Kapitel 22

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„Hör zu, Max." Mir war gerade eine geniale Idee gekommen. „Du siehst ja, dass nichts passiert, wenn ich in die Vergangenheit reise. Ich wurde aber mitten aus einem Gespräch herausgerissen. Es ist unpraktisch, jede Stunde zurückgeholt zu werden. Was wäre, wenn ich dir eine Botschaft überbringen könnte, wann ich zurückgeholt werden möchte?"

„Das wäre toll, Belle, aber wie willst du das machen? Ich bin außerdem nicht dafür, dass du so lange dort bleibst." Er betonte „dort" mit einer gehässigen, abfälligen Stimme.

Ich ignorierte seinen Kommentar.

„Wenn ich dir eine Nachricht an einem Ort, der seit 1940 nicht angerührt wurde, hinterlasse mit einer Uhrzeit, dann kannst du mich genau dann zurückholen."

Max sah verblüfft aus. „Mir fällt da etwas ein. Du warst doch in der Bibliothek?"

Ich nickte.

„Warst du auch in dem Raum gegenüber von deinem Zimmer?"

Abermals bejahte ich. Ich wusste nicht, worauf er hinaus wollte.

„Hast du die Regale mit den Jahrhunderten gesehen? Ich weiß von Elizabeth, dass die Kästen, die für die einzelnen Jahre stehen, leere Schubladen sind, die nie heraus genommen werden."

Abgefahren. Der Plan ließ sich wirklich umsetzen.

„Wir einigen uns einfach auf ein Jahr, sagen wir; 1856. Und du packst den Zettel dort hinein."

„Okay. Ich reiße dann einfach aus irgendeinem Buch eine Seite heraus."

„Oh Gott, Belle, bist du denn Verrückt?", rief er empört. „Warte hier, ich hole dir einen Notizblock und einen Stift!" Er stürmte sofort aus der Tür und murmelte: „Seiten rausreißen, das wär's ja mal..."

Ach stimmt ja. Büchernarren. Wohl eher Verrückte.

Es war schon 15:51:41:43 Uhr und langsam wurde ich nervös. Ich hatte Arthur versprochen, um vier in seinem Zimmer zu sein.

Gefühlt wartete ich noch eine Ewigkeit, die Zeit kroch nur so vor sich hin, schlich immer näher an die ‚16'.

Völlig außer Atem stürmte Max ins Zimmer. Es war 15:56:17:44 Uhr. Spät genug.

Ich entriss ihm Stift und Papier, steckte sie achtlos in meine Hosentasche und schaltete das Radio an.

Max hielt kurz meinen Arm fest, um mich zu stoppen.

„Nur bis Zwölf. Maximal. Ich rede dich irgendwie aus dem Abendbrot heraus."

Mein Magen knurrte leicht, aber ich ignorierte ihn. Das Rädchen wurde einen Raster weiter gedreht.

Der Zeitsprung verlief wie immer, nicht unangenehmer, aber auch nicht angenehmer als sonst. Gerade, als ich wieder dachte, ich zerspränge, gelangte ich in die Schwerelosigkeit.

Ich landete mitten in Arthurs Zimmer, als auch schon die Tür aufsprang.

Zu meiner Verwunderung erklang aber nicht Arthurs Stimme.

„Ma'am?" Die Stimme war hoch und wirkte alt.

„Ich bringe Ihr Kleid. Ich hoffe es gefällt Ihnen!"

Während meine Augen sich wie eine alte Kamera scharfstellten, erkannte ich Johnson, den Diener, mit einem hellblauen Ding, das von seinem rechten Arm auf den Boden hing.

Beim genaueren Hinsehen entpuppte es sich als ein wunderschönes Kleid, das nur einen Träger hatte. Es besaß einen langen, ausgestellten Rock aus Tüll. Zierliche Glitzerstreifen überzogen schräg den oberen Teil.

Zeitlos - Ein Sommer auf Hawthorne ManorWhere stories live. Discover now