öllampen haben und nicht die ganzen Kerzen aufbrauchen müssen."

Luans Stimme ließ mich herumfahren. Den Beutel hatte er auf das Nachtschränkchen neben dem Bettt gelegt und nun sah er mit belustigter Miene zu den Kerzen, die ich im ganzen Raum verteilt hatte.

"Und das hättest du mir nicht früher sagen können?", meinte ich vorwurfsvoll und fragte im selben Atemzug: "Wo sind sie denn?"

"Im Schrank."

Verdutzt sah ich ihn an. "Hier drin ist ein Schrank?" Ich blickte mich suchend um, da ich mir ziemlich sicher war, keinen Schrank hier gesehen zu haben. Immer noch konnte ich keinen entdecken und kurz fragte ich mich, ob ich einfach zu blind oder zu blöd dafür war, einen Schrank zu sehen.

Luan lachte leise, was mich zu ihm herumwirbeln ließ. Aus zusammengekniffenen Augen sah ich ihn an. "Was ist so lustig?"

Statt einer Antwort glitt er elegant vom Bett und lief an der Wand entlang. Immer wieder übte er vorsichtig Druck aus und wartete einige Sekunden, bevor er weiterging. War dieser Schrank etwa versteckt?

Mein Blick wanderte hinunter zu meinem Unterarm, wo noch immer dieser rätselhafte Spruch geschrieben stand. Inzwischen hatte ich mich an seine Anwesenheit gewöhnt und ignorierte ihn die meiste Zeit. Ich hatte immer noch keine Ahnung, was er bedeuten sollte oder warum er einfach nicht verschwand. Manchmal erwischte ich mich selbst dabei, wie ich minutenlang auf meinen Arm starrte, in der Hoffnung, die weiße Lilie würde wieder auftauchen. Aber das tat sie nicht. Seit dem Tag, als das Tattoo auf meiner Haut erschienen war, ist sie nicht wieder auf meiner Haut erschienen und nicht nur einmal hatte ich mich selbst dafür verflucht, mich nicht mehr für den Garten meiner Mutter interessiert zu haben. Denn dann hätte ich wenigstens gewusst, was sie bedeutete und wäre nicht komplett ahnungslos.

Ein Knarzen lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf Luan, der mit einem zufriedenen Lächeln auf die Wand starrte, seinen Zeigefinger immer noch in eine kleine Kuhle in der Wand gepresst. Staunend betrachtete ich, wie die Wand neben ihm sich löste und sich ein Stück nach hinten verschob, nur um sich dann nach rechts zu bewegen.

"Wie ...?", meinte ich immer noch total verblüfft.

"Im Falle eines Überfalls, der aber noch nie stattgefunden hat, wurde der Schrank in die Wand eingebaut, sodass man sich dort verstecken kann.", erklärte Luan und löste seinen Finger von der Wand.

"Warum sollten sich Piraten verstecken wollen?", fragte ich verwirrt. Eher kämpften die doch, als auf ewig als Feiglinge abgestempelt zu werden.

"Da hast du recht.", grinste Luan. "Aber ursprünglich wurde das Haus hier nicht für die Piraten gebaut. Und die Menschen, die hier gelebt haben, erachteten einen versteckten Schrank als ziemlich nützlich. Davon abgesehen kann man aber auch wertvolle Sachen darin verstecken wie Juwelen oder Gold. Wir Piraten teilen nicht gerne."

Ich lief an Luan vorbei in den Schrank. Er ähnelte einem Ankleidezimmer mit zahlreichen Ablagen, wo ein paar von Luans Klamotten sauber zusammengelegt lagen. Die Wände waren kahl und weiß und ich fragte mich, ob hier überhaupt mal frische Luft hineingelang, als ich den abgestandenen Geruch bemerkte. In einer der Ablagen entdeckte ich die Öllampen und schnappte mir zwei davon.

Naserümpfend  strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht und ließ meinen Blick ein letztes Mal durch den Raum schweifen. Dann drehte ich mich um und verließ den Raum wieder.

"Ihr braucht dringend ein Fenster und ein bisschen Farbe da drin.", meinte ich an Luan gewandt und gab ihm die Öllampen. Ich drückte ihm einen schnellen Kuss auf die Lippen und lief zur Tür.

"Wo gehst du hin?"

"In mein Zimmer. Ich werde die nächsten Stunden jetzt damit verbringen, meinen Schrank zu finden und dann meine wenigen Klamotten einräumen."

Mit diesen Worten öffnete ich die Tür und trat hinaus in den Gang, nicht ahnend, dass mich ein Augenpaar beobachtete.

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Hey meine kleinen Piraten,

tut mir leid, dass letzte Woche nichts kam, aber ihr kennt die Schule ja in der Vorweihnachtszeit. Wie fandet ihr das Kapitel?

Ich freue mich, über jedes Vote und jeden Kommentar :).

Eure Sophie :)


Pirate's LoveWhere stories live. Discover now