[Kapitel 5/Teil 3]

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*Elara POV*

-Anfang des 17.Jahrhunderts-

An dem Tag hatten wir uns mit Mister Pontis darauf einigen können, dass ich seine Schwester im Haushalt unterstützen würde, da sie schon viel zu alt war um hinter alles her zu kommen. Dafür durfte ich mietfrei in der alten Holzhütte leben. 

Sie hatten mich netterweise nicht weiter nach meiner Familie gefragt nachdem ich ihnen erzählt hatte, dass ich sie erst vor kurzem verloren hatte. Wie gerne ich es irgendjemandem erzählt hätte was mir zugestoßen war, doch jedes mal wenn ich auch nur den Gedanken fasste einen Satz in der Richtung auszusprechen hörte ich die Stimme Solaris' mahnend sagen "für aller Wohl." 

An dem Abend hatte ich das erste Mal in der alten Holzhütte übernachtet. Mister Pontis stellte mir netterweise ein altes Bett zur Verfügung und Beth brachte mir eine Decke aus ihrem Zimmer. Jedoch reichte diese auf keinster Weise um mich auch nur annähernd aufzuwärmen.  Das einzige was mir als Wärmequelle diente war die kleine Öllampe auf dem Holztisch. Ich hielt hin und wieder meine eisigen Finger über das kleine Feuer der Petroleumlampe um sie einigermaßen aufwärmen zu können. 

Das lederne Buch hatte ich wieder einmal auf den Tisch gelegt, doch dieses Mal lag es vor der kleinen Lichtquelle. Ich haperte mit mir selbst, ob ich das Buch aufschlagen und es lesen sollte oder ob ich dem Wunsch Solaris nachkommen und es erst bei dem fallenden Stern versuchen sollte. Ich hatte so viel geben müssen, um das Buch schreiben zu können, also wollte ich mir die Freiheit nehmen und es wenigstens überfliegen um sicher zu gehen, dass das Ganze wirklich "einen Sinn" hatte wie die Göttin behauptete. 

Um es mir nicht anders überlegen zu können schlug ich das Buch schnell auf. Als ich hinein sah konnte ich meine eigene Handschrift erkennen und auch dass es sich um meine Sprache handelte. Im einzelnen konnte ich die vielen Worte und Zeichen deuten, doch konnte ich mir mit bestem Willen keine gescheiten Sätze zusammen reimen. Egal wie oft ich es versuchte, schien es als ob das Geschriebene keinen Sinn machte. "Es ist erst am Ende deiner Reise wichtig, davor wirst du nicht in der Lage sein es zu lesen." hallte wieder einmal die Stimme Solaris' in meinem Kopf. 

Die Göttin hatte nicht nur meinen Geist davor verschlossen, sondern scheinbar auch meinen Verstand manipuliert, damit ich es nicht lesen konnte. Sie hatte doch tatsächlich an alles gedacht.

Nach mehreren Anläufen gab ich den Versuch auf auch nur eine der vielen Seiten zu verstehen und schlug das Buch frustriert wieder zu. Dafür fischte ich den kleinen Zettel aus meinem Dekolletee welchen ich vor einigen Stunden in meinem alten Kleiderschrank gefunden hatte. Das Blatt war etwas plattgedrückt, doch schien es die Schriften darin nicht beeinflusst zu haben.

"Mein kleiner Mond,

dein Vater und ich haben die Götter Jahre lang um ein Kind gebeten. Ganze Jahre vergingen nur mit dem Wunsch eines Kindes. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie glücklich wir waren, als die Götter uns dich schickten. Hätten wir nur gewusst, dass uns nur wenige Monate mit dir vergönnt wären...

Es tut mir schrecklich leid. Du hättest ein Leben voller Liebe, Freude und Abenteuern haben sollen.. stattdessen wurdest du uns viel zu früh genommen. Wir konnten nicht einmal ein halbes Jahr mit dir genießen.

 Ich hätte dich gerne zu einer starken Frau heranwachsen sehen. Ich habe so viele Fragen die mir seit deinem gehen durch den Kopf spuken.. Nicht einmal die Einfachsten würden mir beantwortet werden. Was wäre dein Lieblingsessen gewesen? Was wäre deine Lieblingsfarbe?

Ich hätte auf meinen Bauchgefühl hören sollen. Ich bereue es zutiefst dich in deinem Zimmer alleine gelassen zu haben. Doch hätte ich mit dem besten Willen nicht wissen können, dass deine Matratze am helllichten Tag plötzlich Feuer fangen würde.. Das Feuer verbreitete sich nicht einmal in deinem Zimmer sondern blieb auf deinem Bettchen. Es schien, als würde etwas nur dich aus unserem Leben reißen wollen. 

Du hattest nicht einmal geschrien, erst der Rauch welcher sich im ganzen Haus ausbreitete machte uns auf das Feuer aufmerksam. Ich rannte sofort in dein Zimmer, doch als ich dort ankam war das Feuer schon fast aus. Von dir war nichts mehr zu sehen. Keine Überreste.  

Erst dachten wir, dass dich jemand einfach mitgenommen und uns das Feuer hinterlassen hatte um uns glauben zu machen, dass du verbrannt warst. Doch hatten wir die verschlossenen Fenster mehrmals kontrolliert und konnten keine Spuren eines Einbruchs erkennen.

Mein kleiner Engel...

Ich vermisse dich. Du fehlst mir so sehr wie der Mohnblume sein Duft. 

Dein Vater besteht darauf, dass wir unser zu Hause verkaufen sollen. Ich habe mein bestes versucht um ihn umzustimmen, doch blieb er, wie immer, stur wie ein Bock. 

Ich wollte nicht ohne einen Abschied gehen, daher dieser Brief.

Bitte nimm es ihm nicht übel. Wir werden dich ganz sicher nicht vergessen und schon gar nicht indem wir unser zu Hause verkaufen in dem du hättest aufwachsen sollen. Viel mehr erinnert uns jede einzelne Ecke dieses Hauses an dein Verschwinden. Wir haben es wirklich versucht hier zu bleiben, doch egal wie viel wir putzten und strichen der verkohlte Geruch wollte nicht verschwinden. 

Mein Baby.. ich liebe dich über alles. 

Es tut mir leid.

In Liebe deine Mama"

Mein ganzer Körper fühlte sich taub an während mein Innerstes brannte. Es schmerzte mich so sehr zu wissen wie sehr meine Eltern unter meiner Entscheidung gelitten hatten. Ich war schuld an ihrem Leid. Hätte ich mich auf dem Marktplatz nur nicht mit dem Pöbel angelegt..

Mit dem Brief in der Hand legte ich mich auf das Bett und las die letzten Worte meiner Mutter immer und immer wieder durch. "Ich liebe dich über alles. Es tut mir leid."
Ich fühlte mich wie in meiner eigenen Haut gefangen. 





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