Kapitel 2: nächtlicher besuch

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Da hörte ich endlich die ersehnte Stimme einer meiner Freunde. Es war Henry.
„Hey, wie gehts dir... alles ok? Du siehst irgendwie fertig aus..."
Ich schaute auf und blickte in seine Augen. Ohne etwas zu sagen lief ich auf ihn zu und warf mich in seine arme. Er war kurz überrascht, erwiederte die Umarmung dann aber wortlos. Dafür liebte ich Henry. Er war immer da wenn man ihn brauchte und wusste immer, wie es einem besser ging. Er schien zu bemerken wie du dich fühlst und interessierte sich auch dafür. Er war einfach gutherzig. Die Umarmung fühlte sich so gut an! Endlich bekam ich die Wärme und Sicherheit, die ich brauchte. Ich wollte, das dieser Moment für immer hielt. Aber das tat er nicht.
„Ich will ja ungern den Moment zerstören, aber Leon wartet schon. Wir wollen los. Kommt ihr?"
Das war Jan. Ja, ich hatte nur männliche Freunde. Wir hatten uns bei der ersten Begegnung super verstanden und seitdem waren wir unzertrennlich. Wir ergänzten uns einfach perfekt gegenseitig und ich war unglaublich froh, die drei in meinem Leben zu haben.
Ich löste mich widerwillig aus der Umarmung und trottete hinter Henry her, der hinter Jan lief. Innerlich verfluchte ich Leon, er war einfach so ungeduldig. Dementsprechend redete er auch viel und es wurde nie langweilig mit ihm. Aber musste er diese Umarmung zerstören?!

Der Tag verging wie im Flug. Wir redeten und redeten. Vorne ran natürlich Leon. Jan lenkte nebenbei das Boot. Er konnte irgendwie alles und wusste irgendwie auch alles. Er hatte immer eine Lösung für alles und sein Allgemeinwissen war einfach legendär. Ich vergaß alle Sorgen vom morgen. War glücklich. Naja nicht lange. Abends, nachdem wir ein paar Brote gegessen hatten, gingen wir alle in unsere Zimmer. Die Jungs teilten sich eins und ich bekam mein eigenes. Es hatte von der Raumeinteilung gut gepasst und so konnte sich jeder im Zimmer umziehen. Nachdem ich mich fertig gemacht hatte, legte ich mich in mein weiches Bett und kuschelte mich in die Decke. Ich lächelte so vor mich hin und schloss friedlich die Augen um seelenruhig einzuschlafen. Tja, zu früh gefreut. Sobald meine Augen geschlossen waren, kamen alle Bilder wieder. Von meinem Sterbenden Bruder. In meinem Kopf hallten die Worte „Ich werde immer bei dir sein, Zwergli" wider. Dann wiederholte sich nur noch das Wort Zwergli und ich blickte in das bedrohlich grinsende Gesicht des Mannes von heute morgen. Seine Stimme wirkte nicht weniger bedrohlich und mir wurde schrecklich kalt. Tränen flossen mir die Wangen hinab und mein Bauch zog sich schmerzlich zusammen. Diese erdrückende Kälte. Ich zitterte am ganzen Leib. Traurigkeit erfüllte mich. Ich vermisste meinen Bruder so sehr! Plötzlich war da so viel Wärme. Es tat einfach verdammt gut. Ich wurde zur Wärme hingezogen und von ihr umschlungen, sie breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Sie verscheuchte die Kälte und die Tränen versiegten. Mein Körper entspannte sich und ich genoss jede Sekunde. Alles schreckliche wurde verbannt und es gab nur noch diese Wärme in mir. Ich fühlte mich geborgen, sicher. Seelenruhig driftete ich in das Land der Träume ab.

Als ich erwachte, lag ich in meinem super weichen bett in meiner super weichen Bettdecke eingekuschelt. Alles war so friedlich und wunderbar bis... ich schreckte hoch! Scheisse! Ich erinnerte mich an gestern. An die Wärme. Was konnte sich wohl um mich schlingen und mich zu sich ziehen? Genau ein Mensch! In meinem Bett! Und was hatte ich getan? Mich wohlgefühlt. Ein Schauer lief mir über den Rücken, denn irgendwas sagte mir, das es keiner der 3 Jungs aus dem Zimmer nebenan war...

Blue eyes - looking into my soulWhere stories live. Discover now