Kapitel 35

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Die Wellen brachten das kleine Boot bedrohlich zum Schwanken und nervös hielt ich mich an der Seite fest. So viel Zeit auf dem Meer verbracht, aber ein schwankendes Boot brachte mich noch immer aus der Fassung. Ich lächelte angesichts der Ironie und versuchte mich selbst etwas abzulenken. Ich saß mit einigen weiteren Crew-Mitglieder der Old Mary in einem der kleinen Holzboote, die uns alle an Land bringen sollten. Da das Schiff nicht unbemannt zurückgelassen werden durfte, würden einige, darunter Elian und Ray, zurückbleiben. Auch wenn Elian und ich uns nur kurz sehen konnten, war ich doch froh, dass er nicht mitkam. So war er wenigestens aus der Gefahrenzone und hoffentlich in Sicherheit.

Zwei Piraten ruderten das Boot, dessen Holz morsch und spröde wirkte, als würde es jeden Moment brechen, um uns an Land zu bringen. Luan befand sich mit seinem Vater auf dem letzten Boot, das erst vor wenigen Minuten das Schiff verlassen hatte. Einige Wolken hatten sich inzwischen vor die Sonne geschoben und ein kühler Wind machte die brütende Hitze etwas erträglicher. Ein Unwetter braute sich zusammen. Davon zeugten sowohl das aufgeschäumte Meer, dessen dunkelblaue und gischtüberzogene Oberfläche mich an Luans Augen im Zorn erinnerten als auch die dunkle Wolkenfront, die sich am Horizont abzeichnete. Unser erster Tag an Land und wir würden vermutlich alle vollkommen durchnässt werden. Ob mir die Hitze da lieber war, konnte ich nicht beurteilen.

Wir waren nun nur noch zehn Meter vom Strand entfernt und in einem anderen Leben hätte ich mich mit einem Handtuch, einer Sonnenbrille und einer dicken Schicht Sonnencreme auf den schneeweißen Sand gelegt. Ich vermisste diese unbeschwerten Tage, als alles noch so einfach war. Aber was waren ein paar unbeschwerte Wochen gegen ein ganzes Leben? Weil das strebte ich an. Ich würde Aziz besiegen und dann hatten Luan und ich ein ganzes Leben vor uns. Dieser Ausblick motivierte mich und gab mir die nötige Kraft, das Kommende zu bewältigen, nicht nur physisch, sondern auch mental.

Die Gräser hinter dem Strand bewegten sich bereits wild im Wind und wirbelten den Sand auf, sodass ein heller Sandnebel die Sicht etwas behinderte.

Die Ruderer sprangen nun aus dem Boot in das nur noch knietiefe Wasser und zogen das Boot mit vereinter Kraft an den Strand. Erst dort verließen auch die anderen das Boot.

Mein erster Schritt im Sand tat ich gemischter Gefühle. Einerseits liebte ich das Gefühl des weichen Bodens unter mir, auch wenn ich dank meiner neuen Schnürstiefel aus einfachem Leder die darin gespeicherte Wärme nicht spüren konnte. Andererseits war dieser Ort für mich mit Ungewissheit und Gefahr verbunden. Wie viele Freunde würden wir verlieren? Wie viele Gefährten würden im Kampf alles opfern, darunter ihr Leben?

Ich wünschte mir so sehr, dass mein Kampf mit Aziz das einzige Gefecht sein würde, das wir auszutragen hatten. Aber ich wusste, dass das eine sinnlose Hoffnung war. Er würde ebenso wenig wie ich alleine kommen. Konnte man ihm einen Vorwurf machen? Eine Selbstmordabsicht würde ich ihm nämlich nicht zuschreiben.

Es dauerte nicht lange und die Crew-Mitglieder sämtlicher der uns begleitenden Schiffe waren am Strand versammelt. Ich entdeckte Luan, der an der Seite seines Vaters eines der letzten Boore verließ. Sein suchender Blick traf auf mich und ich lächelte ihm etwas gequält zu. Niemand von uns war glücklich, hier zu sein, warum also so tun als ob.

Eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich drehte mich überrascht zu dessen Besitzer. Es war Zach, in dessen Augen ich doch tatsächlich Sorge entdecken konnte. "Alles in ... Wie geht es dir?" Er stoppte sich selbst, als er die Sinnlosigkeit seiner ersten Frage realisierte.

Alles in Ordnung? Nein, nichts war in Ordnung und das wusste er auch.

"Nicht so gut. Am liebsten würde ich gerne in die Zukunft springen und das alles natürlich siegreich schon hinter mir haben. Warum hat noch niemand eine Zeitmaschine erfunden?" Ich seufzte dramatisch und warf die Hände in die Luft.

Pirate's LoveWhere stories live. Discover now