Chapter Fifteen

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Dalia Sanderson

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Aufgeben

"Du musst essen."

"Dalia, du musst essen." Die Dunkelheit um mich herum weicht schlagartig dem grellen Licht, dass sich auf den Bergspitzen spiegelt. Meine Augen schließen sich gequält, während ich mich nicht gegen die heranreichende Kälte wehre, die mich befällt. "Verdammt, Dalia." Ich nehme den leise Fluchen der dunkelhaarigen kaum wahr, als sie den Teller beiseite stellt. Jules.

Sie stand vor ungenauen Zeiten in meinem Zimmer und hat sich mit jemanden unterhalten. Ihr Name fiel. Der Name der anderen hingegen nicht. Oder ich habe ihn einfach nicht wahrgenommen. Oder es war mir egal.

"Lasse sie Jules, sie ist halb tot." Es ist mir egal.

Es ist mir egal.

Es ist mir egal.

Soll ich doch sterben. Sollen sie meinen Körper doch irgendwo hinbringen – das tun sie doch schon die ganze Zeit.

Es ist mir egal.

Meine Hand wird hart umfasst, bevor mich Jules derartig schnell aufrichtet, dass ich glaube dem Tod wirklich näher zu sein, als dem Leben. Ich hätte nichts dagegen einzuwenden. Nicht einmal ein bisschen.

"Du bist unmöglich, Veronica. Geh in sein Bett und lass deine Launen an Samuel aus!" Es ist nur noch ein Schnauben zu hören, bevor sich die Stille wieder in mich legt. Die Stille die ich seit geraumer Zeit nur noch höre, weil ich nichts anderes mehr hören möchte. "Du darfst sie gar nicht beachten." Warme Hände legen sich auf meinen Rücken, ehe mein Oberkörper nach hinten gleitet und ich von etwas weichem umkapselt werde. Sie setzt sich auf den Bettrand neben mir und keine Sekunde später spüre ich etwas heißes an meiner Lippe. Metall. Oder sowas ähnliches, begleitet von etwas flüssigem. Mir wird augenblicklich übel bei dem ersten Tropfen der auf meine Zunge gleitet.

Ich schaffe es irgendwie meine Hand zu heben. Ich schaffe es irgendwie den Löffel beiseite zu schieben und sie aufseufzen zu lassen. "Es tut mir leid wie das alles gelaufen ist, aber glaube mir,  dass du hier sicher bist." Ich zwinge mich meine Lider aufzuschlagen und ihren grünen Augen entgegen zu schauen. Sie lächelt sanft, sie versucht es zumindest, während ich freudlos meinen Mundwinkel nach oben zucken lasse. "Sicherer als wo zuvor?" Ich habe keine Ahnung wie lange ich nicht mehr gesprochen habe, aber meine Stimme ist schneidend. Und so so leise. Ich habe noch nie jemanden mit meiner Stimme zusammenzucken lassen, aber hier – vor mir – zuckt sie zusammen, als hätte ich sie geschlagen.

"Als da wo du herkamst." Meine Augen ziehen sich zu schlitzen, während sie einen zweiten Versuch wagt mich mit dieser Suppe zu füttern. Ich schlage auch diesen aus. "Da wo sie mich her entführt haben?" Frage ich harsch nach, spüre wie die Schmerzen in meinem Hals zunehmen, wie die Kraft beim Sprechen schwindet, wie ich nichts mehr sein werde. Morgen ist es vielleicht vorbei. Aber so dachte ich auch schon gestern. Und vorgestern. Jules Lächeln nimmt etwas albernes an. "Du wurdest nicht entführt, Dalia. Du wurdest–"

Sie unterbricht sich zeitgleich, wie ich mich aufrichte. Wie ich den Teller nehme, wie ich ihn in einer Bewegung aus ihrer Hand entreiße und ihn an die Wand schleudere. Wie die Kraft in mir zunimmt, als die Tränen über meine Wangen rinnen und der Schmerz über mich rennt. Der Schmerz zu hungern, der Schmerz zu leiden, der Schmerz zu denken.

Die Frau springt genauso schnell auf, wie ich mit meinen Fingern über meine Haut fahre, Spuren und Blut hinterlasse, wie ich es all die Tage gemacht habe, wenn mich die Welle der Verzweiflung erfasst hat. Wenn ich nicht mehr denken und spüren wollte. "Dalia!" Meine Hände werden umfasst, aber statt das ich den grünen Augen entgegen schaue sind es die von Jasper. Er wirkt erschrocken. Verzweifelt, aber bei weitem nicht so verzweifelt wie ich.

"Atme." Es ist nur ein Wispern, welches seine Lippen verlässt, aber es lässt mich so sehr weinen, dass ich es zwar irgendwie schaffe zu atmen und meine Arme wieder an mich zu ziehen, aber es lässt mich genauso weiter zerfallen.

"Woher kommst du?" Jules aufgerissene Augen gleiten von mir zu Japser, welcher sich langsam aufrichtet. "Woher stammt sie?" Ihre Stimme wird lauter, nach der Antwort gieriger, während Jasper seinen Blick weiterhin auf mir liegen hat. "Kommt sie aus Charles Regiment, Japser?" Keine Antwort. "Stammt sie aus Charles Kreisen, Jasper?"

"Nein! Verdammt Jules, nein das tut sie nicht!" Alles beginnt sich um mich herum zu drehen. Die letzten Farben verblassen, der Schweiß rinnt über meine Stirn. "Was macht sie hier?"

"Er wollte sie."

Und dann wird erneut alles schwarz um mich herum.

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Ich beobachte wie meine Haarspitzen durch das Wasser gleiten und wie einzelne goldene Fäden wirken. Das Licht der Sonne bricht sich in dem Schaum, der meinen Körper verdeckt, während meine Finger über meine Haut gleiten. Schauen ob es mein Körper ist oder ob ich mich in dem Traum und der Illusion verliere.

Aber ich spüre den Druck, wenn ich fester auf die Knochen an meiner Hüfte drücke. Ich spüre den leichten Schmerz, wenn ich mir die übrig gebliebene Haut fahre und zukneife. Wenn ich mir über mein Gesicht gleite und die sich heilenden Wunden darauf spüre. Meine Fingernägel wurden gestutzt, sie wurden noch geschnitten als ich schlief oder in der Ohnmacht war. Damit ich mich nicht mehr kratze. Damit ich nicht noch mehr Schnitte in meine Haut setzte.

"Ich habe deine Schubladen mit Kleidung gefüllt." Zögerlich schaue ich von dem Schaum auf und betrachte Jules, welche mir einen Stapel frischer Kleidung auf die Ablage vom Waschbecken legt. "Die hier sollten dir eigentlich passen." Meine Augen richtet sich wieder auf das Wasser, während ich mir ihres Blickes bewusst bin. "Hast du irgendwelche Hobbys oder–"

"Lass es." Durchschneide ich ihren Versuch, während mein Kopf zu ihr schnellt. Sie zuckt nich zusammen, wirkt aber genauso getreten, wodurch sie seufzend in ihre Knie geht. "Ich weiß du möchtest kein Mitleid, keine Gefühlsregungen, aber ... es ist egal was ich sagen würde, denn es wäre alles falsch. Ich wurde verkauft, als ich nicht einmal volljährig war – von meiner eigenen Familie, weil sie Geld brauchten. Ich kam in ein Land, welches nicht meine Sprache kannte und ich kam zu Menschen, die nicht meine Rechte verstanden. Aber wenn ich eins gelernt habe, dann das man die Hilfe annehmen sollte, wenn man sie bekommt, Dalia." Der Trotz in mir lässt mich keine Gefühle zeigen. Die Wut, das Unverständnis in mir, lässt mich am liebsten Schnauben über ihre Geschichte, aber ich halte alles zurück.

"Wo ist er?" Sie beißt sich auf die Lippe, als sie langsam aufsteht und das Handtuch nimmt, um es mir entgegen zu halten. Ich stehe erst aus dem Wasser auf, als sie sich umdreht, sodass ich das Handtuch um mich schlinge. "Gehe ihm aus dem Weg, solange er es zulässt."

"Wo ist er?" Ihre grünen Augen gleiten über ihre Schulter, bevor sie seufzend innehält. "Rede morgen mit ihm oder wenn du mehr Kraft hast. Heute ist schlecht." Ich würde gerne die Gefühlsregung in ihren Augen benennen. Ob es Angst ist oder Respekt. Ob es Furcht ist oder die eigene Mutlosigkeit, aber meine Zunge fühlt sich schwer an. Meine Muskeln zittern allein davon, dass ich jetzt gerade stehe.

Jules seufzt leise auf, bis die Härte aus ihrem Gesicht verschwindet und sie mir hilft in die Kleidung zu kommen. Sie mir hilft mich in das frisch gemachte Bett zu legen, essen zu geben, welches ich auch wirklich esse und Wasser zu trinken, welches meinen dehydrierten Körper wieder zur Kraft verhelfen soll.

Allerdings bin ich mir selbst nicht mehr so sicher, ob sie wirklich möchte, dass ich die Erschöpfung ablege.

Dass ich zu Samuel gehe.

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Was sagt ihr zu Jules? Zu Dalia?

Im nächsten und letzten Kapitel dürft ihr eine andere Sicht erwarten.

Ps. Das letzte Kapitel folgt um 23 Uhr

Shattered SoulsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt