Chapter Eighteen

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Irgendwie habe ich gestern vergessen eine Frage zu stellen, die mich wirklich brennend interessiert hätte. Nämlich:

Wieso hat Samuel auf Lionel gehört?

Also quasi Lias Frage an euch gerichtet. Zwar kenne ich bereits von einzelnen die Vermutungen aus vorherigen Kapiteln, allerdings interessiert es mich zielgerichteter.

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Dalia Sanderson

»❃«

Instinkte

"Wieso?" Schiebe ich verzweifelt hinterher und umklammere meine Arme um mich selbst zu halten. Um mich selbst dabei zu stoppen näher an ihn heran zutreten. Denn so sehr ich dieses Bild vor mir glauben möchte, so sehr spüre ich noch seinen festen Händeabdruck auf meiner Haut. Ich rieche das kalte Kellergewölbe. Ich erinnere mich an die Verlorenheit, als ich in diesem endlosen Gang stand. Ohne Aussicht. Mit so viel Angst, dass nicht einmal ein einziges Leben dafür gereicht hätte. 

Seine blauen Augen senken sich für einen Moment, bevor er mich mit so viel Eindringlichkeit anguckt, dass es mich selbst in die Knie zwingen würde. Würde, wenn ich nicht so sehr auf Distanz gehen würde. 

"Klingt es verrückt, wenn ich dir sage, dass ich keine Ahnung habe?" Meine Hand greift hinter mich, als ich nach der Armlehne greife, mich langsam in den Sessel niederlasse und neben den Bauchschmerzen die salzigen Tränen auf meinen Lippen schmecke. "Tut es nicht." Hauche ich leise. Krächze es hervor, während er seine Ellenbogen auf seine Beine ablegt und seine Hände an seinen Mund presst. 

Die Verwirrung liegt in seinen Augen, als er mich beobachtet. Als er seine Hand nach mir ausstreckt und ich ihn irgendwie machen lasse. Ich lasse es zu, dass er mir die Strähnen hinter mein Ohr streicht. Dass seine Berührung auf meiner Haut brennt und ich doch nicht von seinem Blau wegschauen kann. Die Berührung ist anders, fremder, aber doch so vertraut, dass sich meine Brust zusammenzieht.

 "Wieso werde ich das Gefühl nicht los, dass du so viel mehr weißt, als ich?" 

Meine Lippen zucken, als ich mich schluchzend zu einem Lächeln winde und glaube mir selbst würde schwindelig werden. Was ist wenn Lionel tatsächlich überlebt hat? Wenn er weiterhin in diesem Leben blieb, aber keine Erinnerung mehr an sein altes hat? An mich? An uns. An all die Momente zwischen uns. Wie wir als Kinder zusammen spielten. Wie wir unzertrennlich wurden. Wie unsere Familien zerbarsten und wir nur noch uns hatten. Wie wir begannen älter zu werden. Wir Mori, Hayden und Dante in unser Leben traten. Wie sich die Dinge zwischen uns änderten. Unseren ersten Kuss. Unseren zweiten Kuss. Unsere Berührungen. Unsere Versprechungen. 

Meine Wangen röten sich, als er mir so intensiv in mein Grau schaut, dass ich glaube all das auf meiner Zunge zu schmecken.

 "Klingt es verrückt, wenn ich dir sage, dass ich dich besser kenne, als ich sollte?" Dass ich mehr weiß. Dass ich ihn kenne. Dass ich ihn nie vergessen habe. Aber stattdessen das er darauf richtig eingeht, fährt sein Daumen über meine Wange und nimmt die Tränen mit, die ich für ihn vergossen habe. 

Er beobachtet sie, als seien sie gold. Als seien sie sein Elixier. Ich schaue erst dann wieder in seine Augen, als die Sänfte aus ihnen weicht und ich den gleichen Funken darin schimmern sehe, wie gestern Nacht. Er ist genauso diabolisch wie gestern. Er ist genauso finster und hart, dass ich augenblicklich zurückzucke und meine goldenen Strähnen durch seine Finger gleiten sehe. 

"Die Hoffnung war schon immer etwas trügerisches, Liebes. Brich nicht ohne meine Hilfe. Und nun komm, ich bringe dich in die Küche." Ich kann so schnell kaum reagieren als er aufsteht und nichts als Kälte auf und in mir hinterlässt. Mit verschwommenen Blick schaue ich ihm nach, beobachte seine präzise Körperhaltung – diese Farce, die mir noch nie so falsch vorkam wie jetzt gerade. 

"Du bist nicht er." Sage ich laut genug, sodass er es verstanden hat. Aber erneut – statt einer Antwort schaut er lediglich über seine Schulter und lässt seinen Mundwinkel nach oben ziehen. In seinen blauen Augen blitzt etwas auf. Kurz, dann ist es wieder weg. 

Der Schauder auf meinem Körper aber bleibt. 

»❃«

Ich begegne Jaspers forschen Blick, sobald ich nach Samuel die Küche betrete und versuche so viel Abstand zwischen uns zu bringen, wie es nur geht. Er wirft dem Jungen an dem Tresen nur noch einen verschmälernden Blick zu, ehe sein Blick auf mir verweilt und ... er geht. 

Ich entlasse meinen angehaltenen Atem im selbigen Moment, wie das Jasper von dem Stuhl rutscht und mit gerunzelter Stirn vor mich tritt. "Alles gut?" 

Statt einer Antwort schnaube ich lediglich und werfe einen Blick durch die geräumige Küche. "Jules hat dir dein Frühstück in den Kühlschrank gestellt." Sagt er leise, wodurch ich diesen sogleich ansteure und tatsächlich einen abgedeckten Teller vorfinde, auf dem mein Name steht. Mein Magen rebelliert zwar wieder bei dem Gedanken zu essen, aber ich brauche eine Beschäftigung. Etwas das mich von dem Ablenkt. Von seiner Berührung, seinen Blicken und Worten.  

Für einen Moment dachte ich wirklich es könnte wahr sein. Samuel könnte Lionel sein, aber dann ... war da doch nur wieder diese bodenlose Verwirrung. Ich könnte mich bei dem Geruch des kalten Toasts, des Eis und des Specks übergeben, aber ich zwänge mir dennoch alles rein. 

Mein Blick gleitet zu Jasper. Zu den Momenten wo ich in dem Keller das erste Mal wieder meine Augen aufschlug und ihm entgegenblinzelte. Zu dem Moment wo ich die Toilettentür öffnete und ... Meine Hand senkt sich, während sein Blick offener wird. 

"Wieso das Opernhaus?" Frage ich nach. Er legt seinen Kopf leicht schief, kaut langsamer, bevor er es hinunterschluckt. "Das Opernhaus hat nichts zu bieten. Das bisschen Bargeld kann den Aufwand doch nicht Wert gewesen sein." Füge ich verständnislos hinzu, allerdings schüttelt er leicht seinen Kopf. Als hätte ich etwas übersehen. Als ginge es ihnen nicht um das Geld. "Das Opernhaus hat Gelder veruntreut." Sagt er schlicht, wodurch sich meine Stirn in Falten legt. "Es ist ein Gerücht." Widerspreche ich Jasper, aber auch jetzt schüttelt er seinen Kopf. "Ist es nicht. Das Geld, welches veruntreut wurde, wurde in Ermittlungen gesteckt." 

"Sind sie tot?" Ich schäme mich dafür, dass ich diese Frage so lange für mich hielt. Dass ich nicht einmal an diese Menschen denken wollte. An meine Stiefschwestern, an meine Stiefmutter, an meinen Vater. Jaspers Miene senkt sich augenblicklich, wodurch ich nur Mühe habe, nicht direkt jetzt zu erbrechen. "Einige." 

"Und meine Familie?" Sie werden wissen müssen wer sie sind, sie werden wissen müssen wer zu meiner Familie gehört. seine braunen Augen nehmen erneut etwas so treues an, dass ich mich selbst darin spiegeln sehe. Ich würde ihn am liebsten dafür auslachen, dann aber fällt mir meine eigene Naivität ein und es ist als würde ich seine Dummheit für die meine bestrafen wollen. "Sie leben. Glaube ich zumindest." Ich atme aus. Einmal, dann noch einmal, bevor ich meine Schultern senke. "Ich habe meinen Vater gehasst." Murmle ich leise, als ich auf den halb-leeren Teller schaue und die Kopfschmerzen hinter meinen Augen spüre. 

"Ich habe ihn gehasst, als ich abgehauen bin. Wir hatten nie die Chance irgendwas davon zu klären." Füge ich leise hinzu. Der Hass – mir gegenüber – wirkt so mächtig, dass ich ihn nicht mal unterdrücken kann, als ich wieder aufschaue. Jasper zuckt unter meinem Hass zusammen und doch nehmen seine Züge etwas so sanftes an. So sanft das ich ins Schweigen verfalle und er mit mir. 

So sanft, dass ich diesen Kampf nicht mit ihm austragen kann. 

"Es tut mir leid, wie das alles gelaufen ist, Dalia." Ich antworte nicht auf die leisen Worte Jaspers, aber ich nehme es zum ersten Mal aufrichtig wahr, wodurch ich meinen Mundwinkel traurig nach oben zucken lasse. 

»❃« 

Oh herr je, was sagt ihr zu Samuel und Dalias Gespräch?

Und zu Dalias und Jaspers? 

Zu den Geldern die veruntreut wurden?

Zu Dalias Worte über ihren Vater?

Ich bin seeeeehr gespannt.

Shattered SoulsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt