Kapitel 9: Zeit schinden

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Irgendwann öffnete sich die Tür und mein Entführer kam wieder. Er schaute mich durchdringend. Jede Aggression oder Wut war aus seinem Blick verschwunden, im Gegenteil, in diesem Moment sah er unglaublich nett und freundlich aus. Als hätte er nicht den Arm meines Freundes aufgeschlitzt.. dachte ich bitter.

„Naaaa, hast du mich schon vermisst?"

„Träum weiter"

Er grinste nur. Ohne seine Augen von mir abzuwenden, öffnete er meine Ketten. Er deutete mir mit einer Handbewegung an, durch die Tür nach draußen zu gehen.

„Lass sie erst frei!" ich versuchte mutiger zu klingen, als ich mich fühlte.

Er machte einen Schritt auf den Schrank zu. Ich wusste genau, was er andeuten wollte.

„Können wir ihnen Wasser geben?", gab ich jetzt kleinlaut von mir. Irgendetwas musste ich doch rausschlagen können! Ich selbst hatte schon so einen Durst und ich hatte beim Frühstück etwas getrunken.
Er sah mich kurz mit einem durchdringenden Blick an und ich verstand sofort was er mir sagen wollte: Mach kein Scheiss oder du wirst es bereuen. Mit diesen Stummen Worten begab er sich zur Tür und schloss sie nicht ab, nachdem er rausgegangen war. Für einen kurzen Moment wollte ich weglaufen, aber das war offensichtlich ein Test. Ich werde mir sein Vertrauen erschleichen und dann verschwinden, so machen wir das! Mit den Jungs versteht sich.

Da kam mir eine Idee: ich öffne ihre Fesseln und sie tun so als wären sie noch gefesselt, damit sie dann später abhauen können. Das flüsterte ich ihnen dann auch zu und fügte noch hinzu, das ich ihn ablenken werde. Ok... wie machen wir das. Ich schaute mich im Raum um. Der Schrank! Da ist mit Sicherheit ein kleiner Dolch, mit dem ich das Schloss aufbekomme! Zumindest hoffte ich das.. Besser noch! Sie sollen den Dolch bei sich verstecken um sich später zu befreien und bewaffnet zu sein. Ich kam mit dem Dolch auf sie zu und in dem Moment, öffnete sich die Tür wieder. Ok lenk ihn ab! Lenk ihn ab!

„Ich werde nicht zulassen, das du nochmal verletzt wirst. Alles wird gut." mit diesen Worten trat ich zurück, ich hatte den Dolch einfach in Jans Hosentasche gleiten lassen. Innerlich klopfte ich mir selbst für meinen kleinen Dialog auf die Schulter. Jetzt musste ich ihn nur noch sehr viel länger ablenken... Ich drehte mich zu dem Mann, mit den blauen Augen um und er stand da mit 3 Gläsern.

„Wenn du auf mich hörst, dann kannst du es verhindern." er grinste wieder. Seine Augen funkelten wieder auf diese komische Art und Weise.
Ich werde seine Aussage gekonnt ignorieren. Dann schnappte ich mir die Gläser und drückte sie den Jungs in die Hand. Gierig tranken sie aus. Ich stellte die leeren Gläser zurück auf das Tablett, was der Blauäugige immer noch in der Hand hielt. Dieser nickte zufrieden. Ich griff seine Hand und zog ihn aus dem Raum. Schnell weg, bevor er was sieht. Ich hatte Jans Gesicht gesehen, das Messer hatte seine Hosentasche aufgeritzt und bevor es noch irgendwie zum Vorschein kam, mussten wir schnell weg.

Überrascht lies er sich mitziehen. Bis ich bemerkte, ich wusste gar nicht wo ich hin sollte. Als ob er meine Gedanken gelesen hätte, lief er vor mich und zog mich mit. Schließlich bogen wir um eine Ecke und plötzlich wurde ich voller Wucht gegen eine Wand gedrückt. Die Arme stützte der Typ, der mich wieder durchdringend ansah, neben meinem Kopf ab. Seine Augen verdunkelten sich leicht. Aber ich bemerkte es. Was hatte ich den jetzt schon wieder gemacht? Da war wieder diese Angst, aber ich wollte mich von ihm nicht einschüchtern lassen! Ich entgegnete seinem Blick und hielt den Blickkontakt, auch wenn es mir schwer fiel.

„Was hast du vor?" er sah mich nachdenklich und misstrauisch an. Doch da war auch eine Spur von Wut.

„N-nichts", log ich.

„Lüg.mich.nicht.an!"  Er war mir jetzt so nah, das ich seinen Atem spüren konnte.
Seine Augen wurden von Sekunde zu Sekunde dunkler. Etwas musste her.

„I-ich..."

„Was du?" blaffte er mich an.

„Ich wollte aus dem Raum raus, ich fand ihn gruselig. Ich wollte schnell weg. Es war so kalt." Ja, das war gut! Ich klopfte mir innerlich selbst auf die Schulter. Hoffentlich  bemerkte er meine kleine Notlüge nicht. Ok jetzt MUSST du Blickkontakt halten, sonst fliegt alles auf! Es wird klappen! Es wird klappen! Es muss klappen... Nach unerträglichen Sekunden, die sich wie Stunden angefühlt hatten, wurden seine Augen wieder heller, sie nahmen wieder dieses wunderschöne ozeanblau an. Er schien zufrieden.

„Du bist ja voll der Angsthase", gluckste er.

„Du hast vor meiner Nase einem Menschen der Arm aufgeschlitzt... Denkst du mich lässt das kalt?"
So viel zu vertrauen gewinnen. Doch anscheinend schien er nicht verärgert. Zum Glück! Stattdessen grinste er belustigt. In seinen Augen glitzerte wieder dieses Gewisse etwas, was ich einfach nicht beschreiben konnte. Er fand es also lustig Leuten den Arm aufzuschlitzen, da fühle ich mich gleich viel wohler...

„Komm mit. Du musst auch was trinken."
Seine Hand schoss nach vorne um mein Arm zu packen, damit er mich mitziehen konnte. Dachte ich zumindest. Kurz davor hielt er inne und schien nachzudenken. Er hielt sie mir nur hin und wartete. Sie sah schon sehr einladend aus und war bestimmt warm. Meine Hand war einskalt, so wie mein ganzer Körper. Ich wollte ja sein vertrauen gewinnen. Außerdem musste ich Zeit schinden und wir mussten schnell ganz weit weg vom Keller und vom Ausgang dieses Irrgartens. Ich zögerte allerdings. Ich schaute in seine Augen, die immer noch so schön blau funkelten. Ich legte meine Hand sachte in seine und er griff ganz sanft um meine Hand. Sie war wirklich warm, diese Wärme durchströmte meinen ganzen Körper und ich musste unverzüglich lächeln. Als ich sein Gesicht sah, lächelte er ziemlich breit, wirklich sehr sehr breit! Es sähe schon irgendwie süß aus, wenn es da nicht bestimmte... Umstände gäbe... Er zog mich fordernd, aber nicht grob mit sich mit und ich folgte ihm ohne zu murren. Alles wurde wieder einladender und ich fühlte mich wieder wohler. In der Küche hielt er an. Er reichte mir ein Glas Wasser.
„Hast du Hunger?" Perfekt. Das kostet ihn Sicherheit genug Zeit! Ich nickte.
„Hilfst du mir?" fragte er mich. Er sah es als Selbstverständlichkeit an, selbst zu kochen. Er machte nichtmal fertig Zeug. Alles selbst. Für einen Entführer, war er ein richtiger Gentleman. Ich muss sein Vertrauen gewinnen sagte ich mir immer wieder.

„Ja klar."

„Super! wir machen Nudeln mit Tomatensoße. Du kannst schonmal die Tomaten schneiden."
Er klatschte wie ein kleines Kind in die Hände. Immer noch war er am dauergrinsen. Er wirkte so glücklich und so unschuldig, wenn man sich ihn so anschaut. Irgendwie war es ansteckend. Ich musste auch lächeln und es war echt. Ich weiß, ich bin verrückt. Doch für diesen kurzen Moment, konnte ich meine ganzen Sorgen vergessen.
Er holte ein Schneidebrett raus und ein Messer. Dazu die Tomaten, das alles legte er auf die Arbeitsplatte. Er widmete sich Gewürze rauszusuchen und irgendwelche andere Kräuter oder Sachen, die sonst noch so in die Tomatensoße kommen.

Ich schnitt alle Tomaten klein und warf sie in den Topf, den er rausgeholt hatte. Danach kippten wir alle anderen Zutaten zusammen rein und kochten die Nudeln. Dann pürierte er die Soße und ich deckte den Tisch. Es roch wirklich köstlich und ich bekam immer mehr Kohldampf. Schließlich saßen wir und gegenüber und er sagte ich solle reinhauen, immer noch breit grinsend. Ich wünschte ihm noch guten Appetit. Natürlich nur um sein Vertrauen zu gewinnen und lies mir das nicht zweimal sagen. Auch er lies es sich schmecken.
Irgendwann ergriff er wieder das Wort. Bei seinen Worten realisierte ich, wie dumm ich gewesen war.

„Du hattest ein Messer, du hast nicht versucht, es gegen mich zu benutzen."

Blue eyes - looking into my soulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt