[Kapitel 1/Teil 5]

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*Noan POV*

-Mitte des 19. Jahrhunderts-

Trotz dem Verlust seiner Gefährtin kümmerte sich Horus um mich als würde er mir meine Verlorenen Jahre mit meiner Familie wieder zurück geben wollen. Er behandelte mich wie seinen leiblichen Sohn und begründete dies immer nur ganz knapp mit den Worten "Er ist ein Teil von meiner Tindra."

Torin hingegen hatte er nicht halb so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie mir, egal wie oft ich ihn ermahnt hatte weigerte er sich etwas an seinem Verhalten zu ändern. Er schien Torin irgendwie die Schuld an dem Tod unserer Mutter zu geben, auch wenn er diese Annahme immer verneinte.

Torin verdiente solch einen Umgang nicht, auch er ist ein Teil unserer Mutter und zudem der eigentlich leibliche Sohn des Königs. Mein Bruder war alles was mir von unserer Mutter geblieben war, also übernahm ich einen Teil seiner Erziehung sobald ich merkte wie die Väterlichkeit Horus' hinkte, meine Mutter hätte das ganz bestimmt auch so gewollt. Astra stand mir da immer zur Seite, als die Zofe und auch als die beste Freundin unserer Mutter.

Nun stand ich an der Wand gegenüber der Schlafzimmertür und wartete auf Torin, etwas wichtiges musste klargestellt werden. Auch wenn wir schon vorher darüber gesprochen hatten wollte ich ihm nochmal versichern, dass es mir, auch nach den letzten Worten unseres Vaters, ernst war.

Als ich hörte wie Torin die Tür aufmachte kniete ich mich auf mein rechtes Knie und senkte meinen Kopf. Ich wusste, das würde ihn zum lachen bringen und trotzdem würde er die klare Botschaft hinter dieser übertriebenen Geste verstehen. "König Torin der erste seines Namens, der Rechtmäßige Thronfolger." sagte ich laut und deutlich damit auch Eron hörte, dass ich meinem Bruder meine Loyalität schwur. Eron wartete ganz bestimmt ganz in der Nähe auf Torin. Noch immer war ich ihm ein Dorn im Auge.

Eine Hand legte sich auf meine linke Schulter "Ach, steh schon auf Bruder." Er schmunzelte. Ich war sehr stolz auf meinen kleinen Bruder, denn er hatte mir nie die Schuld dafür gegeben, dass mich sein Vater bevorzugte. Ich war ganz stolz auf ihn, denn er würde ganz bestimmt bald ein guter Anführer werden auch wenn er noch zu jung war und ihm etwas an der Autorität fehlte.

In den Alten Büchern unserer Vorfahren nannte man Wesen die mit einer starken Ausstrahlung purer Autorität gesegnet waren "Alpha". Sie hatten sich ein Beispiel an den Wölfen genommen und wollten sogar die Rangfolge dieser majestätischen Tiere in unser alltägliches Leben einführen. So würde der König zum Alpha und die rechte Hand zum Beta werden.

Vater hatte die Ansichtsweise unserer Vorfahren übernommen und wollte in den nächsten Jahren den Amt des Königs abschaffen, dadurch erhoffte er sich ein besseres Gemeinschaftsgefühl unter dem Volk, denn als König konnte er sich nicht um alle einzelnen Bürger kümmern. Doch ein Alpha in jedem Reich würde viel besser den Wünschen und Bedürfnissen des Volkes, des Rudels, nachgehen können. Horus hatte uns seinen genauen Plan noch nicht erklären können. Noch wusste niemand außer Torin, Eron und ich von seinen Plänen.

Die Bücher jedoch waren jedem bekannt, denn die Bibliothek stand allen offen die das Lesen gelernt hatten. Horus hatte sogar eine neue Tür bauen lassen durch die das Volk in die Bibliothek unter der Burg kam ohne durch die besagte Burg irren zu müssen. Viele glaubten die Macht eines Alphas käme direkt aus dem Mutterleib doch war ich mir sicher, dass man nicht mit purer Autorität geboren wurde sondern die Lebensumstände einen dazu drängten stärker zu werden.

Vater glaubte, dass mir an der Ausstrahlung eines Alphas nichts fehlte, doch hatte das nicht gereicht mich dazu zu überreden den Amt meines Bruders streitig zu machen.

Mit einer brüderlichen Umarmung machten wir uns auf den Weg in den Thronsaal, kurz darauf stieß auch Eron zu uns. Dieser senkte nur kurz seinen Kopf mit einem festen "mein König"

"Danke Eron. Du weißt was zutun ist." sagte Torin monoton sich ganz sicher bewusst, dass es Eron ganz und gar nicht gefallen würde.

Das sollte ihm auch nicht gefallen.

Eron war bis heute die rechte Hand unseres Vaters und würde nun das letzte Mal in seinem Amt dem Volk etwas verkünden. Den Tod seines Königs. Ab dem heutigen Tag würde ich seinen Amt übernehmen. Wie Vater sagte war Torin wirklich noch Jung und fast noch grün hinter den Ohren. Eron hätte ganz sicher versucht Torin zu seinen Gunsten zu beeinflussen um seine Wünsche und Vorstellungen durchzusetzen. Er hielt nicht viel von der wölfischen Lebensweise, denn so würde er mit allen anderen gleichgestellt werden. Ein alter "Beta" wäre nun mal nicht mehr als das, denn jedes Rudel hätte "alte Betas". Doch die alte rechte Hand des Königs würde noch etwas mehr Respekt genießen. 

Wir hatten ihm von unseren Plänen Vaters Wunsch durchsetzen zu wollen nichts genaueres erzählt, so wusste er nicht, dass wir die Anführer der neuen Gebiete nicht "Alpha" sondern Lord nennen würden um die Menschlichkeit zu wahren. Das Volk sollte unsere Entscheidung, durch die abnormale Namensgebungen, nicht für weniger bedeutsam halten.

Eron war für seine Eigenarten bekannt. Nur Vater wusste damit wirklich umzugehen. Der alte Mann steigerte sich immer etwas zu sehr in seine Rolle als rechte Hand, so dass er sich viel zu wichtig nahm. Ab heute war Schluss damit. Keiner würde mehr unter seiner herrisch arroganten Art leiden müssen.

Ab heute würde alles anders werden.

MythosWhere stories live. Discover now