Kapitel 34

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Ich gesellte mich zu Cole in seine Küche, um ihm bei der Lagerung der Lebensmittel zu helfen, die in Kisten an Land gebracht werden würden. Aufgrund der sehr begrenzten Aufbewahrungsmöglichkeiten waren es hauptsächlich Brot, Wein, Trockenfleisch, etwas Gemüse und Kartoffeln, die an Land gebracht werden würden, wo wir ein Lager aufschlagen würden. Wasser konnten wir hoffentlich aus einem Fluss schöpfen und frisches Fleisch konnten wir erjagen. Das Trockenfleisch sollte leidiglich als Proviant dienen, wenn wir weiter als geplant ins Landesinnere vordringen mussten. Laut Kaptain Moore befand sich etwa zwei Tage von hier eine kleine Stadt, wo sie nach dem Kapmf die Vorräte aufstocken wollten. Wenn es dazu überhaupt kommen würde.

In der Küche herrschte so wie auf dem übrigen Deck ein einziges Chaos. Dass außer mir niemand Cole helfen durfte, trug ebenfalls nicht gerade zu einem reibungslosen Ablauf bei. Mit seinen Lippen formte Cole in einem Lauf wortlose Flüche und verpackte das Fleisch und das Gemüse in einer Art Papierfolie, bevor er sie in die bereitstehenden Kisten und Fässer legte. Meine Aufgabe bestand darin, etwa die Hälfte der gelagerten Kartoffeln in ein Fass zu füllen,was eine sehr einfache Tätigkeit war. Ich traute mich allerdings nicht, mit Cole ein Gespräch anzufangen - also ich redete und er nickte hin und wieder -, da er ziemlich gehetzt und mies gelaunt aussah. Aber was seine Küche anbelangte, vertraute er absolut niemandem außer mir vielleicht noch bedingt. Die anderen respektierten das und machten vorsorglich einen großen Bogen um die Küche. Nur vereinzelt huschten Crew-Mitglieder hinein und trugen eine gefüllte Kiste heraus, um sie auf die Boote zu verlagern.

Ich legte den Deckel auf das bis zum Rand gefüllte Fass und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Es war ein unglaublicher heißer Tag und keine einzige Wolke war am Himmel zu sehen. Ich freute mich darauf, einen Fluss zu finden, wo ich mich erst einmal gründlich waschen konnte. Und das ohne Salzwasser, das meinen Haaren nicht gerade gut getan hatte. Ich spielte sogar mit dem Gedanken, sie bis zu den Schulterblättern abzuschneiden, da die langen Locken auf Dauer schwer zu pflegen waren auf einem Schiff.

Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie sich Cole verzweifelt die Haare raufte. Jetzt war es aber genug. Cole brauchte offensichtlich Hilfe und mir war sein Stolz wirklich egal im Moment. Mit zwei Schritten hatte ich die Distanz zwischen uns überbrückt, da die Küche recht klein war. Ein Tresen, an dem Cole im Moment stand, befand sich an der langen Seite des Raums, an deren Wand sich auch ein kleines Fenster befand. Eine Tür auf der gegenüberliegenden Seite führte zum Vorratsschrank und daneben waren ein paar Kisten und Fässer gelagert. Mehr passte auch nicht in den kleinen Raum. Ich stellte mich zu Cole an den Holztresen, dem man die Behandlung durch ein Messer nur zu deutlich ansah. Er warf mir nur einen kurzen Blick zu und versuchte dann, mich mit einer Handbewegung fortzuscheuchen.

Ich ignorierte seine eindeutige Geste und fragte: "Was muss wo rein?"

Cole starrte mich einen Augenblick lang an und begann dann durch die auf dem Tisch ausgebreiteten Lebensmittel zu wühlen, vermutlich auf der Suche nach einem Blatt und einem Stift. Da seine Suche ergebnislos verlief, schüttelte er nur entschieden den Kopf und ein trotziges Funkeln lag in seinen braunen Augen.

"Ich helfe dir, ob du willst oder nicht. Ich kenn die Küche, ich werde nichts durcheinanderbringen.", erklärte ich bestimmt und ergänzte nach einem kurzen Blick auf das Durcheinander: "Zumindest nicht mehr, als es sowieso schon ist."

Cole musterte mich, als ob er plante, wie er mich am besten umbringen konnte und hatte seine Augenbrauen finster zusammengezogen. Ein verkniffener Zug lag um seinen Mund und ich befürchtete schon, dass er stur bleiben würde. Dann aber entspannte sich sein Gesicht ein wenig und er nickte resigniert. Mittels Handbewegungen verdeutlichte er mir, dass das Fleisch und Gemüse eingepackt werden mussten und in welche Kiste sie geräumt wurden. Dann drehte er sich mit leichter Verärgerung in den Augen wieder seiner Arbeit zu. Das kurze Aufblitzen von Erleichterung in seinen Augen hatte er aber nicht verbergen können.

Die nächste Stunde arbeiteten wir schweigend nebeneinander her und ich war dankbar für die Arbeit, denn dadurch konnte ich mich auf etwas konzentrieren und musste nicht an das denken, was mich an Land erwartete.

Ganz versunken in das Verpacken und Einlagern der Lebensmittel bemerkte ich nicht, dass jemand den Raum betreten hatte. Als sich zwei muskulöse Arme um meinen Bauch schlangen, zuckte ich überrascht zusammen. Erst als ich den vertrauten Duft nach Zimt und Weihnachtsgewürzen einatmete, entspannte ich mich und lehnte mich in die Umarmung von Luan hinein. Er platzierte einen leichten Kuss auf der empfindlichen Haut an meinem Hals und ich schloss genussvoll die Augen. Ich konnte nicht verhindern, dass mir ein kleiner Seufzer entwich und schmiegte mich noch enger an ihn.

"Du hast es also geschafft, gegen Coles Kontrollwahn, was seine Küche anbelangt, anzukommen.", bemerkte er amüsiert und sein Atem kitzelte leicht an meiner Haut.
Ich grinste. "Hat etwas gedauert und er hat geschmollt, aber ich glaub, ganz tief in ihm ist er dankbar dafür."

Ein leichter Stoß erwischte mich am Oberarm und überrascht schaute ich zur Seite, wo Cole mit Empörung im Gesicht das Messer schwang, mit dessen Knauf er mich wohl geschlagen hatte. Ich konnte nicht anders und lachte laut, was Coles Gesichtsausdruck weiter verfinstern ließ. Auch Luan lachte leise hinter mir und fing sich dafür eine geworfene Kartoffel, die beinahe mich im Gesicht erwischt hätte.

"Ich glaube, wir sind hier nicht mehr erwünscht", stellte ich grinsend fest und wand mich aus Luans Umarmung. "Komm!" Dann zog ich Luan hinter mir aus dem Raum und wir traten hinaus auf das Deck, wo die Piraten noch immer geschäftig herumwuselten. Das Treiben hatte aber merklich abgenommen, was eine baldige Abfahrt bedeutete.

Luan trat neben mich, ohne seine Hand aus meiner zu lösen und drückte sie leicht. "Du bist nicht allein, Ava. Du hast mich und die ganze Crew hinter dir und wir werden dich nicht in deinen Tod rennen lassen. Da werfe ich mich eher vor dich.", erklärte er bestimmt und trat so vor mich, dass ich ihm in sein Gesicht sehen konnte. Die Sorge in seinen Augen war unübersehbar und seine Lippen hatte er entschlossen zusammengepresst. Seine bedingungslose Unterstüztung und Hingabe überwältigte mich einmal mehr und ich legte eine Hand an seine raue Wange.

"Danke! Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde.", sagte ich und legte all die Liebe und Dankbarkeit, die ich im Augenblick empfand, in meine Stimme. Zu wissen, dass jemand immer hinter einem stand, dass sogar mehr als eine Person einem ihre absolute Unterstützung zusagte und das ohne Zwang und Überredung - es gab keine Worte für die Gefühle, die die Dunkelheit und Angst in meinem Inneren vertrieben und Rückhalt und Schutz boten vor der grausamen Realität.

Luan fing mit seinem Finger die Träne auf, die still meine Wange herunterkullerte und beugte sich dann herab, um mich zu küssen. Als seine warmen Lippen auf meine trafen, entwich mir ein leichter Seufzer und als wären wir zwei aufeinander abgestimmte Saiten einer Geige bewegten sich unsere Münder im Einklang miteinander. In meinem Kopf herrschte eine dankbare Leere, während mein Körper sich mit jeder weiteren Sekunde merklich erhitzte. Als er mit seiner Zunge Einlass forderte, gewährte ich ihm diesen nur zu gern und wir eroberten unsere Münder gegenseitig im Sturm. Ihm auf diese Weise nahe zu sein, linderte die Angst und nahm mir einen Teil des Gewichts, der seit dem Gespräch mit Acacia auf meinen Schultern lastete. Meine Hände fuhren unter sein Hemd und erforschten seinen muskulösen Bauch, der sich unter meiner Berührung merklich anspannte. Luan brummte genussvoll und vergrub seine Hände in meinen Haaren.

Ich unterbrach schließlich den Kuss, obwohl alles in mir sich dagegen sträubte. Letztlich aber befanden wir uns noch immer auf Deck und ich wollte ungern in der Öffentlichkeit über Luan herfallen.

Er hatte noch immer seine Augen geschlossen und verzog widerwillig sein Gesicht. "Warum?", murrte er missmutig und ich konnte nicht anders, als zu lächeln.

"Weil wir zwei zivilsierte Menschen sind und uns mitten auf Deck befinden.", erklärte ich amüsiert und strich ihm sanft über seine geschwollenen Lippen. Erst jetzt öffnete er seine Augen, deren Farbe an im Sturm aufgewirbeltes Wasser erinnerte - dunkelblau und stürmisch. Bevor er aber etwas sagen konnte, erscholl eine Stimme über Deck, die die gefürchteten Worte aussprach: "Alle Mann in die Boote!"

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Hey meine kleinen Piraten,

wie gehts euch? Ich habe ein paar unglaublich tolle Tage in Wien verbracht und natürlich ein Stück Sachertorte im berühmten Cafè Central verdrückt.

Wie fandet ihr das Kapitel?

Ich freue mich über jeden Kommentar und jedes Vote :).

Eure Sophie

Pirate's LoveWhere stories live. Discover now