23.Kapitel (Dylan)

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Es war warm, vielleicht auch etwas zu warm für meinen Geschmack. Von draußen war das nervige zwitschern von Vögeln zu hören, die mir etwas auf die Nerven gingen und nebenbei noch ein paar Geräusche von vorbei fahrenden Autos. Ich ließ meine Augen noch geschlossen und kuschelte mich weiter an meine viel zu warme und lebende Heizung, bis mir schlagartig wieder einfiel wo ich war und was ich getan hatte.

Ich hatte gestern vor Allens Tür gestanden und ihm gesagt, was ich fühlte und wie unsicher ich mir war... und dann...

Allein bei dem Gedanken daran, wie seine Finger mich berührt hatten, ganz leicht über jede Stelle meines Körpers gefahren waren, wie er mir meinen Namen ins Ohr geflüstert hatte, wie er versucht hatte vorsichtig zu sein, unser stöhnen... mir wurde mit einem Mal wieder unglaublich heiß und ich spürte wie mein Gesicht rot anlief.

Warum hatte ich nur zugestimmt? Was würde er jetzt nur von mir denken? Dass ich jemand war, der immer dann mit jemandem schlief, wenn er sich für den jenigen begeisterte?  Dabei hatte er mich ja gefragt, aber ich hätte nicht zustimmen sollen. Was war, wenn ich jetzt feststellte dass ich ihn doch nur bewunderte...? Dann hatte ich ihm das Herz vermutlich ziemlich schlimm gebrochen. Dabei wollte ich ja nicht sagen, dass mir diese Sache hier nichts bedeutet hatte. Sie hatte mir sogar sehr viel bedeutet, aber...

Dylan beruhig dich wieder, versuch am besten wieder normal zu denken. Aber das war verdammt schwer, ständig wanderten meine Gedanken zurück zu letzter Nacht, wo wir uns viel näher gekommen waren, als ich mir je hätte vorstellen können. Da er ein Schauspieler war hätte ich mir irgendwie denken können, dass er gut war, aber so gut?

Seine Berührungen... seine Küsse... ich schmolz förmlich dahin. Irgendwie.

Aber jetzt musste ich erst einmal weg. Ich wusste, dass es nicht gerade die freundliche Art war einfach am Morgen danach zu verschwinden, aber ich wusste nicht wie ich ihm gegenüber treten sollte, wenn er aufwachte und ich mir immer noch nicht so klar war, was genau ich nun eigentlich empfand. Und da ich dieser sicherlich unangenehmen Situation lieber aus dem Weg gehen wollte, entschied ich mich dazu lieber zu gehen.

Ich sammelte meine Sachen ein und zog sie an, dann schrieb ich ihm einen Zettel, wo ich alles erklärte und legte ihn neben ihm aufs Bett. Er würde mich defintiv für einen sehr, sehr schlechten Menschen halten und total enttäuscht sein... aber ich musste nachdenken.

Ich verließ seine Wohnung und ging zu meinem Auto, wo ein Zettel wegen Falschparkens klebte, was mir aber ziemlich egal war. Ich zerknüllte ihn und warf ihn auf meinen Beifahrersitz, dann startete ich den Wagen, fuhr aber nicht nach Hause, zumindest nicht in meine Wohnung. Stattdessen fuhr ich zu meinen Eltern, rief nebenbei bei der Arbeit an, fragte ob ich den Tag frei bekam und mein Chef meinte, ich könnte auch die ganze restliche Woche freinehmen, wenn ich dafür die ganze nächste Woche volle sieben Tage einsprang, da ein Kollege im Urlaub war und ich stimmte zu.

Ich wusste nicht einmal, ob jemand zu Hause sein würde. Ben war in der Schule, mein Vater sicher bei der Arbeit und bei meiner Mutter wusste ich es nicht. Aber darum machte ich mir jetzt keine Gedanken, ich konzentrierte mich einfach aufs fahren... nicht einmal zum Musik hören war mir zu mute.

Viel zu lange dauerte die Fahrt bis zu meinem Elternhaus und ich sah in der Einfahrt kein Auto: Also war niemand da. Seufzend parkte ich und stieg aus, dann tastete ich auf dem Holzbalken über unserer  Tür in einer Ritze nach dem Ersatzschlüssel und benutzte ihn einfach. Ich hatte ihn selbst als ich noch hier lebte nie benutzen müssen, da ich meinen Schlüssel noch nie vergessen hatte, aber ich wusste dass sich meine Eltern freuen würden, wenn ich sie besuchen kam - und diesmal blieb ich immerhin mal für vier Tage.

Ich ging in mein altes Zimmer hoch, wo noch immer mein altes Bett, meine alten (aber leeren) Regale und Schränke standen und ein paar alte Poster an der Wand hingen, die ich schon seit über fünf Jahren nicht mehr cool fand. Trotzdem hatte dieses Zimmer etwas gemütliches an sich, es war voller Erinnerungen und ich fühlte mich gleich um weiten besser. Es war immer noch so vertraut, obwohl ich so selten hier war.

Ich schmiss mich aufs Bett. Es war kein Bettzeug darauf, aber das störte mich nicht. Sogar mein alter Wecker stand noch auf meinem Nachtschrank und ich betastete ihn. Wie sehr ich dieses Ding gehasst habe mit seinem aufdringlichen Piepen, was immer lauter wurde... aber irgendwie vermisste ich ihn. Vielleicht nahm ich ihn ja mit, wenn ich nach Hause fuhr. Wäre vielleicht keine so schlechte Idee.

Es verging einige Zeit - vermutlich Stunden - ehe ich den Schlüssel unten in der Tür hörte und eine Stimme rief:

»Dylan, bist du da?«

»Ich bin oben!«, rief ich zurück und mein Bruder rannte die Treppe nach oben, ehe er meine Zimmertür aufmachte.

»Was ist los?«, fragte er gleich besorgt und ich zuckte mit der Schulter.

»Nichts... Ich wollte euch nur besuchen kommen, war das schlimm?«

Er schüttelte mit dem Kopf und ließ seine Schultasche fallen, ehe er sich zu mir aufs Bett legte. Seine Pickel waren sichtlich zurück gegangen und seine Haut war mittlerweile wieder ziemlich rein. Ich piekte ihn in die Wange und er schaute mich an.

»Du kommst nicht einfach so her, willst du mir erzählen was passiert ist?«

Ich starrte an die Decke und seufzte.

»Nein, nicht wirklich. Ich glaube nicht dass du mir dabei groß helfen kannst und ich will allein darüber nachdenken, wenn das okay ist.«

Er nickte und wir blieben eine Weile schweigend nebeneinander liegen, bis wieder der Schlüssel unten zu hören war und meine Mutter erfreut durch das Haus rief: »Dylan!« Da ich wusste dass es jetzt mit der Ruhe vorbei war, stand ich auf, streckte mich und ging die Treppe nach unten.

»Hay Mom.« Sie schloss mich in eine feste Umarmung bei der ich teilweise kaum Luft bekam und ließ mich dann los. Sie fragte mich sämtliche Dinge, wie lange ich bleiben würde, warum ich da war... ich beantwortete alles so knapp wie möglich, dann beschloss ich durchs Dorf zu schlendern und zu meinem früheren Lieblingsort zu gehen, wo ich mich entspannen konnte und meine Gedanken vielleicht klarer wurden.

Wenn ich jemandem begegnete wurde ich freundlich gegrüßt und irgendwann kam ich beim Feldweg an, wo keine Häuser mehr standen. Der Feldweg führte in einen Wald, wo ich als Kind oft zum Spielen gewesen war und als  Jugendlicher, wenn ich meine Ruhe brauchte weil mir in meiner pubertären Phase alle auf die Nerven gingen. Es war ruhig und man hörte nur die Geräusche des Waldes, das sanfte rauschen der Blätter im Wind, das zwitschern der Vögel, was um diese Uhrzeit nicht mehr nervig war und das knacken der Äste wenn kleine Tiere hindurch huschten.

Ich wusste nur hier konnte ich meine Gedanken entwirren und zu einer klaren Entscheidung kommen.


Color My World (BoyxBoy/Yaoi)حيث تعيش القصص. اكتشف الآن