[Kapitel 1/Teil 4]

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*Noan POV*

-Anfang des 19.Jahrhunderts-

Auch als ich aufwachte war meiner Mutter noch kalt. Ein Tee würde sicher helfen. Ich war so sehr überzeugt von meiner neuen Idee, dass ich sofort aufsprang und zur Tür rannte. Gerade als ich die Tür öffnen wollte kam eine dickliche kleine Frau in das Zimmer, sie hielt ein Baby in ihren Armen.

"Oh Junge, du bist ja schon wach, schau mal wen ich dir mitgebracht habe" sagte sie freundlich lächelnd. Ihre Augen waren sehr geschwollen und ihre Nase ganz rot. "Nicht jetzt, Mama braucht erst einen Tee ihr ist ganz kalt." sagte ich. Die Frau legte meinen Bruder in ein Bettchen vor dem Fenster und kam dann mit Tränen in den Augen zu mir. " Ach Junge, deine Mama braucht jetzt ganz viel Ruhe weißt du.. sie hat noch eine lange Reise vor sich da solltest du sie lieber nicht stören.", "Aber ihr ist doch so kalt sie kann sich ja nach dem Tee weiter ausruhen sonst wird sie noch krank. Kannst du keinen Tee holen?" zum Ende hin schmollte ich geknickt und war kurz davor zu weinen. Meine Mama durfte doch nicht krank werden. "Wie wäre es damit.. ich koche uns einen Tee und deine Mutter bekommt ihren dann später mit auf die Reise.. ja?" Das war ein guter Plan also nickte ich eifrig und wischte mir mit meinem Ärmel über meine laufende Nase.

"Wohin will Mama denn? Ich bin doch gerade erst angekommen." Verwundert sah ich zu der dicklichen Frau und setzte mich aus trotz wieder zurück auf das Bett. "Darf ich denn dann mit ihr mit?", "Nein Junge, deine Mama muss da leider alleine reisen.. du bleibst bei uns und hilfst uns mit deinem Bruder und passt schön auf ihn auf, ja?" Die Stimme der Frau zitterte.

Plötzlich ging die Tür auf und der König kam mit zwei Männern in das Schlafzimmer. Die beiden Männer trugen eine Liege mit einem weißen Tuch in das Zimmer und legten diesen neben meine Mutter. Schnell stand ich auf und lief zu der Frau um mich vor den fremden Männern zu verstecken. Der König schaute zu uns rüber und sagte nur "Astra" und schon nickte die Frau und drehte sich wieder zu mir dabei sagte sie "Na komm lass uns deiner Mutter einen Tee kochen."

Zusammen gingen wir in die Küche und Kochten einen Kamille Tee.

Gerade als ich noch kleine Plätzchen auf das Tablett legen wollte kam Eron in die Küche. Schnell sprang ich von meinem Stuhl und stellte mich erneut hinter Astra. Eron beachtete mich nicht weiter und meinte nur es wäre zeit. "Zeit für Tee? Ist Mama endlich wach?" Hoffnungsvoll drehte ich mich zu Astra und sah hoch in ihr Gesicht doch sie schüttelte nur ihren Kopf. Zusammen gingen wir nach draußen in den Wald vor dem Anwesen. Mitten im Wald war ein großer dunkler See. Nur die wenigen Seerosen brachten etwas Leben in das dunkel fast gräuliche Panorama. Viele ebenfalls dunkel Gekleidete Menschen warteten bereits am Ufer und sahen in die Richtung des Waldweges aus dem wir gerade traten. Mittendrin stand der König mit meinem Bruder in seinen Armen und wirkte durchaus bedrückt. Er schien als würde er seine eigentlich berechtigte Trauer unterdrücken zu wollen. So war Vater, er wollte immer viel stärker wirken als er sich in manchen Momenten fühlte.

Ich lief so schnell ich konnte zu meinem Vater und erzählte ihm voller stolz von dem Tee welchen wir für Mama gekocht hatten und zeigte dann zu Astra rüber. Diese machte gerade mit dem Tablett in den Händen etwas Platz für die beiden Männer mit der Liege. Auf dieser lag nun etwas unter dem weißen Tuch.

Das etwas legten sie samt dem Tuch in ein Boot und Astra stellte dann auch noch den Tee dazu. "Hey, warte mal der ist doch für Mama." rief ich ihr entsetzt zu. "Ja Junge, deine Mama liegt jetzt im Boot wir hatten doch abgemacht, dass sie ihn auf ihrer Reise trinken wird.. Na komm lass uns zusammen winken." Sie weinte. Warum weinte sie? "Aber ich habe mich doch noch gar nicht verabschiedet und sie hat mir auch noch nicht gesagt wann sie wieder zurück kommt." Auch ich fing an zu weinen.

Die Menschen beobachteten stumm das Geschehen, einige Frauen drehten sich zu ihren Männern um ihre Gesichter zu verbergen. Vater übergab meinen kleinen Bruder in die Arme Astras und nahm mich an die Hand. Zusammen gingen wir zu dem Boot, die Menschen bildeten eine Gasse und folgten uns weiterhin stumm mit ihren Blicken. Vater hatte seinen Blick starr nach vorne gerichtet und würdigte mich keines Blickes, auch wenn ich mehrmals an seiner Hand zog. Ich fühlte mich nicht wohl dabei durch so viele fremde Menschen zu gehen. Horus legte unsere Hände an den Rand des Bootes und schubste es mit den flüsternden Worten "Meine Seele bleibt für immer dein." in die Mitte des Sees. 

Kurz darauf zog mich Astra wieder zurück in die Burg und ließ mich nicht nach hinten zu dem See schauen, auch nicht als der Gestank eines Feuers die ganze Lichtung übernahm. Ich verstand nicht was vor sich ging und versuchte mich aus ihrem Griff zu lösen. Wollte Mama mir denn nicht einmal tschüss sagen?

Ich war so ein dummes Kind. Mama hätte nicht tschüss sagen können. Mama würde mir nie etwas sagen können. Sie würde nie wieder aufwachen. Mama würde für immer kalt bleiben. Eisig kalt.

Seit dem Tag umgab auch mich diese Kälte. 


MythosWhere stories live. Discover now