Donnerstag, 28. Juni 1940. 5:37:16:01 Uhr

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Es war der zweite Morgen in Folge, an dem Arthur von hektischem Klopfen an seiner Tür aufwachte. Er hatte einen anstrengenden Tag hinter sich gehabt, was nicht zuletzt an Winston gelegen hatte. Der alte Kauz hatte Arthur seinen letzten Nerv geraubt.

Am Morgen war es losgegangen, direkt beim Frühstück. Nichts war ihm recht gewesen, er hatte außerdem schlecht geschlafen und verlangte, mit seiner Familie telefonieren zu dürfen. Der völlig überforderte Graf hatte sich an Arthur gewandt und ihn dazu verpflichtet, den Tag mit Winston zu verbringen. Er konnte ja nicht wissen, dass das wirklich das Letzte war, was Arthur wollte. Gesprächsthemen, die ihm unangenehm waren, schienen unvermeidlich und ein Grauen hatte Arthur überkommen. Es war so, als würde alles noch einmal passieren, als ob er erneut in den tiefen Abgrund fallen würde, wenn er Winston auch nur sehen würde.

Unglücklicherweise hatten sich Arthurs Befürchtungen bewahrheitet. Natürlich hatte Winston ihn auf Dorothy angesprochen. Arthur war so schwindlig geworden wie schon lange nicht mehr. Er hatte sich entschuldigen müssen und es gerade noch rechtzeitig zum nächsten Badezimmer geschafft, ohne sich auf dem Flur zu übergeben.

So war es schon immer gewesen, wenn er mit Stress nicht hatte umgehen wollen. Sein Körper hatte irgendwann auf die Notbremse gedrückt.

Am Nachmittag war dann eine erste Gesprächsrunde angesetzt gewesen.

Winston hatte berichtet.

„Sie nennen es „Uranprojekt". Das Pendant zu „Tube Alloys"." Edward hatte verwirrt geguckt.

„Es geht um die Herstellung von nuklearen Waffen", hatte Arthur düster erklärt. „Bomben, die eine immense Explosions- und Zerstörungskraft haben könnten. Wenn wir genug forschen würden, wer weiß, was wir herausfinden könnten."

In dem Moment hatte er das Problem endgültig verstanden. Die verflixten Deutschen mussten endlich Erfolg gehabt haben. Vor den USA, vor den Sowjets, vor seinem eigenen Land.

„Auch wenn es keinen Sinn macht", hatte Winston eingewendet. „Woher auch immer sie die Ressourcen haben. Irgendein verrückter Wissenschaftler muss darauf gekommen sein. Vor Jahren."

„Wieso das?", hatte Arthur nachgehakt.

„Wir haben nicht nur einen Anruf empfangen, sondern auch etwas gemessen. Leichte Veränderungen in der Atmosphäre. Radioaktive Strahlung. Und elektromagnetische Störungen, wie die Russen berichtet haben. Es sind keine leere Drohungen. Sondern geplante Tests und ein riesiges Waffenarsenal. Nein, richtig gesagt: durchgeführte Tests. Erfolg. Dafür muss jahrelange Forschung zugrunde liegen."

Zum ersten Mal hatte Arthur die Gewissheit überkommen, dass sein Ende nah war. Er hatte kurz seine Augen geschlossen, tief durchgeatmet. Und etwas Ehrenvolles, gleichzeitig auch Dämliches gesagt.

„Wenn wir schon sterben, dann nur im Widerstand."

Die anderen, ebenso lebens- und kriegsmüde hatten ihm beigepflichtet.

Die schandhafte Erleichterung, die ihn überkommen hatte, als man ihn als ungeeignet abgestempelt hatte, schien in die letzte Ecke seines Gedächtnisses gewandert. Da war nur noch Panik und schreckliche Angst. Angst vor dem Tod, vor dem, was passieren mochte. An diesem Abend hatte er kaum schlafen können. Er hatte weinen wollen, aber keine Träne war ihm entwichen. Mit einem ausgelaugten Gefühl hatte er sich hin und her gewälzt und war schließlich in einen unruhigen Schlaf übergegangen.

Eine wenig erholsame Pause, die nun so jäh unterbrochen worden war.

„Jaja, ich komme!", rief er genervt.

Diesmal blieb ihm keine Zeit, sich anzuziehen. Die Tür wurde von außen aufgeschmissen.

Entrüstet setzte Arthur sich auf und schaute geblendet in das Flurlicht, das nun in sein Zimmer hereinfiel. Er hörte ein schreckliches Geräusch, ein Schluchzen. Es klang erstickt.

Zeitlos - Ein Sommer auf Hawthorne ManorDär berättelser lever. Upptäck nu