2.Kapitel (Allen)

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Mein Wecker klingelte, wie jeden Tag, sechs Uhr morgens. Früher war ich einer dieser schlecht gelaunten Morgenmenschen gewesen die vor um zehn nicht einen Fuß aus dem Bett bewegten, aber durch meine Arbeit hatte sich das geändert. Ich war immer noch alles andere als gut gelaunt, wenn ich aufstand, aber mittlerweile stand ich schon nach dem ersten Weckerklingeln auf und nicht erst nach dem fünften. Und ganz selten war ich sogar schon vor dem Klingeln wach.
Ich stand auf, schlürfte ins Bad und putze mir die Zähne, stylte meine Haare irgendwie, zog mich um und ging dann in die Küche.
Obwohl ich alleine lebte hatte ich eine recht große Wohnung: es war kein Luxusapartment, aber auch keine Bruchbude. Sie war größer als eine Einzelperson es benötigte und hatte mehr Zimmer als ich benutzte. Für zwei oder sogar drei Leute wäre die Wohnung ideal, aber viele Leute konnten sich so etwas vermutlich gar nicht erst leisten.
Ich kochte mir einen Tee und aß ein Brötchen, als ich einigermaßen munter war schlug ich meinen Terminkalender auf, der nicht ganz so voll war wie der meiner Managerin. Ich schrieb mir meistens nur die Pausen zwischen den Terminen auf, was definitiv nicht gerade viele waren. Auch heute sah das mit den Pausen eher mangelhaft aus, aber dafür hatte ich Samstag und Sonntag einmal frei. Das war ziemlich selten.
Es klingelte an der Tür - ohne Zweifel meine Managerin, die immer punkt halb sieben bei mir auf der Matte stand und mir den heutigen Plan erklärte. Der Tag an dem sie einmal auch nur eine einzige Minute zu spät kommen würde, war der Tag an dem wahrscheinlich die Welt untergehen würde.
Gähnend öffnete ich die Tür und Anna schob sich an mir vorbei in Wohnung. 
Anna war eine recht kleine und zierliche Frau mit dunklen Haaren, die sie immer zu einen Zopf gebunden hatte, einer Brille und dem typischen Manager aussehen: dunkelblauer glatter knielanger Rock, weißes Hemd, dunkelblaue Anzugjacke und rote Krawatte. Ein wenig erinnerte sie mich an eine Stewardess, abgesehen von der Krawatte und dem fehlenden Hut.
»Morgen«, murmelte ich und sie schob ihre Brille ein Stück nach oben.
»Morgen. Ausgeschlafen?«
Ich seufzte und bot ihr einen Tee an, den sie heute einmal ablehnte. Wenn sie Tee ablehnte hieß es das wir kaum Zeit hatten und es ein sehr stressiger Tag werden würde.
»Wie sieht der heutige Tag aus?«, fragte ich und trank meine Tasse Tee aus.
»Um sieben Fotoshooting, um zehn am Filmset, um drei dann...« Ich schaltete ab und hörte gar nicht mehr zu. Ich wusste doch heute würde ein stressiger Tag werden, aber morgen war ja zum Glück schon Freitag und dann hatte ich zwei wunderbare Tage frei.
»Allen? Hast du mir zugehört?«, fragte Anna streng.
»Eh ja klar«, erwiderte ich und sie spitze die Lippen da sie wusste das ich komplett abgeschaltet hatte.
»Los mach dich fertig wir müssen los. In 25 Minuten müssen wir dort sein und wir brauchen schon eine Viertelstunde Fahrt dahin.«
Seufzend machte ich mich schnell fertig, schloss die Tür hinter mir zu - öffnen ließ sich meine Wohnung per Zahlencode - und stieg dann in den schwarzen Wagen, der vor der Tür parkte. Roberto, der Fahrer, nickte mir zu. Er war ein netter Mann und ich genoss es mich mit ihm zu unterhalten, auch wenn ich eigentlich keinen Fahrer brauchte, aber die Firma bei der ich unter Vertrag war bestand darauf. Allgemein war ich keiner dieser Menschen, dem dieser Luxus und die ganzen Extras gefiel, im Gegenteil, ich selber kam aus einer stinknormalen Familie und vor allem vermisste ich das Essen meiner Mutter, womit die ganzen Sterne Restaurants nicht mithalten konnten. Das Essen dort war natürlich köstlich, aber Hausgemachtes Essen meiner Mutter verursachte einfach dieses schöne Gefühl einer Gewohnheit, etwas normalem was man schon von Klein auf kannte.
»Wie viel Zeit habe ich heute Abend?«, fragte ich und Anna warf einen Blick auf ihren Termin Kalender.
»Heute Abend ist ein Essen mit dem Besitzer der Firma und dem Regisseur des Films.«
»Und morgen Abend?«
Sie seufzte und blätterte um. Ab um sieben hast du frei«, antwortete sie und ich griff nach meinem Privathandy um meine Mutter anzurufen. Sie ging direkt nach dem ersten Klingeln ran.
»Oh Allen es ist schön etwas von dir zu hören!«
»Du kann ich morgen Abend zum Essen vorbei kommen? Und über Nacht bleiben?«, fragte ich.
»Aber natürlich. Ich koche dein Lieblingsessen. Bis morgen.« Dann legte sie auf.
Zufrieden steckte ich mein Handy zurück in die Tasche und wartete, bis der Wagen vor dem Gebäude hielt, wo die Shootings stattfanden. Heute sollte ich für ein paar Mädchenzeitschriften modeln und auf ein paar dieser billig Poster abgedruckt werden. Normalerweise nahm so etwas mehr Zeit in anspruch, aber da ich heute noch zum Dreh musste, hatten sie es ein wenig gekürzt.
Ich ging also in die Maske, wo mir ein paar Stylistinnen etwas Make-up auftrugen, meine Haare ein wenig richteten und mich in Klamotten steckten. Heute trug ich einen schwarzen Hut, einen schwarzen Schal, ein graues Hemd und einfache schwarze Jeans. Der Kameratyp wies mich an wie ich mich hinstellen sollte, wie ich schauen sollte und so weiter. Es war anstrengend irgendwie zu Lächeln wenn man nichts zum lächeln hatte oder "verliebt und sexy" schauen sollte, wenn man nicht einmal wusste wie das gehen sollte. Trotzdem schien ich es wie immer gut zu machen, denn niemand meckerte auch nur ein einziges Mal das ich falsch stand oder nicht genug Ausstrahlung zeigte. Vielleicht lag es mir auch einfach im Blut. Ich probierte noch drei weitere Outfits, befolgte jedes Mal die Anweisungen des Kameramanns und verließ dann zusammen mit Anna das Gebäude um zum Drehort zu fahren.
Der Drehort war heute ein altes Fabrikgelände, wo wir ein paar Szenen drehten. Der Regisseur - ziemlich bekannt und einer der Besten - war noch recht jung, gerade Mal 28 und einer der launischsten Menschen die mir je begegnet waren. Des öfteren stauchte er irgendjemanden zusammen und es verging kein Tag an dem er nicht mindestens zehn kleine Anfälle bekam, weil ihm irgendetwas nicht passte oder nicht so lief, wie er es sich vorstellte. Anfangs war das ziemlich nervig gewesen, aber mit der Zeit gewöhnte man sich daran und nahm es nicht mehr allzu ernst, wenn er mal wieder etwas zu meckern hatte. Und außerhalb seiner Arbeit war er sogar ziemlich freundlich und nicht so aufbrausend wie während eines Drehs.
»Hallo«, begrüßte ich sämtliche Leute an denen ich vorbei kam und reichte dann auch dem Regisseur die Hand, der mich von oben bis unten musterte.
»Gut siehst du aus. Gerade ein Fotoshooting gehabt?« Ich nickte und sofort zog mich Valentin, einer der wirklich guten Stylisten in die Maske, um mich für die Rolle fertig zu machen, während ich schon jetzt am liebsten nach Hause wollte.

Color My World (BoyxBoy/Yaoi)Where stories live. Discover now