Kapitel 37

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Verwirrt drehte ich mich um, meine Ohren klingelten noch von den letzten Donnergeräuschen.

Im plötzlichen Schein der Glühbirnen erkannte ich das kantige Gesicht, den kaffeebraunen Schimmer in seinen rundlichen Augen, unter denen dunkle Schatten lagen. Einige Haarsträhnen wollten seinem akkuraten Scheitel entweichen und standen in alle Richtungen ab. Die Sorgenfalten auf seiner Stirn schienen seit unserem letzten Treffen viel tiefer geworden.

Kurzum, er wirkte müde, abgespannt, gestresst.

Das zählte für mich nicht. Er war im selben Raum wie ich.

Es fühlte sich an, als wäre ich elektrisiert, mir fehlten die Worte und ich räusperte mich trocken.

„Sie sind wieder da", stellte er fest und musterte mich genau. Ich vermochte seinen Blick nicht zu deuten, er wirkte irgendwie konzentriert und eventuell sogar etwas...feindselig?

„Ich bin wieder da", wiederholte ich wenig geistreich.

„Ich möchte nun nicht unhöflich sein, Miss, aber Sie schulden mir eine Erklärung", sagte er höchst förmlich und verschränkte die Arme demonstrativ vor der Brust.

Verlegen versuchte ich ein Lächeln.

„Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob Sie mir glauben werden: Ich bin keine Diebin, das immerhin kannst du – können Sie, 'tschuldigung – mir glauben."

Er bedeutete mir, fortzufahren.

„Also gut", seufzte ich, obwohl ich mich eigentlich dagegen sträubte, ihm die Wahrheit zu erzählen. Er hatte definitiv gesehen, wie ich mich in Luft aufgelöst hatte. Mindestens einmal. Ich konnte ihm nichts vormachen, wenn es doch nur eine einzige Erklärung gab und selbst diese ziemlich irrational klang. Außerdem war ich noch nie gut im Lügen gewesen.

Ein Donnerschlag ließ mich zusammen zucken. Nervös setzte ich mich auf die hölzerne Kommode, meine Beine baumelten in der Luft. Ich starrte kurz auf meine Hände, traute mich doch schließlich, meinen Blick zu heben und schaute in zwei funkelnde Augen. Sie waren so schön...

Konzentration, Belle.

„Ich weiß nicht wirklich wie ich anfangen soll, also... Sie sehen das Radio hier, in Ihrem Zimmer." Ich deutete darauf.

Arthur nickte ungeduldig.

„Vor wenigen Tagen, am zwanzigsten Juni, entdeckte ich einen verschlossenen Raum in diesem Anwesen. Wie sich herausstellte, befand sich in diesem Raum dieses Gerät. Naiv wie ich war, schaltete ich es an. Es spielte Nachrichten ab, aus dem Zweiten Weltkrieg."

Bisher wirkte er nicht überrascht.

„Da ich es für surreal hielt, wollte ich den Sender umstellen. Dann kamen da plötzlich diese Töne... und dann... dann war ich hier. Das war, als ich James getroffen habe, und er mich in den Versammlungssaal gebracht hat."

„Kommen Sie auf den Punkt, Miss Annabelle", drängte er. Er wirkte gehetzt.

„Wissen Sie, warum mich das Radioprogramm so verwirrt hat? Weil ich den Verlauf des Zweiten Weltkriegs genauestens kenne. Weil ich ihn in der Schule gelernt habe."

Verwirrt zog er seine dunklen Augenbrauen zusammen.

„Was wollen Sie damit sagen?"

„Dass ich nicht aus dieser Zeit komme, Arthur. Ich bin aus der Zukunft."

Ich fühlte mich wie in einem schlechten Science-Fiction-Film – nur aus einer ungewohnten Perspektive.

Arthur legte verwirrt seinen Kopf auf die Schulter und erinnerte mich an einen Kater, der seinen Kopf schieflegte, um den Postboten zu beobachten.

Zeitlos - Ein Sommer auf Hawthorne ManorWhere stories live. Discover now