4.Kapitel (Allen)

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»Im Anzug siehst du echt gut aus«, meinte Anna, die mich noch in meine Wohnung begleitet hatte und mir dabei geholfen hatte aus meiner Ansammlung von genau drei Anzügen und unzähligen Krawatten, das passendste für das Abendessen raus zu suchen.

»Nun ja, irgendwie sieht doch fast jeder Mann im Anzug wesentlich besser aus, oder meinst du etwa nicht?« Mir fiel kein Beispiel ein, jemals jemanden gesehen zu haben der in Anzug schlecht aussah. Anzüge ließen einen immer automatisch so... seriös und elegant wirken.

»Du bist Model und Schauspieler, dir steht vermutlich einfach alles. Ich glaube selbst wenn man dich in einen Kartoffelsack stecken würde, würdest du immer noch sämtliche Blicke auf dich ziehen«, meinte Anna und musterte mich von oben bis unten mit einem eher geschäftigen und neutralen Blick. Das war eines der Dinge, die ich an ihr schätzte: Sie zog einen nicht schon förmlich mit ihren Blicken aus, sondern blieb immer auf eine geschäftsmäßige Art distanziert und neutral und schaffte es trotzdem Komplimente zu machen ohne das es so wirkte als ob sie mit einem gleich etwas anfangen wollte. Ich erinnerte mich nur lebhaft an die eine Assistentin am Set, die mich jedes Mal wenn ich nicht hingesehen hatte angestarrt hatte, auf diese unangenehme Art und Weise wo einem gleich ein Schauer über den Rücken läuft, und in jeder freien Minute meiner Zeit versuchte hatte mit mir zu reden. Zum Glück war es nur irgendeine Assistentin gewesen, so dass ich ihr wahrscheinlich nicht noch einmal begegnen würde.

»Ich glaube nicht, dass mir ein Kartoffelsack stehen würde«, sagte ich und betrachtete mich noch einmal im Spiegel, zupfte überall herum bis ich es seufzend aufgab und die Klamotten einfach so liegen ließ. Es war nur ein Abendessen mit ein paar der Förderer und dem Regisseur und ein paar anderen Schauspielern, nichts ungewöhnliches, nichts was ich noch nie getan hätte. Trotzdem machten mich solche Momente immer furchtbar nervös. So ging es mir auch bei Liveauftritten: Wenn ich am Set war und eine Szene gedreht wurde, war ich nicht so nervös, einfach weil ich wusste das wenn etwas schief ging man den Patzer einfach rausschnitt und die Szene noch einmal drehte. Aber bei Liveübertragungen war das immer etwas anderes, man dürfte sich keinen Fehltritt erlauben.

»Wir sehen uns dann morgen wieder. Hab einen schönen Abend«, meinte Anna dann und ging nach Hause, während ich in das Auto stieg, in dem Roberto geduldig die ganze Zeit gewartet hatte. Ich hatte ihm schon mehrmals gesagt, er könne auch einfach nach Hause fahren und einfach später wieder kommen oder mit zu mir hoch kommen und einen Tee trinken, aber er lehnte immer ab.

Wir hielten vor dem schicken und viel zu teuren Restaurant, ich sagte Roberto dass er mich nicht abholen brauchte da ich mit der Bahn nach Hause fahren würde und stieg aus.

Ich atmete einmal tief durch und betrat dann das Lokal, wo ich direkt von einer sehr hübschen Kellner empfangen wurde. Sie trug die übliche Kellner Kleidung, hatte braune Haare die sie sich hochgesteckt hatte und war echt unglaublich schön, was von einem Restaurant dieser Preisklasse definitiv nicht verwunderlich war, da hier einfach alles stimmen musste. Die Qualität und das Aussehen der Angestellten und der Gäste, unglaublich gute Köche... Viel zu übertrieben, aber in den Kreisen in denen ich mich bewegte war das leider an der Tagesordnung.

»Sie müssen Mister Heathrow sein. Die anderen warten bereits auf Sie«, meinte die Kellnerin und brachte mich an einen Tisch, wo bereits die anderen saßen: Der Regisseur, meine beiden Schauspielkollegen die ebenfalls die Hauptrolle hatten (Celina und George? Oder so) und die beiden Männer, die für die Fördergelder zuständig waren und ihre Frauen, so wie der Autor des Buches was verfilmt wurde und dessen Frau.

»Guten Abend«, sagte ich und reichte ihnen die Hand, setzte mich dann auf den letzten freien Stuhl. Es war schrecklich wenn man als letzter bei so etwas ankam, aber ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich ziemlich pünktlich war, sogar etwas eher als ausgemacht wurde.

Die hübsche Kellnerin von eben nahm unsere Bestellungen auf und gab uns die Speisekarte, die ich eher lustlos durch blätterte. Bei diesen Restaurants war mir eigentlich nie wirklich zum Essen zu mute, auch wenn es immer so köstlich war.

»Sind Sie denn mit der Umsetzung ihres Buches bisher zufrieden?«, meinte der Regisseur – sein Name war übrigens Harry – an den Autor gewandt und dieser nickte.

»Die Drehbuchumsetzung war ziemlich in Ordnung und für die Rollen hätte ich mir keine besseren Schauspieler aussuchen können«, meinte er und musterte uns alle drei mit einem Lächeln.

»Wie gefällt Ihnen ihre Rolle denn bisher?«, fragte nun einer dieser Fördergeldertypen (die Namen merkte ich mir ehrlich gesagt nie) und Celina neben mir fing an darüber zu schwärmen, wie absolut toll sie ihre Rolle fand und das sie super gut zu ihr passte. George war da ein wenig bescheidener, er sagte nur dass ihm die Rolle gefiel und er sich gut in sie hineinversetzten konnte, auch wenn er den klassischen Bösewicht spielte, schien ihn das nicht zu stören.

»Mir gefällt die männliche Hauptrolle ziemlich gut, ist ein super Charakter«, meinte ich dagegen lahm und der Regisseur nickte.

»Das haben Sie ja bei Ihrem Interview schon gesagt. Das Interview war nebenbei bemerkt gut. Sie vertiefen sich auch immer so schön in ihre Rolle, das gefällt mir. Es ist als wären Sie diese Person... es ist schade das man Ihr Talent nicht schon eher entdeckte.«

Wahrscheinlich auch einfach deshalb, weil ich nicht aus einer Promifamilie kam, wie so viele anderen junge Schauspieler (vor allem Kinder) sondern aus einer stinknormalen bürgerlichen Familie aus der Mittelschicht. Ich hatte in der Mittelschule noch nicht einmal in einem Theaterclub oder ähnlichem gespielt.

»Wie sieht es bei Ihnen denn zur Zeit mit dem Partner aus?«, fragte der Autor, als wir unsere Getränke bekamen und das Essen bestellt hatten.

Das Celina mit irgendeinem anderen Schauspieler verlobt war, war allgemein bekannt. Und dass George der typische Frauenheld war ebenfalls. Dementsprechend fielen auch ihre Antworten aus, Celina schwärmte von ihrer bevorstehenden Hochzeit und George meinte er könnte sich nicht festlegen weil er sein Leben noch eine Weile genießen wollte.

»Und was ist mit Ihnen?«, fragte man mich und ich nahm einen Schluck von dem guten Wein.

»Ich habe derzeit keine Partnerin«, meinte ich.

»Dabei können Sie sich doch vor Fans kaum retten. Oder gibt es da jemanden, den sie schon in Aussicht haben?«

»Nein. Was ich bei meinem Interview gesagt habe stimmt. Ich bin nicht daran interessiert eine Beziehung zu führen«, gab ich trocken zurück und hoffte, dass dieses Frage Antwort Spiel bald aufhören würde. Es war mir immer wieder aufs Neue unangenehm, wenn andere Leute mich so direkt über mein Privatleben ausfragten, wobei das immer noch angenehmer war als von Paparazzi verfolgt zu werden, denn die waren um weiten schlimmer.

»Nun, so etwas soll es ja auch geben.« Es begannen belanglose Gespräche, die meisten über die Arbeit und ich musste mir wirklich Mühe geben mir nicht anmerken zu lassen wie gelangweilt ich davon war. Lächeln, nickten und so tun als habe man Spaß.

Ich war mehr als nur froh, als ich das Restaurant Stunden später verließ und mich in die nächste Straßenbahn nach Hause setzte: zu meinem Glück fuhren um diese Zeit kaum andere Leute mit der Bahn, und die wenigen die fuhren, waren erwachsene Menschen die mich vermutlich sowieso nicht kannten. Höchstwahrscheinlich war ich sowieso eher bei jüngeren Leuten und eher bei Mädchen beliebt... eine Tatsache, die mich nicht einmal sonderlich störte, sondern die ich einfach als unvermeidbar hinnahm. Ging immerhin vielen Schauspielern so.

Zu Hause zog ich nur den Anzug aus und ließ mich dann in mein Bett fallen, wo ich sofort einschlief.


Color My World (BoyxBoy/Yaoi)Where stories live. Discover now