Kapitel 4

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Nachdem ich meinen Schock verdaut hatte, begann ich wie wild zu fluchen und ich hatte eine Menge Wörter im Repertoire. Denn das, was ich hier erblickte, konnte nur ein ganz schlechter, wirklich grottenschlechter Traum sein. Ich begann meinen Arm auf und ab zu zwicken und hoffte, gleich aufzuwachen, doch das schien mir nicht vergönnt zu sein. Panik schnürte mir die Luft ab und schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen einen Tanz, dessen Bedeutung ich noch nicht ganz entschlüsselt hatte.

Um mich zu beruhigen, setzte ich mich erst einmal auf den Boden, der leicht schwankte, denn ich befand mich auf einem gottverdammten Piratenschiff ! Anscheinend stand ich auf dem Heck, das mit allerlei Sachen zugemüllt war. Weiter hinten, auf der anderen Seite des Schiffes, gingen rechts und links zwei kleine Treppen nach oben, die zum Steuerrad führte. Zwischen diesen Treppen befand sich eine Tür, die zur Schiffskajüte führen musste. Ein klein wenig Stolz erfüllt mich über mein Wissen, das ich von Pirates of the Caribean hatte. Und da sagt einer, Fernsehen bildet nicht! Komischerweise entdeckte ich niemanden auf dem Deck und so langsam begann ich zu begreifen, dass das die Wirklichkeit sein musste. Denn kein Traum der Welt war so realistisch und da war noch die unumstößliche Tatsache, dass ich nicht träumte. Mir fiel auch kein Grund ein, weswegen ich tot hätte sein sollen. Wobei die Vorstellung tot zu sein deutlich angenehmer war, als die, auf einem Piratenschiff zu sein und keine Ahnung zu haben, wie man hier her gekommen ist. Natürlich könnte ich auch den Verstand verloren haben, aber über diese Möglichkeit wollte ich ehrlich gesagt gar nicht nachdenken. Rationalität brachte mich hier nicht weiter. Also ging ich ein paar Optionen durch, die vielleicht das hier erklärten. Piraten lebten doch irgendwann vor ein paar hundert Jahren auf diese Weise. Zwar gab es heutzutage auch Piraten, aber die hatten kein morsches und altes Holzschiff. War ich demnach in die Vergangenheit gereist? Und wenn ja, wie? Hatte ich im Schlaf irgendeinen Spruch gemurmelt, dem ich das hier zu verdanken hatte? Oder war ich einer bösen Hexe zum Opfer gefallen, die junge, unschuldige Mädchen auf ein Piratenschiff in die Vergangenheit schickten? Inzwischen war ich fest davon überzeugt, dass dies die Vergangenheit war. Müsste Magie dann nicht eine entscheidende Rolle spielen? Gab es Magie überhaupt? Und wie kam ich wieder zurück?

Mir schwirrte der Kopf von den vielen Fragen und ich begann auf meiner Unterlippe zu kauen. Das war eine blöde Angewohnheit von mir, wenn ich nervös war. Auf einmal konnte ich Stimmen hören und ich lief an die Reling, nur um zu sehen, dass eine ganze Meute Piraten in kleinen Booten auf dem Weg hierher waren. Hinter ihnen konnte ich eine kleine Insel entdecken, die sie wahrscheinlich geplündert hatten. Als sie immer näher kamen, setzte Panik bei mir ein und ich suchte verzweifelt ein Versteck. Unter das Deck würde ich nicht noch einmal gehen, aber wenn ich nicht schnell etwas fand, das mich vor den anderen verbarg, würde ich im schlimmsten Falle über die Planke gehen. Mein Kopf schoss wild herum, aber außer paar Kisten kam nichts in Frage. Also lief ich schnell dorthin und setzte mich dahinter. Nun musste ich nur noch hoffen, dass ich nicht entdeckt wurde.

Ich wusste nicht, wie lange ich hier saß, als lautes Männerlachen zu hören war und schwere Schritte den Boden leicht zum Beben brachten. Mein Herz klopfte so laut, dass ich befürchtete, die Piraten könnten es hören. So nah wie möglich presste ich mich an die Holzkisten und versuchte, mich zu beruhigen. Vergeblich. Eher wurde ich noch hibbeliger und aufgeregter und das war keine positive Aufregung, wenn man zu Beispiel ein Referat vor der gesamten Klasse halten musste. Nein, es war die negative Version davon, wenn man zum Beispiel Angst hatte, von einer Meute barbarischer Piraten entdeckt zu werden. Und bei meinem Glück würde ich das. Während ich bei den Kisten kauerte, konnte ich eine sehr tiefe Stimmer rufen hören: "Alle Mann an die Posten, ihr räudigen Seemänner!"

Darauf folgte Gelächter und ein einstimmiges "Ay, Ay Käpt'n!"

Ich schluckte schwer, da meine Kehle plötzlich zugeschnürt war. Hatten Piraten früher nicht immer gedacht, dass weibliche Passagiere Unglück brachten? Hoffentlich nicht. Dann saß ich nur in der Klemme, sondern so richtig in der Scheiße. Plötzlich hörte ich Schritte, die schnell näherkamen und Angst machte sich in mir breit und ließen keinen Platz für andere Gefühle. Hektisch suchte ich nach einer Waffe, nach irgendetwas, mit dem ich mich verteidigen konnte. Aber ich konnte einfach nichts finden. Na gut, dann mussten eben meine Fäuste herhalten. Die konnten zwar keinen waschechten Piraten umhauen, aber ihn immerhin so lange verwirren, dass ich weglaufen konnte.

Also ballte ich meine Hände zu Fäusten und stellte mich an den Rand der Kisten. Die Schritte kamen näher. Ich biss krampfhaft meine Zähne zusammen. Sie waren fast da. Mein Herz galoppierte wie ein Pferd bei einem Wettrennen. Erwartungsvoll hob ich die Fäuste und machte dann Bekanntschaft mit meinem ersten Piraten.



Pirate's LoveDonde viven las historias. Descúbrelo ahora