Nervös

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*Sicht Patrick*

Meine Hand brannte wie Feuer. Ich war wirklich dumm gewesen. „Was wollte er mit dir besprechen?", fragte Manu und schaute mich neugierig an. „Er hat mich angeschnauzt. Von wegen, wenn wir doch eh keine Kinder bekommen können, müssen wir auch nicht heiraten. Es sei nur Geld Verschwendung. Und dann haut er wieder sowas raus wie "mit einem Mann kann man nicht glücklich sein" oder "es ist ekelhaft"." Ich musste schniefen. „Oder das ich Krank sei." Mein Blick senkte sich auf die Straße. Der Wind pfiff mir um die Ohren und ich bibberte. Behutsam legte Manu seine Arme um mich. „Hör da nicht drauf, Schatz. Du weißt ganz genau, dass er nur rum spinnt." Ich kuschelte mich an seine Brust ran. „Tut trotzdem weh so abgestoßen zu werden. Immer wieder aufs Neue", seufzte ich. In dem Moment fuhr das Taxi vor. Wir stiegen ein und fuhren los, richtung Krankenhaus. Im Taxi darüber zu reden war dumm. Ich schaute aus dem Fenster und ließ die dunklen Straßen mit den Lichtern der Geschäfte, der Autos und der Straßenlaternen an mir vorbei ziehen. Ich hatte etwas Angst davor, genäht zu werden. Ich fühlte mich elendig. Im Spiegelbild des Fensters konnte ich mir in die Augen schauen. Ich sah aus, wie ein alter Mann. Ein alter Mann der nicht mehr konnte. Ich wendete meinen Blick nach vorne gegen den Sitz.

Manu bezahlte das Taxi, stieg aus und öffnete mir die Tür. Ich hielt immer noch meine pochende Hand. „Ich bin bei dir", sagte Manu und wir gingen in das Gebäude, wo es nur so nach Desinfektionsmittel roch. Wir meldeten uns in der Notaufnahme an und sollten uns setzen. „Wehe, wir müssen jetzt hier Stunden warten", seufzte ich und setzte mich auf einen unbequemen Stuhl. Manu direkt neben mir. „Ist doch immer so. Weißt du doch. Erinnerst du dich daran, als mir die Waschmaschine auf den Fuß gefallen ist? Wie lange saßen wir hier?" lachte Manu. Ich musste schmunzeln. „Ganze fünf Stunden." Er nickte grinsend. „Aber mit einer blutenden Wunde kommst du bestimmt früher dran", sagte er noch und griff nach seinem Handy. Ich schaute mit drauf. „Das du immer so einen kühlen Kopf bewahrst ist unglaublich", sagte ich und lehnte meinen Kopf auf seine Schulter. Er lachte kurz auf. „Wenn du wüsstest." Ich schloss meine Augen. Außen ruhig und innerlich tobte bei ihm ein Sturm. So war Manu schon immer gewesen.

„Herr Mayer!", schrie eine junge Dame in den Wartebereich. Manus Schulter zuckte, damit ich meinen Kopf hob. Wir folgten der Dame in einen Untersuchungsraum.

„Der Arzt kommt gleich", sagte sie, nachdem sie die Wunden gesäubert hatte. „Okay", antwortete ich. Manu und ich schauten ihr nach. „Boah, ich habe so schiss", kam es dann aus mir raus. Er stand auf und stellte sich vor mir. „Musst du nicht. Tut doch nur furchtbar weh." Das sagte er so trocken, dass es schon lustig war. Ich schaute ihn belustigt an. „Danke für die lieben Worte." Daraufhin strich er über mein Haar. „Du bist doch schon groß. Du schaffst das." Ich liebte es, wenn er so sanft redete. Seine Stimme war wunderschön. Ich spitzte meine Lippen und er beugte sich zu mir runter, um mir einen Kuss zu geben. „Meinen Geburtstag habe ich mir echt anders vorgestellt", seufzte ich dann. „Wir machen uns nachher noch einen schönen Abend", sagte Manu und lächelte. Er wollte meinen Tag noch positiv gestalten. „Was, wenn Mama und Papa noch da sind?", fragte ich. Manu zuckte mit den Schultern. „Dann ist es so. Palle, das regelt sich alles schon wieder. Mach dir keinen Kopf."

Jetzt wurde die Tür aufgeschoben und ein großer, etwas rundlicher Mann mit Brille und einem Zettel in der Hand kam hinein. Er stellte sich vor und begann, meine Hand sich anzusehen. „Das müssen wir wirklich nähen", murmelte er. Dann schickte er Manu raus und bereitete alles vor. Ich wollte Manu am liebsten hierbehalten, jedoch war es nicht erlaubt. Ich hatte Angst. Mehr als zuvor.

*Sicht Manu*

Ungeduldig saß ich wieder im Wartebereich. Mit dem Bein wippte ich auf und ab und mit den Fingern trommelte ich auf meinem anderen Bein rum. Hoffentlich beeilen die sich. Ich wusste, dass Patrick sich unwohl fühlte. Ich strich mir mein Haar zurück. Ich war die ganze Zeit nervös, doch zeigte es ihm nicht. Das würde ihn nur noch unwohler fühlen lassen. Ich schaute immer wieder auf die Uhr, jedoch verstrichen die Minuten nur langsam. Ich ging auf WhatsApp und sah eine Nachricht von meinem Bruder Sebastian.

S: Ich bin gerade bei Mama und sie nervt mich voll wegen dir

M: Was will sie?

S: Ihren Lieblingssohn

M: Ach komm

S: Bist du dann eigentlich zu deinem Geburtstag da?

M: Ja wir kommen am 8 zu Besuch und bleiben dann bis zum 11. Seid ihr auch da?

S: Zu deinem Geburtstag kommen wir vorbei. Wollen ja nichts verpassen :D Außerdem sehen wir uns auch viel zu selten

M: Ihr könnt ja auch mal vorbei kommen ;)

S: Keine Lust so weit zu fahren :D

M: War so klar

Kopfschüttelnd knipste ich den Bildschirm aus und stopfte das Handy in meine Jackentasche. Ich freute mich auf das wiedersehen meiner Familie. Vor allem freute ich mich, meine Mutter wieder zu sehen. Seit Rainer den Schlaganfall hatte, hatte ich Sorge um sie. Sie könnte ja auch jeder Zeit einen bekommen. Oder einen Herzinfarkt. Und ich könnte mich nicht verabschieden. Ich hätte sie dann Monate lang nicht gesehen. Erst wieder, wenn sie tot in einem Sarg liegt. Ich schluckte bei dieser Vorstellung. Ich sollte wirklich öfter nach Essen fahren. So weit war es dann ja auch nicht. „Herr Bierhof!", schrie die junge Dame wieder. Ich musste leicht zusammenzucken. Der Mann mir gegenüber stand auf und ging gekrümmt zu der Dame. Was er wohl hatte? Ich verfolgte mit meinen Augen den Mann. Ich erhaschte einen Blick in den Flur der Notaufnahme und sah, wie Patrick gerade seinen Raum verließ. Ich sprang auf und stellte mich weiter vorne hin. Breit grinsend kam er aus der Tür raus und fiel mir um den Hals. „Ich habe es überlebt", freute er sich und lachte. Ich hielt ihm am Bauch fest. „Bin stolz auf dich", lachte ich zurück. „Wir können gehen. Ich soll dann anrufen, um einen Termin zum Fäden ziehen zu machen", sagte er und hob seine verbundene Hand hoch. „Jetzt bist du behindert", lachte ich ihn an, nahm seine gesunde Hand und verließ mit ihm zusammen das stinkende Krankenhaus.

Der Vater hinter der MaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt