Kapitel 12: Gefangen

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Langsam trat ich einen Schritt zurück, den Blick immer noch auf ihn gerichtet. Er blickte zu mir auf und schien zu realisieren, was ich vorhatte.
„Em" keuchte er, seine Stimme klang bedrohlich.
„Em, Nein!" seine Stimme wurde heller und ich konnte jetzt echt die Verzweiflung hören.
„Bitte." Ich sah, wie schwer es ihm fiel diese Worte auszusprechen. Er wirkte so schwach. Ich trat noch einen Schritt zurück. Er sah mich nur flehend an. So flehend! Ich konnte ihn doch nicht hier liegen lassen! Vielleicht würde er verbluten, erfrieren, gefressen werden. Und das nur weil ich es zugelassen hatte. Ich wollte nicht für einen Tod verantwortlich sein. Ich konnte ihn einfach nicht da liegen lassen. Ich musste ihm helfen. Vielleicht sagt ihr, ich bin dumm. Und ja wahrscheinlich bin ich das auch, aber ich hatte ein Herz. Ich würde es mir nie verzeihen können, falls er starb. Innerlich verfluchte ich mich selber dafür, das ich es nicht übers Herz brachte, ihn einfach da liegen zu lassen. Ich werde auch fliehen ohne jemanden umzubringen. Es muss einfach klappen.

Also kam ich ganz langsam auf ihn zu, den Blick auf sein Gesicht gerichtet. Sein Gesicht war immer noch vor Schmerz verzerrt, allerdings hoben sich seine Mundwinkel immer mehr. Ich konnte nicht umhin, zurück zu lächeln. Ich schob meine Schulter unter seinen Arm und er legte seinen Arm um meine Schulter. Ganz langsam richtete ich mich auf. Er war verdammt schwer und verlagerte eine Menge seines Körpergewichtes auf mich. Wir kamen nur schleppend voran und wir mussten immer wieder Pausen machen, damit ich nicht unter seinem Gewicht zusammenbrach. Keiner sagte etwas.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, kamen wir wieder am Irrgarten an. Ich setzte ihn sachte auf dem waldboden ab und drehte mich zur Tür um sie aufzumachen. Ich hatte sie geöffnet und wollte sie gerade aufstoßen um ihn reinzubringen und dann schnell zu fliehen. So würde keiner verletzt werden und ich wäre frei!
Plötzlich spürte ich, das etwas gegen mich fiel. Ich stürzte nach vorne. Dieser Mistkerl hatte  sich an einen Baum gestützt aufgerichtet und sich jetzt gegen mich geworfen, sodass wir beide durch die Tür ins Haus stürzten. Ich war komplett verwirrt, wollte ihn anschnautzen, doch er sprang auf, schnappte den Schlüssel neben  der Tür, durch die wir gerade gekracht waren. Schloß diese verdammt schnell zu und schloss ein winziges Fenster auf. Dann warf er den Schlüssel dort raus. Sofort brach er schwer atmend zusammen und verzog das Gesicht schmerzverzerrt. Allerdings grinste er auch übers ganze Gesicht. Und diesmal machte mir sein Grinsen Angst.
„Was zum...."
Ich beendete meinen Satz nicht, da mir die Wörter im Hals stecken blieben. Er hatte den Schlüssel aus dem Haus geworfen. Alles war zugeschlossen. Ich war hier gefangen. Mit ihm. Ohne Ausweg.

Blue eyes - looking into my soulWhere stories live. Discover now