Kapitel 5

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Einen wüsten Fluch ausstoßend durchbrach Luan die Stille, die sich wie eine schwere Decke über uns alle gelegt hatte. Auch mir war nach Fluchen im Moment, aber um ehrlich zu sein, war ich viel zu geschockt, um zu reagieren. Mir war Kaptain Black schon davor sehr unsympathisch gewesen, aber mit Zachs Geständnis war er in meinen Augen gestorben. Ich konnte nur noch Abscheu für diesen grausamen Sadisten aufbringen. Er verdiente in meinen Augen weder den Titel Kaptain, noch den Titel Vater.
Alles, was er konnte, war morden und das Leben anderer zerstören. Was war nur bei seiner Erziehung falschgelaufen?
"Verdammt, Zach, das wusste ich nicht.", beteuerte Luan und sah Zach eindringlich an. "Ich wäre sofort gekommen und hätte dir geholfen!"
Ich wusste im Moment nicht, was ich machen sollte. Sollte ich bleiben oder ihnen Zeit zum Sprechen geben?
Obwohl ich gerne wissen wollte, wie das Gespräch ausging, wusste ich dennoch, dass es mich nichts anging und wenn es Luan mir erzählen wollte, er es schon tun würde.
Ich warf einen letzten Blick auf die beiden. Luan sah komplett entsetzt aus, während in Zachs Gesicht nur Unglaube und Müdigkeit zu sehen war. War er es leid eine Maske zu tragen? Oder war dieser unausstehliche Mistkerl Zach? Wer war Zach?
Ich drehte mich um und ging leise aus der Gasse, meine Schuhe machten keinerlei Geräusche auf den glatten Pflastersteinen.
Die Sonne schien mir direkt ins Gesicht, als ich auf den Marktplatz trat und ich hielt mir schützend einen Arm vor das Gesicht.
Die Aufregung auf dem Marktplatz hatte sich gelegt und jeder ging wieder seinen Aufgaben nach.
Ich wusste im Moment nicht, wo mir der Kopf stand. Jeden Tag geschah etwas, das mich aufwühlte und mich verwirrte. Alles, was ich wollte, war ein wenig Ruhe in meinem Leben, aber das schien mir nicht vergönnt. Ich musste leicht lächeln bei dem Gedanken. Dass ich mir einmal Ruhe in meinem Leben wünschen würde, hätte ich nicht gedacht.
Früher hatte ich immer etwas Aufregung gewollt in meinem ansonsten sehr langweiligen Leben. Und jetzt? Jetzt hatte mein Leben eine einhundertachtzig Gradwende gemacht und ich konnte nicht mehr mal sagen, wer ich war.
Alles hatte sich geändert und mehr denn je vermisste ich meinen Bruder. Er hätte gewusst, was zu tun wäre. Das hatte er immer getan. Seine Abwesenheit fühlte sich wie ein tiefes Loch in meinem Herz an, das durch nichts gefüllt werden konnte. Nicht mal Luan konnte mir helfen. Sie nahm mir meine Luft zum Atmen. Meine Unbeschwertheit. Sie nahm meinem Leben einen Teil seines Sinns. Früher hatte ich mir ein Leben ohne meinen Bruder nicht vorstellen können und hatte nicht gewusst, wie ich ohne ihn das Leben bewältigen sollte.
Kurz nach seinem Tod war ich mir so schrecklich einsam vorgekommen. Ich hatte meine Eltern gehabt, natürlich. Aber es gab Dinge im Leben, die konnte nur der eigene Bruder oder die eigene Schwester verstehen. Und Ivy hatte diesen Platz ein wenig gefüllt. Sie war mir so nahe wie eine Schwester, würde aber niemals an das herankommen, was Jaden und ich gehabt hatten.
Seufzend versuchte ich diese deprimierenden Gedanken wieder in meinen Hinterkopf zu drängen. Jetzt war keine Zeit, zu trauern.
Ich versuchte mich an einem Lächeln, aber war mir ziemlich sicher, dass es mehr einer Grimasse ähnelte.
Was sollte ich jetzt tun?
Mein Blick schweifte über den Platz, auf der Suche nach ... Ja, nach was denn eigentlich?
Niemand beachtete mich. Den Vorfall von vorher schienen alle vergessen zu haben. Jetzt war ich nur noch eine unter vielen. Nicht mal an mein schräges Leuchten erinnerten sie sich wohl mehr.
Oder wollten sie es nicht?
Ich setzte mich langsam in Bewegung und begann mich durch die Menschenmasse zu drängeln. Immer wieder wurde ich angerempelt und wüst beschimpft, aber ich versuchte es so gut wie möglich zu ignorieren.
Was Luan und Zach wohl gerade beredeten? Versöhnten sie sich wieder? Irgendwie konnte ich das nicht glauben. Das, was ich bis jetzt über Zach wusste, war, dass er sehr streitsüchtig und überheblich war. Beides nicht gerade gute Voraussetzungen für eine Aussöhnung. Auf der anderen Seite, was wusste ich wirklich über den wahren Zach?
Ich wurde abrupt aus meinen Gedanken gerissen, als jemand mich grob zur Seite schubste. Anstatt gegen jemand anderen zu stoßen, fiel ich aus der Menge hinaus auf den Boden. Meine Knie knallten zuerst auf und ich stieß einen kleinen Schmerzensschrei aus. Um nicht noch mehr Körperteile zu gefährden, suchte ich mit meinen Händen Halt auf dem Boden.
Einige Sekunden blieb ich so still sitzen und versuchte den brennenden Schmerz an meinen Knien und Händen zu ignorieren. Es war erstaunlich, wie nett die Menschen hier waren. Diese Umgänglichkeit und diese Hilfsbereitschaft.
Dann stand ich auf und blickte direkt in das besorgte Gesicht einer alten Frau.
Ihre schlohweißen Haare hatte sie zu einem Dutt nach oben gebundem und aus einem mit tiefen Falten übersehenen Gesicht starrten mich zwei hellgrüne Augen sorgenvoll an. Sie musste bestimmt schon über 80 sein. Umso mehr verwunderte es mich, dass sie immer noch arbeitete.
"Alles in Ordnung?"
Sie machte Anstalten hinter ihrem Obststand hervorzukommen, aber ich winkte leicht lächelnd ab. "Nein, es ist alles gut. Machen Sie sich bitte keine Umstände."
Anstatt auf mich zu hören, strich sie sich die Hände an ihrem braunen Wollkleid ab und kam zu mir. Sie lief etwas gebückt und unwillkürlich streckte ich eine Hand aus, um ihr zu helfen.
Dieses Mal war es sie, die ungeduldig abwinkte. "Mädchen, ich mag alt sein, aber was ich nie brauchen werde, ist Hilfe."
Überrascht zog ich eine Augenbraue hoch. Anscheinend hatte ich diese alte Frau unterschätzt.
Sie blieb vor mir stehen und ich war erstaunt darüber, wie klein sie war. Sie war mindestens einen Kopf kleiner als ich und ich war schon realtiv klein.
Stumm nahm sie eine meiner Hände und musterte diese konzentriert. Dann hob sie ihren Kopf und starrte mich aus diesen ungewöhnlich hellen grünen Augen an. Es lag ein leichter milchiger Schimmer in ihnen und so langsam hatte ich die Vermutung, dass sie blind war.
"Nein, ich bin nicht blind, mein Mädchen.", meinte sie und beantwortete damit meine unausgesprochene Frage.
"Ich habe leider nicht die entsprechenden Utensilien hier, um deine Hände und Knie zu versorgen. Wir müssten also kurz in meine Hütte gehen."
Unschlüssig sah ich sie an. "Ich kann nicht weg. Ich warte hier auf jemanden."
"Wenn dieser Jemand ein Junge ist und immer noch nicht aufgetaucht ist, dann hat er ein so hübsches Mädchen wie dich nicht verdient."
Sprachlos sah ich sie an. Sie kannte mich doch erst seit wenigen Minuten. Woher wusste sie ... Okay, um ehrlich zu sein, war das wohl das Nahenliegenste, was jeder vermuten würde.
"Jetzr komm schon. Er wird dir schon nicht davonlaufen.", forderte mich die alte Frau etwas harsch auf.
Seufzend gab ich jeglichen Widerstand auf. Sie hatte Recht. Bis Luan und Zach fertig waren, würde es noch etwas dauern. Da konnte es ja nicht schaden, mich etwas in Gesellschaft einer anderen Frau zu begeben.
"Wie heißen Sie eigentlich?"
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Hey meine kleinen Piraten,
Lang ist es her... Ich war zum einen in Rom (es war unglaublich schön dort), zum anderen hatte ich keine Zeit. Dumme Ausreden, ich weiß.
Naja, ich hoffe, ihr vergebt mir mit diesem zugegebenermaßen unglaublich langweiligem Kapitel. Wie fandet ihr es?
Ich freue mich über jeden Kommentar und jedes Vote.
Eure Sophie :)

Pirate's LoveWhere stories live. Discover now