Achtzehnter Brief: Ein ganzes Leben aus Momenten

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Ich zerbreche, weil wir eine Person brauchen

Die unsere Momente

Zu Leben machen

{und du diese Person warst}


Ich bin heute nach der Schule aus Versehen zum Krankenhaus gelaufen.

Ich wollte es wirklich nicht. Aber ich hatte Kopfhörer auf, war in der Musik versunken und meine Füße haben mich unwillkürlich dorthin getragen.

Als ich gemerkt habe, wo ich bin, hatte ich ein seltsames Gefühl in meiner Brust. Das Krankenhaus sah noch genauso aus wie vor ein paar Tagen, aber für mich hat sich alles geändert. Denn du bist nicht mehr dort.

Du bist nirgendwo.

Ich bin dich trotzdem suchen gegangen, Johnny.

Mit der Musik in meinen Ohren und obwohl mir kalt war, bin ich von einem unserer Treffpunkte zum nächsten gegangen. Der See, der natürlich unzugänglich war, es ist schließlich Winter. Die Autobahnbrücke. Das Schulgelände mit den Tischtennisplatten, obwohl ich gerade erst von der Schule kam.

Aber du warst nicht dort.

Du warst fort, und als ich das endlich verstanden habe, bin ich nachhause gerannt, weil ich auf einmal eine schreckliche Angst vor dem Gefühl in meiner Brust hatte.

Aber ich konnte nicht vor der Erinnerung weglaufen, und vor der Liebe schon gar nicht.

Und jetzt sitze ich auf dem Sofa, halte eine Tasse Grünen Tee in der Hand und schreibe diese Worte.

Es erinnert mich daran, dass du mir auf genau diesem Sofa andere Worte vorgelesen hast. Du hattest jedes Mal ein anderes Gedicht dabei, aber es war jedes Mal eines von deinen.

Ich erinnere mich so genau an das letzte Mal. An das letzte Gedicht.

Es war nur ganz kurz, aber deine Stimme war tief und rau, während du es vorgelesen hast und in ihr lag der Zauber unserer Welt, und der Zauber der Liebe, die wir verspürten, aber vor allem der Zauber des Lebens.

Ein ganzes Leben aus Momenten / Summen aus Entscheidungen, die wir treffen / und welchen, die für uns getroffen werden / in jedem Blinzeln / in jedem Herzschlag / in jedem Augenblick / und ich werde mich immer wieder dafür entscheiden / meine Momente mit Dir zu verbringen / in der Hoffnung / dass aus ihnen ein Leben wird."

Ich habe dich so sehr geliebt in diesem Moment.

„Ich wünsche mir das auch", habe ich gesagt, und gelächelt.

Und du hast mich in den Arm genommen und mich gehalten, und ich habe mich nicht mehr ganz so zerbrechlich gefühlt.

„Weißt du was, Johnny?", habe ich dich irgendwann gefragt.

Du hast zur Antwort in meine Halsbeuge gebrummt und ich musste kichern.

„Ich bin gerade sehr glücklich", habe ich gesagt.

Und du hast zu mir aufgesehen und das Lächeln auf deinen Lippen sprach alle Worte, die du hättest sagen können.

Und ja. Ich war so glücklich. Wir waren so glücklich.

Es war alles so klar vor mir aufgezeichnet: mein Leben, all meine Momente, ich wollte sie mit dir verbringen.

Ich schätze, da ist uns etwas dazwischen gekommen.

Zartbitterschokolade | Beendetحيث تعيش القصص. اكتشف الآن