Kapitel 6

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"Was in drei Teufels Namen ist hier los?",brüllte er wütend. Meine Augen wurden groß und ich versuchte mich hinter Elian zu verstecken. Der jedoch hatte genauso Angst, denn er wollte sich hinter mir verstecken. So kam es, dass ich vor dem Kapitän dieses Schiffes stand, der mich aber scheinbar noch nicht bemerkt hatte. Das gab mir kurz Zeit ihn genauer zu mustern und mir mögliche Lügen einfallen zu lassen. Seine schwarzen Haare waren ziemlich kurz und waren von grauen Strähnen durchzogen. Seine hellbrauen Augen waren leicht mandelförmig und sein gebräuntes Gesicht war nur mit wenigen Falten versehen. Das Furchteinflößendste an ihm jedoch war seine immense Größe, denn er musste bestimmt 1,90 m groß sein und er schien nur aus Muskeln zu bestehen. Seine Lippen waren vor Wut aufeinander gepresst und in Gedanken schrieb ich schon einmal mein Testament. Meine Klamotten und mein Schmuck gingen an Ivy und mehr hatte ich auch nicht zu vererben. Wow, das war echt traurig. Nun kamen mögliche Lügengeschichten. Ich habe mich aufs Schiff geschlichen, als sie geankert haben. Aber es könnte ja sein, dass sie schon seit Wochen unterwegs waren, wodurch diese Lüge ins Wasser fiel. Ich suchte fieberhaft nach weiteren möglichen Geschichten, nur blöderweise war mein Kopf, der sonst immer nur so vor Ideen schwirrte, komplett leer, was mich fast verzweifeln ließ. Natürlich könnte ich auch die Wahrheit sagen, nämlich, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich auf dieses dämliche Schiff gekommen war. Aber im besten Fall würde der Kapitän mich für verrückt erklären und im schlimmsten Fall über die Planke gehen lassen. Beides keine wirklich guten Aussichten.

Auf einmal fiel der Blick des Kapitäns auf mich und er starrte mich zuerst ungläubig an, dann verwirrt und schließlich noch wütender an als eben. Er deutete zuerst auf Elian, dann auf mich und befahl knapp: "Ihr beide, mitkommen!"

Wir widersetzten uns nicht, denn niemand ist so blöd sich mit einem sehr großen, muskulösen und sehr, wirklich sehr verärgerten Kapitän anzulegen. Also folgten wir ihm widerwillig in seine Kajüte hinein. Sobald wir drinnen waren, schlug er die Tür hinter uns zu, was mich zusammenzucken ließ. Anschließend setzte er sich auf einen Stuhl hinter einem riesigen Holztisch und schaute uns abwartend an. Da ich nicht wusste, wo ich hinblicken sollte, schaute ich mich in der Kajüte um. An der linken Wand befanden sich zwei Türen und hinter dem Tisch, auf dem jede Menge Papier herumlag, konnte man durch eine Glasfront das Meer betrachten. Ein Sofa befand sich auf der rechten Seite und ein Bücherregal säumte die rechte Wand. Ansonsten war es sehr spärlich eingerichtet.

"Ich warte.", knurrte der Kapitän.

Ich beschloss, einfach die Wahrheit zu sagen und zu hoffen, dass er mir glaubte. Naja, ich würde natürlich nicht die komplette Wahrheit erzählen, aber einen Teil. Es kostete mich unglaubliche Mühe, vorzutreten und ihm selbstbewusst in die Augen zu sehen. Elian hatte nichts damit zu tun und deshalb würde ich ihn auch daraus ziehen.

"Mein Name ist Ava Ross.", begann ich meine spontane Rede. "Elian hat wirklich nichts damit zu tun, sondern hat mich gefunden. Ehm, und ich glaube nicht, dass Sie mir glauben werden, was ich Ihnen gleich sage, aber ich habe wohl keine Wahl?" Fragend blickte ich den Kapitän an, aber er gab mir keine Antwort, weshalb ich fortfuhr. "Gestern Abend bin ich ganz normal in mein Bett gegangen und als ich aufwachte, war ich hier."

Langsam zog der Kapitän die Augenbrauen zusammen und um seinen Mund erschien ein harter Zug. Ich schluckte schwer. Das war nicht gut. Gar nicht gut.

"Wollt ihr mich zum Narren halten? Für wie blöd haltet ihr mich eigentlich?!" Bei seinen letzten Worten schrie er schon fast und ich versuchte die Stimmung mit einem Witz aufzulockern. "Also, auf einer Skala von 1 bis 10? Es ist schwer jemanden einzuschätzen, wissen Sie, wenn man diesen nicht so gut kennt, aber ich denke da an eine 6 oder 7. Oh, übrigens 10 bedeutet blöd."

Hätte ich nur meine doofe Klappe gehalten, denn der Schuss ging natürlich voll nach hinten los und der Kapitän erhob sich abrupt, sodass der Stuhl nach hinten kippte. Dann umrundete er mit zwei großen Schritten den Tisch und blieb direkt vor mir stehen. Da er so groß war, musste ich meinen Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen sehen zu können. Seine braunen Augen bohrten sich kalt in meine und ich war wie erstarrt, unfähig mich zu bewegen.

"Wer bist du wirklich?",fragte der Kapitän bedrohlich leise. Mit großen Augen starrte ich ihn an und versuchte, den Kloß, der in meinem Hals saß, hinunterzuschlucken. "Ähm, das hab ich doch gerade gesagt. Ava Ross."

"Lüg mich nicht an!",brüllte der Kapitän plötzlich und seine Hand schloss sich um meinen Hals. "Ich bin Alain Moore, der Kapt'n dieses Schiffes und entweder du sagst mir jetzt die Wahrheit oder ..." Er verstärkte den Griff um meinen Hals und alle Farbe wich aus meinem Gesicht. Tränen schossen mir in die Augen und ich beteuerte verzweifelt: "Ich schwörs, Sir, ich bin Ava Ross und ich habe keine Ahnung, wie ich hierher gekommen bin. Warum zum Teufel sollte ich lügen?!"

Nach einem weiteren prüfenden Blick ließ er mich los und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Na danke auch, Elian. So viel zum Thema, der Kapitän ist ein ganz netter. Selten so jemand sympathisches getroffen. Ehrlich. Man bemerke den Sarkasmus. Mein Herz klopfte immer noch rasend schnell und meine Hände zitterten leicht.

"Ich glaube dir.", ließ Alain plötzlich verlauten. Überrascht starrte ich ihn an. Was hatte denn der für Probleme? Nicht dass ich nicht dankbar wäre, aber seine Gedankengänge waren leicht seltsam. "Wie komme ich zu dieser Ehre?",fragte ich leicht spöttisch. Ja, ich wusste, dass es nicht klug war, den Kapitän jetzt noch zu provozieren, nachdem ich so knapp dem Tod entronnen war, aber ich konnte meine blöde Klappe eben nicht halten. Außerdem regte er mich schrecklich auf und hatte es meiner Meinung nach nicht besser verdient. Dieser Mann musste sich meinen Respekt erst noch verdienen. Und das würde definitiv nicht leicht für ihn werden, bei dem großartigen Start, den wir hatten.

Ein finsterer Blick traf mich und er antwortete kühl: "Glaub mir, hättest du gelogen, wärst du nicht mehr am Leben." Meine eine Augenbraue schoss hoch. Aha. Also ein supercooler. Auf einmal wünschte ich mir, dass das doch eine Lüge war und ich ihm später so richtig eins auswischen konnte.

"Trotzdem musst du dir dein Essen hier verdienen. Mein Sohn wird dich einführen. Ich denke, du wirst dich gut in der Küche machen.",fügte Alain noch hinzu und jetzt war es an mir, ihm einen bösen Blick zuzuwerfen. Was war denn das hier für ein Klischee. Nur weil ich dem anderen Geschlecht angehörte, bedeutete das nicht, dass ich in die Küche stehen musste. Aber ich wollte jetzt nicht vorlaut werden, weshalb ich nur verkniffen nickte.

"Luan! Kommst du bitte mal!",rief der Kapt'n, ohne mich aus den Augen zu lassen. Ohne Vorwarnung wurde eine der zwei Türen auf der linken Seite aufgestoßen und der bestaussehenste Junge, den ich ich jemals gesehen hatte, betrat die Kajüte.

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