Sechzehnter Brief: Atemzüge

124 14 0
                                    


Ich atme

und du atmest nur noch aus

bis du keine Luft mehr hast

und verschwindest


Jonathan,

Ich vermisse dich.

Ich vermisse dich so sehr, dass ich mich fühle, als würde ich ersticken. Aber ich weiß nicht einmal, an was.

Am Schmerz? Am Schmerz, der mir mit scharfen Krallen alte Narben aufreißt und neue Wunden schafft? Eine neue Wunde schafft?

Oder an der Liebe?

An der Liebe zu dir, die ich mit jedem Atemzug, den ich nehme, spüre?

Sie ist wie ein Vogel, diese Liebe. Ich halte sie in mir verborgen, seit du fort bist. Ich habe sie versteckt - vielleicht habe ich sie auch eingesperrt. In mich, in einen eisernen Käfig aus Hoffnung und Angst. Damit sie nicht davon flattern kann.

Aber als wir zusammen waren, hat es sich immer angefühlt, als würde ich fliegen.

Jonathan - heißt das, das der Vogel frei war, als wir zusammen waren? Dass das der Trick war? Der Grund für alles?

Und als du auf einmal nicht mehr da warst, da habe ich den Vogel eingefangen und eingesperrt. Weil ich ihn nicht verlieren wollte. Weil ich dich nicht verlieren wollte.

Aber das habe ich.

Denn in meiner Brust steht ein Käfig und auf dem Boden liegt ein Haufen Federn und gebrochener Flügel.

Der Vogel ist tot.

Du bist tot.

Unsere Liebe ist tot.

Weil uns tot ist. Es gibt kein uns mehr, weil es kein Du mehr gibt.

Der Vogel kann nicht mehr fliegen, selbst wenn ich den Käfig endlich aufsperren würde und die Tür ihm offen stünde.

Aber Johnny, ich kann ja nicht einmal das.

Ich habe einen toten Vogel und der Käfig ist immer noch zu, die Tür verschlossen.

Denn so ist der Käfig wenigstens nicht leer.

Und davor habe ich Angst. Solche Angst. Ich wache schreiend auf in der Nacht, weil ich sie in meinen Träumen fühlen kann. Weil ich dich in ihnen fühlen kann, und du mir entschwindest, mir zwischen den Fingern zerrinnst.

Vielleicht ist es auch diese Angst, an der ich ersticke.

Vielleicht ist es dies alles zusammen. Egal, was es ist. Es schnürt mir die Kehle zu. Ich kann nicht mehr atmen, und in meinen Lungen wächst die Leere.

Sie nimmt viel Platz ein in mir.

Und sie ist so kalt.

Jonathan, mir ist so kalt.



An dieser Stelle muss ich leider eine kurze Pause ankündigen. Mein Januar ist einfach extrem vollgestopft mit Events, ich habe ein Praktikum etc. und bin ingesamt nur zwei Tage zuhause.

Das bedeutet, dass ich nicht zum Schreiben kommen kann und wenn doch, vermutlich kaum Zeit zum Updaten finden werde.

Es tut mir wirklich leid!

Carly xx

Zartbitterschokolade | BeendetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt