44. Der Belastungstest

3 0 0
                                    

„Ich habe schlechte Nachrichten", sagte Daemonica beim Frühstück. „Nächste Woche kommt das Ministerium für Soziales, Magie und Inklusion zur Prüfung. Ich bin zuversichtlich, dass wir bestehen. Seit ich den Zirkus leite, sind nur zwei rausgeflogen, und das war vor neun Jahren."
„Rausgeflogen?", wiederholte Dorian angstvoll.
„Sie prüfen jedes Jahr, ob bei uns allen die Alltags-und Zirkusfähigkeit gegeben ist. Bei erheblicher Eigen- oder Fremdgefährdung wird der Angestellte in die Psychiatrie eingewiesen."
„Ohne Aussicht auf Entlassung", kündigte Nonvisum mit einem bösen Lächeln an.
„Keine Angst, Furor. Sie bewerten sehr großzügig", tröstete Daemonica.
„Wie läuft der Test ab?"
„Sie konfrontieren dich mit deinen größten Ängsten oder einer massiven Bedrohung und stellen fest, ob du angemessen darauf reagieren kannst. Das heißt, dass deine Kräfte nicht von allein losgehen sollten, und selbst wenn, dass sie dann niemanden verletzen."
„Meine größte Angst ist, mich zu verwandeln." Nonvisum lachte ihn aus:
„Du machst das jeden Tag."
„Das heißt nicht, dass ich keine Angst davor habe!", entfuhr es ihm laut. Ich habe das Monster akzeptiert, aber es muss auch mich akzeptieren. Solange es sich mir verweigert, wird die Angst uns trennen.
„Ist es die Verwandlung selbst oder das Urteil, das andere darüber fällen könnten?", hakte Daemonica nach. Er überlegte nicht lange:
„Das letztere."
„In beiden Fällen bist du sehr mutig." Sie vertieften sich wieder in das Frühstück. Dorian musste sich zwingen, die Haferflocken hinunterzuwürgen. Ein Kloß im Hals behinderte ihn. Der Vorbote einer Panikattacke in Form einer Verwandlung. Er sagte sich, dass es Unsinn war, Prüfungsangst zu haben. Dorian sah zu Serena hinüber, die einen Fisch skelettierte. Wenn sie, die ständig verwandelt war, die Prüfung mehrmals bestanden hatte, dann würde es auch ihm gelingen.

Er vertraute sich nicht. Er musste für die Prüfung trainieren, selbst wenn sie leicht war. Er ging in den Wald und erzwang eine Verwandlung, indem er sich einen Stein gegen den Kopf schlug. Dann stoppte er die Zeit seiner Rückverwandlung.
„Eine Minute, zweiunddreißig Sekunden. Das muss noch schneller werden!"
„Armselig", sagte Nonvisums körperlose Stimme hinter ihm.
„Bist du mir etwa gefolgt? Ohne Kleidung?"
„Wer kennt ihn nicht, den guten Nacktspaziergang? Ich meine, dass es armselig ist zu üben. Du kannst diese Prüfung nicht mit Übung bestehen. Du warst schon mal in der Psychiatrie und bist noch ein paar Monate auf Bewährung. Das wissen sie. Also ist es wahrscheinlich, dass sie dich wieder einweisen."
„Solange ich keine Straftat verübe, weist mich niemand ein."
„Man weiß nie, in welcher Laune sie kommen." Dann ließ er ihn allein, zumindest hörte Dorian, wie sich Schritte entfernten. Er übte weiter. Die nächste Rückverwandlung erfolgte schneller, vermutlich weil der Großteil seines Potenzials in die erste Verwandlung geflossen war.

Er kehrte zurück und stieg mit Badehose in Serenas Aquarium.
„Kommst du zur Abkühlung?", fragte sie.
„Nein, ich muss für die Prüfung trainieren. Drück mich unter Wasser. Ertrinken gehört zu meinen größten Ängsten. Wenn ich mich nicht verwandle, werde ich bestehen."
„Furor, solange das Ministerium nichts über deine größte Angst weiß oder sie nicht nachbilden kann, bringen sie ein gefährliches Tier mit. Daemonica setzen sie eine Tarantel auf den Kopf. Sie hasst Spinnen. Mir haben sie Piranhas ins Wasser getan. Aber da ich nicht geblutet habe, haben sie nicht angegriffen. Bei jedem Tier gilt: Wenn du es nicht provozierst, greift es nicht an. Darum habe ich jetzt keine Angst vor Piranhas mehr."
„Tu es trotzdem. Bitte."
„Ich kann das nicht mit meinem Gewissen vereinbaren." Also holte er sich einen Felsen, stieg noch einmal die Treppe zum Aquarium hinauf und ließ sich mit dem Stein auf den Grund sinken. Dort legte er ihn auf die Brust. Serena versuchte, ihn zu heben, und scheiterte, weil Dorian ihn festhielt.
„Boas, Furor will sich umbringen!", rief sie daher zu seinem Wohnwagen hinüber. Er stürmte sofort los. Seine langen Arme griffen in das Becken, krochen wie Schlangen zum Grund und schoben mit aller Kraft den Stein von seiner Brust, während Serena seine Arme festhielt, sodass er nach oben stieg.
„Ich hätte mich nicht umgebracht. Ich wäre aufgetaucht, wenn mir die Luft ausgegangen wäre. Ich wollte nur sehen, ob ich mich verwandle. Da das nicht geschehen ist, habe ich die Prüfung bestanden und werde auf weitere todesnahe Übungen verzichten." Tropfend entstieg er dem Becken. Und missmutig, weil ihm nicht erlaubt wurde, bis zum Ende auszuhalten.

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Apr 14, 2023 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

Ein Mann, ein MonsterWhere stories live. Discover now