Chapter Fifty-Nine

626 50 22
                                    

Dalia Sanderson

»«

Wähle

Meine Füße stolpern immer wieder übereinander. Meine Schritte werden schwerer, mein Atem weniger. Die Sicht trüber. Der Wunsch einfach zu fallen und nicht wieder auf die Füße gezogen zu werden größer. Aber es ist nichts gegen den Wunsch von Samuel hier rauszukommen. Er zieht mich mit einer Erbarmungslosigkeit durch die Gänge, ohne auch nur einmal zurückzuschauen. Falle ich, zieht er mich. Stürze ich, zerrt er mich weiter. Versuche ich stehen zu bleiben, reißt er mich an meinen Haaren und Fesseln weiter. Mir schwirrt der Kopf, mir ist Übel, auf meinem Ohr ist ein permanenter Ton, der mich verrückt werden lässt. Der mich nichts anderes außer meinem Atem und Herzklopfen hören lässt. Der mich nur an Jules und Charlene denken lässt. Sie war in dem Raum. Wieso hat er sie nicht mitgenommen? Wo war Jules? Wo ist sie?

Ich glaube nicht das ich weine und doch rinnt etwas abermals meinem Gesicht entlang. Dann glaube ich doch, dass ich weine, aber als sich die Flüssigkeit auf meiner Lippe verteilt und der Geschmack von Blut mehr wird, weiß ich auch, was ich da schmecke.

"Samuel ... ich ... ich kann nicht." Mein Japsen wird mir Schweigen ignoriert, als er seinen Griff fester in meinen Haaren sichert und weiter zerrt. Als seine Schritte so beherrscht und wütend sind, dass ich etwas ganz anderes verstehe. Er hat keine Ahnung was er machen soll. Er ist das erste Mal auf sich gestellt. Das alles hier hat Artjom veranstaltet. Das davor kam von Lionel. Aber jetzt gerade, hat er keine Ahnung. "Warte. Samuel ... warte!" Mein Schrei lässt ihn tatsächlich innehalten. Meine Entschlossenheit. Meine stumme Warnung. Es dreht sich alles um mich herum, als er auf mich hinunterschaut. "Ich habe eine Idee." Raune ich vertrauensselig genug, dass er einen weiteren Moment innehält. "Ich ... ich habe eine Idee." Wiederhole ich mehr für mich, als für ihn. Denn ... ich brauche eine Idee. Irgendeine die ihm zeigt, dass wir beide hier verschwinden wollen. "Jules hat mir von einem Ausgang erzählt. Im Keller." Unser eigentlicher Fluchtplan. "Sie wollte abhauen. Dort. Es ist Nacht, sie umzingeln wenn nur eine Seite, weil sie davon nichts wissen."

"Wo kommt man raus?" Seine Stimme lässt mich mein Herz zusammenziehen, denn es ist jene Stimme die mir zeigt, dass er jedes Mitleid verdient. Er ist so hilflos. So verloren. "Hinter einem Fluss. Nördlich vom Anwesen." Jules hat es einmal geschafft dadurch zu entkommen. Und sie lief geradewegs dadurch in Lionels Arme. Wir aber müssen nur in die Nähe kommen. "Wie kommt man dahin?" Ich muss ein weiteres Mal Luft holen, weil sie mir so sehr abgeschnitten wird, als ich ich es versuche zu sprechen. "Zurück. Wir müssen dafür zurück." Seine Augen ziehen sich zu schmalen Schlitzen, als er hinter mich blickt. Als er mich anschaut. Als das Misstrauen in ihm zurückkehrt. Seine Hand schlingt sich um meinen Hals, sein Körper drängt den meinen gegen die Wand. "Wenn das eine Falle ist–"

"Ist es nicht." Krächze ich hervor. "Du wolltest mein Vertrauen. Lass es mich beweisen. Vertraue mir Samuel." Unter angehaltenem Atem warte ich seine Starre ab. Seine Reglosigkeit. Sein Denken. "Wir haben–"

Seine Lippen unterbrechen mich. Schlucken jedes Wort von mir, während er so wartend meine Lippen einnimmt, dass ich einige Momente brauche, um zu verstehen, was er da gerade tut. Er sucht die Lügen. Das Misstrauen. Und es benötigt jeden Nerv von mir, ihm zu zeigen, wie sehr er mir vertrauen kann. Ich ziehe meinen Kopf von ihm weg, sehe bereits, wie sich seine Muskeln anspannen, als ich meine aneinander geketteten Hände heb und sie um seinen Hals schlinge. Als ich mich auf die Zehenspitzen stelle und seine Lippen koste. Alles von ihm fordere, damit er alles von mir nimmt, was ich ihm zu geben glaube. Seine Finger greifen fester in meine Haut, als er mich gegen die Wand drängt, als ich keine Ahnung habe wessen Blut ich schmecke. "Wir müssen los." Raune ich an seine Lippen, schmecke das Vertrauen, welches er mit dem Nicken auslöst, ehe ich meine Hände wieder an mich nehme und spüre wie er mich an meinem Oberarm packt und wieder zurück schleift.

Shattered SoulsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt