Kapitel 35

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Luan drückte den Türknauf hinunter und ich schluckte schwer. Nur schwer konnte ich den Drang unterdrücken, nach Luans Hand zu greifen.

Mit einem leisen Quietschen schwang die Tür nach innen auf und das Erste, was ich erblickte, war die wohl größte Ansammlung von Piraten, die es gab. Sie alle saßen an einem langen Tisch, der bis ans andere Ende der Halle reichte und ich hatte das Gefühl in einer der Fluch der Karibik -Filme geschmissen worden zu sein. Jedes einzelne Klischee, das man aus den Filmen kannte, war wahr. Ich sah einen Mann mit einem Holzbein, ein Papagei flog durch den Raum und einige Piraten trugen eine schwarze Augenklappe.

Am Ende der Halle war ein großer Kamin, in dem jedoch kein Feuer brannte. Dunkelrote Samtvorhänge bedeckten die eine Wand und wahrscheinlich die dort eingelassenen Fenster.

Mein Blick schweifte weiter zu den Piraten, die sich alle angeregt unterhielten und uns noch nicht bemerkt hatten, wie ich erleichtert bemerkte. Jetzt mussten wir es nur noch unbemerkt zu den Stühlen schaffen, ohne irgendwelche Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen.

Vorsichtig machte ich ein paar Schritte in den Raum und verursachte dabei ein lautes quietschendes Geräusch auf dem glatten Marmorboden. Ich hielt erschrocken in der Bewegung inne und sämtliche Köpfe schossen zum Eingang.

Nur schwer konnte ich mir ein Augenrollen unterdrücken. So viel zum Thema unauffällig. Ohne einen gewissen Funken Zurückhaltung musterten mich die Piraten von oben bis unten und auf ein paar Gesichtern erschien ein Grinsen, das mir ganz und gar nicht gefiel.

Kurz streifte mein Blick zwei gelbgrüne Augen, in denen ich eine Härte und Gefühllosigkeit sah, die mir einen kurzen Schauer über den Rücken laufen ließ.

Verlegen räusperte ich mich. "Hi?" Ich hob meine Hand zum Gruß und strich mir mit der anderen eine Strähne aus dem Gesicht.

Spott war in den meisten Gesichtern zu sehen und ehrlichgesagt würde ich jetzt am liebsten aus dem Raum stürmen und nie wieder kommen. Aber ich musste mich jetzt mit dieser Situation arrangieren und wie ging man am besten mit Piraten um? Man zollte ihnen denselben Respekt, den sie einem zukommen ließen. Anders gesagt: Keinen.

Doch bevor ich überhaupt meinen Mund öffnen konnte, kam mir Luan zuvor.

"Was starrt ihr uns so an, ihr räudigen Straßenköter? Tut uns allen einen Gefallen und wendet eure hässlichen Visagen wieder dem Tisch zu, der wohl der einzige in diesem Raum ist, der diesen Anblick aushält!", brüllte Luan und nicht nur ich zuckte kurz zusammen.

Grummelnd wandten sich die Piraten ab und ich warf Luan über die Schulter einen Blick zu, der bedeuten sollte: Was zur Hölle war das?

Als Antwort grinste Luan nur schief. Kopfschüttelnd lief ich weiter. Noch immer spürte ich die Blicke der Piraten auf mir, die ich so gut es ging ignorierte.

Die Crew der Old Mary hatte schon Platz genommen und uns zwei Sitze freigelassen. Da Luan den Platz neben seinem Vater einnahm, blieb mir nichts anderes übrig, als mich neben Darian zu setzen, meinem Vater.

"Hi, Dad.", meinte ich und grinste leicht gequält. Es war seltsam einen fast wildfremden Mann Dad zu nennen. Darian drehte sich zu mir und lächelte mich warm an. Seine dunkelblonden Haare waren kürzer als ich sie in Erinnerung hatte. Noch immer glichen seine Sternenaugen meinen und wieder einmal fragte ich mich, wie das möglich war. Wie konnten zwei Personen, die sich noch nie in ihrem Leben gesehen hatten, exakt dieselben Augen haben? Ich dachte immer, meine Augen wären ein Unikat. Es gab Millionen Menschen mit blauen Augen, aber selbst die unterschieden sich voneinander. Was unterschied uns von anderen Menschen?

"Schön dich zu sehen, meine Tochter."

Er war also eingeweiht. Natürlich war er das. Darian war schließlich der erste Offizier und damit die drittwichtigste Person auf dem Schiff.

Ich wandte mich meinem Gegenüber zu und sogleich erschien ein breites Grinsen auf meinem Gesicht.

"Cole", begrüßte ich einer meiner engsten Freunde auf diesem Schiff. Erleichterung durchflutete mich, da ich mich anscheinend nicht mit einem fremden Piraten unterhalten musste.

Als Antwort lächelte er mich sanft an und fuhr mit seinen Augen über mein Gesicht. Ein Stirnrunzeln machte dem Lächeln Platz und Cole sah mich besorgt an. Obwohl wir uns erst so kurz kannten, wusste er schon mehr über mich, als ich wahrscheinlich über mich selbst. Und wieder einmal verfluchte ich seine Fähigkeit, in mir wie in einem Buch lesen zu können.

"Alles in Ordnung.", versicherte ich ihm. "Wirklich."

Nicht wirklich überzeugt hob er eine Augenbraue. Ich schenkte ihm mein schönstes Lächeln, wobei es wohl eher einer Grimasse ähnelte. Mir war klar, dass ich Cole damit nicht überzeugt hatte, aber wenigstens beließ er es dabei. In seinen Augen stand die unausgesprochene Frage, wo wir geblieben sind.

"Hast du das Gemälde in der Eingangshalle gesehen?" Als er nickte, fuhr ich fort: "Es ist schwer zu erklären, aber ich war irgendwie ... eingenommen davon. Es hat mich in seinen Bann gezogen ..." Als die Worte meinen Mund verließen, wurde mir klar, wie dämlich ich mich anhören musste. "Ach, keine Ahnung.", seufzte ich. "Weißt du von wem das Gemälde stammt?"

Anstatt ihm antwortete mir eine bekannte Stimme.

"Es ist das einzige bekannte Werk von Elijah Darrow."

Überrascht drehte ich mich zur Seite und erblickte den Butler. Er stand leicht nach vorne gebeugt und noch immer konnte ich in seinen Augen eine Freundlichkeit und Wärme erkennen, die nicht so recht zu seiner kühlen Stimme passen wollte.

"Er war ein rätselhafter Mann, von dem gemunkelt wurde, dass er ein Seher sei. Dass er in der Lage wäre, die Zukunft zu sehen.", erzählte er und sah mir fest in die Augen.

"Was ist mit ihm passiert?", hauchte ich abgelenkt. Seine hellblauen Augen wirkten so viel älter, als er war und nahmen mich komplett ein. Ich hatte das Gefühl, in ihnen zu ertrinken, mich darin komplett zu verlieren. Einen Augenblick lang sah ich mich selbst darin, aber es war nicht ich, sondern eine ältere  Version von mir. Ich lächelte und blickte nach unten. Leider konnte ich nicht sehen, auf was ich schaute, denn so schnell, wie diese Vision gekommen war, verschwand sie auch wieder und zurück blieben nur die hellen Augen, die so viel mehr zu wissen schienen, als es den Anschein hatte.

"Er verschwand eines Tages spurlos."

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Hey meine kleinen Piraten,

tut mir soo leid, dass ich nicht geupdated hab, aber mir hat die Motivation gefehlt. Wie fandet ihr das Kapitel? Welchen Eindruck habt ihr bis jetzt von der Versammlung?

Ich freue mich über jeden Kommentar und jedes Vote :)

Eure Sophie :)


Pirate's LoveWhere stories live. Discover now