Seelen

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*Sicht Manuel*

Mein Haar fiel mir nervig ins Gesicht. Gereizt über den heutigen Tag, band ich es zusammen und wischte mir mit dem Handrücken über die Stirn. Wie ich Putztage hasste. Und Patrick kommt morgen wieder, übermorgen nochmal Einkaufen fahren für den Kleinen und dann kommt in drei Tagen auch schon die Dame vom Amt. Ich wollte einen guten Eindruck bei ihr hinterlassen.

Ich tunkte den Lappen in die Schüssel voll Wasser. War das ätzend. Und einen Namen hatten wir immer noch nicht. Ich wischte den Staub von der Anrichte ab. Und dann klingelte mein Handy in meiner Hosentasche. Schnell trocknete ich meine Hände an meinem, eh schon schmutzigen, Shirt ab und ging ans Handy. „Ja?", meldete ich mich. „Manuel, kannst du reden?", fragte mich ein völlig aufgelöster Michael. „Ja klar. Was ist passiert?", fragte ich und setzte mich auf den Stuhl in dem Zimmer meines Sohnes. Micha schniefte ins Telefon, weswegen ich es ein Stück weghielt. „Ich bin gerade im Krankenhaus. Chess." Seine Stimme brach ab. Nur sein geweine war zu hören. „Beruhig dich, Micha. Ich verstehe dich nicht", sagte ich vorsichtig. Ich hörte wie er Luft holte. „Wir hatten einen Autounfall. Und Chessie schwebt in Lebensgefahr", wimmerte er. Mir fiel die Kinnlade runter. „Wie? Micha. Wie geht's dir? Und was sagen denn die Ärzte? Soll ich vorbei kommen?", fragte ich ihn aus. Wieder keine Antwort, sondern nur ein klägliches weinen war zu hören. „Ich habe nur ein gebrochenes Bein und eine Platzwunde am Kopf. Sonst geht es mir soweit gut. Aber Chessie. Die Ärzte haben sie gerade in einer Notoperation. Ich habe so Angst um sie, Manu." In mir stieg Überforderung auf. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. „Micha. Halt daran fest das sie es schafft", antwortete ich also schließlich. Nicht sehr hilfreich. „Ich weiß nicht was ich machen soll", wimmerte er. Und ich wusste es auch nicht. „Hoffnung tragen", sagte ich. Dann trat stille ein. „Micha?", fragte ich nach. „Ich rufe dich später wieder an", beendete er einfach das Gespräch und legte auf. Vollkommen erschüttert saß ich jetzt hier und starrte auf den schwarzen Bildschirm meines Handys. Bitte lass Chessie überleben. Der arme Micha. Und jetzt hatte ich auch keine Lust mehr weiter zu Putzen. Nur noch den Kleinkram, der offensichtlich war.

Mit den Gedanken an Micha und seiner Frau, machte ich mich also weiter daran.

*Sicht Patrick*

Ich saß auf dem Beifahrersitz und schaute aus dem Fenster. Wir fuhren zum Friedhof. Nervös spielte ich mit meinen Fingern, als wir auf den Schotter Parkplatz fuhren und anhielten. „Soll ich mitgehen?", fragte Mama mich. „Ich will allein", antwortete ich und schnallte mich ab. Doch ich war wie festgewachsen. Ich konnte nicht aufstehen. „Nimm die Blumen mit", sagte Mama noch und beugte sich zur Rückbank und drückte mir den Strauß in die Hände. „Ich habe Angst", gestand ich und sah ihr in ihre braunen Augen. „Du schaffst das, Paddy", lächelte sie und rieb mir dabei meine Schulter. Ich nickte und holte Luft, bevor ich die Tür öffnete und aus dem Auto stieg.

Langsam ging ich zum Grab meines Vaters. Als ich davor stand, auf das schön gepflegte Grab sah und auf den wunderschönen Stein, stiegen mir tränen in die Augen. „Ich vermisse dich", hauchte ich zitternd und legte den Strauß vor den Stein, ehe ich mich vors Grab kniete und einfach nur raufstarrte. In meinem Kopf spielten sich Erinnerungen mit ihm ab. Als Kind, wie er mir Fahrradfahren beigebracht hatte. Wie wir an der Nordsee waren und wir zusammen in einem Eimer kleine Krebse gesammelt hatten. Mir liefen die Tränen nun in Strömen die Wangen runter. „Danke Papa. Für alles was du je für mich getan hast. Du fehlst hier unten so", flüsterte ich und schaute hinauf zum Himmel, der eine Wolkendecke trug. Der Wind wehte mir gegen den Körper und ich musste kurz schaudern. „Ich liebe dich", sagte ich noch leise, ehe ich kurz meine Augen schloss, aufstand und diesen Ort verließ. Es war zu viel für mich.

Der Vater hinter der MaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt