Kapitel 23

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"Warum genau sind wir hier?" Kaptain Moore sah mich prüfend an und Verwirrung zeichnete sich in seinen Gesichtszügen ab. Der Rest der Crew sah mich mindestens genauso erwartungsvoll an. Nervös leckte ich mir über die Lippen.

Zwei Stunden war es her, dass mich der Butler über meine Aufgabe aufgeklärt hatte und genauso lange hatte es gedauert, alle Crew-Mitglieder zusammenzusuchen. Ich würde ihre Hilfe brauchen, wenn sie mir denn überhaupt glaubten. Wir waren in einer Art Konferenzsaal mit einem langen, dunklen Holztisch in der Mitte, um den wir herumstanden. Zwei hohe Fenster säumten die eine Wand, durch die das Licht der aufgehenden Sonne fiel und den Raum in einen hellen Schimmer tauchte. Wie überall in dem Gebäude hingen auch hier zahlreiche Gemälde an der Wand, die teils Personen und teils Landschaften darstellten.

Ich ergriff Luans schwielige Hand neben mir und er drückte meine aufmunternd. Ihm hatte ich schon von meinen Begegnungen mit meiner Mutter und Fergus erzählt und er hatte mir ohne irgendeinen Zweifel geglaubt. Ich war so unendlich dankbar, ihn an meiner Seite zu haben. Ohne ihn wäre das hier so viel schwerer.

"Es ist wichtig. Sonst wärt ihr nicht hier.", erwiderte Luan eisig auf die Frage seines Vaters. Das Verhältnis zwischen den beiden war noch immer angespannt. Aber wer konnte es ihm verübeln? Es war eine harte Nuss, zu erfahren, dass der eigene Vater einen angelogen hatte. Dass man jahrelange für nichts Schuldgefühle empfunden hat.

Ich atmete tief ein, in der Hoffnung auf diese Weise genügend Mut aufzubauen, das Folgende mit ihnen zu teilen. Im besten Fall warfen sie mich hochkannt heraus. Im schlechtesten Falle ... Darüber konnte und wollte ich gar nicht nachdenken.

"Es hat alles damit angefangen, dass ich in einer Welt aufgewacht bin, die nicht die meine ist ...", begann ich und berichtete dann von allem, dass ich so lang zurückgehalten hatte. Und das war eine Menge. Angefangen von meinem Aufwachen auf dem Schiff, über meine Träume, bis hin zu den Gespräch mit Acacia und Fergus.

Nur eine einzige Sache hielt ich noch zurück. Darians und mein Verwandtschaftsverhältnis war etwas, das ich in einem weiteren Zusammenhang erläutern musste.

Während meiner Ausführungen zitterte meine Stimme nicht ein einziges Mal, was mich selbst erstaunte. Ich war es eigentlich nicht gewöhnt vor einer größeren Menge zu sprechen. Aber ich beklagte mich nicht darüber. Die Angelegenheit war dringlich. Jede Sekunde, die wir weiter vergeudeten, gewann Aziz an Macht und schränkte gleichzeitig unsere Chancen, diesen Krieg zu verhindern, weiter ein.

Als ich endete, herrschte absolute Stille im Raum. Von irgendwo draußen war der wütende Aufschrei eines Mannes gedämpft durch die Scheiben zu hören und ich könnte schwören, ich hörte das Brechen der Wellen.

Luans Daumen strich in kreisenden Bewegungen beruhigend über meine Handfläche. Er wusste, dass vieles von der Unterstützung der Crew abhing. Es war eine Sache, sich Aziz allein stellen zu müssen und eine andere, Allierte in diesem Kampf an seiner Seite zu wissen, denen man  bedingungslos vertraute. Und das tat ich. Allen Widerständen zum Trotz würde ich mein Leben dieser unglaublichen und mutigen Truppen anvertrauen. Nach unseren anfänglichen Schwierigkeiten waren sie zu einer zweiten Familie für mich geworden.

Ray mit seiner lustigen und liebevollen Art. Cole mit seinem mitfühlenden Charakter und seiner scharfen Beobachtungsgabe. Elian mit seiner anbetungswürdigen Unsicherheit und seinem unglaublichen Lebenswillen. Darian, der mich mit einem offenen Herz und einem warmen Lächeln willkommengeheißen hat und allem Anschein nach mein leiblicher Vater war. Luan, der mein Herz in seinen Händen hielt. Selbst Kaptain Moore war mir über die Monate sympathischer geworden.

Und dann war da noch Zach. Schwer einzuschätzen und mit einem so dicken Panzer versehen, dass ich mich fragte, ob er den Jungen, den er darunter versteckte, überhaupt selbst noch kannte. Ich hatte aber Bruchstücke von diesem gesehen. Bruchstücke des wahren Zachs. Und daran hielt ich mich fest. Es gab noch Hoffnung für ihn und solange würde ich ihn nicht aufgeben.

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