Chapter Twenty-Seven

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Dalia Sanderson

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Überlegungen

Ich habe schon viele Schmerzen erlebt. Ich habe schon die unterschiedlichsten Schmerzen gespürt. Schmerzen die sich ein Mensch nicht vorstellen vermag und Schmerzen die mich derartig eingenommen haben, dass ich sie nicht einmal hätte erklären können.

Aber noch nie hatte ich solche Schmerzen.

Noch nie schmerzte mich mein eigener Körper, mit solch einer einnehmenden Verzweiflung, die mich weinen ließ. Ich habe keine Ahnung was das letztendlich war, aber die Demütigung die mir Samuel mit seinem Verschwinden verpasst hat, hinderte mich daran, ihn aufzusuchen um das zu beenden, was er begonnen hat.

Das und das ich sowieso nicht aus meinem Zimmer gekommen wäre.

Es war eben diese Verzweiflung die mich hat selbst anfassen lassen. Etwas das ich lediglich wenige Male zuvor in Frankreich ausprobiert habe – nur das ich zum ersten Mal wirklich eine Verbesserung gespürt habe. Es war bei weitem nicht gut genug, um am morgen nicht noch seine Berührungen und meine erregte Mitte wahrzunehmen, aber es war genug, um wenigstens wieder schlafen zu können.

Zumindest für ein paar weitere Stunden, bevor Jules in mein Zimmer kommt und der dampfende Kaffee Samuels Geruch übertönt. "So lange lagst du eine ganze Zeit nicht mehr im Bett." Langsam ziehe ich die Bettdecke tiefer und schaue ihr dabei zu, wie sie das Frühstück auf dem Tisch aufbaut, ehe sie sich auf den Boden davor setzt und zu frühstücken beginnt.

Am liebsten würde ich mich den ganzen Tag nicht aus dem Bett bewegen, mich vor Samuel verstecken und ihm am liebsten nie wieder unter die Augen treten. Aber was ist wenn er diese Nacht wiederkommen wird? Wenn er wieder an der Tür stehen wird? Mir steigt die Röte allein bei dem Gedanken auf, ehe mir die Bettdecke weggerissen wird und Jules mit lächelndem Gesicht am Bettende steht. "Ich finde es super, dass du dich ausnahmsweise nicht in die Bewusstlosigkeit trainieren willst, aber ich hätte jetzt gerne Gesellschaft beim Frühstück." Augenrollend richte ich mich langsam auf und streiche mir meine Haare aus dem Gesicht. Die Sorglosigkeit färbt sich auf mir ab, allerdings nur so lange bis ich ihren Blick auf meine Handgelenke folge und nun selbst den bläulich schimmernden Reifen auf meiner Haut erkenne. Ich hatte es nicht einmal in Erinnerung, das er so fest meine Haut umfasst hat, aber ... ich denke an Veronicas Male auf ihrer Haut und versuche den aufkommenden Schauder zu unterdrücken.

"Ich wusste das er jede Nacht hier ist, aber nicht, dass er dich anfasst." Murmelt Jules mit zusammengezogenen Augen, wodurch ich seufzend die Bettdecke fortschlage und mich langsam an den Tisch setzte. "Es war das erste Mal." Hauche ich leise, während ich die Röte auf meiner glühenden Haut zu ignorieren versuche. "Und wie weit ging dieses erste Mal?" Ihr Mundwinkel zuckt nach oben, als sie sich neugierig vor mir niederlässt und nach dem Croissant greift. "Nicht weit." Sage ich unsicher, wodurch sie ihre Braue noch breiter grinsend nach oben zieht.

Ich begegne zweifelnd ihren amüsierten Augen. "Dein Mann schleicht sich in der Nacht in mein Schlafzimmer und hat zudem noch was mit Veronica und sicherlich mit sonst wem noch was am laufen und du sitzt hier und möchtest Einzelheiten?" Meine Stimme nimmt an Ungläubigkeit zu, während sie lediglich mit ihren Schultern zuckt und ihr Gebäck in Marmelade tunkt, während ich mir das Schälchen mit den Blaubeeren zu mir ziehe. "Er ist auf dem Papier mein Mann, richtig. Aber weder führen wir eine Beziehung, noch haben wir Gefühle füreinander. Veronica ist sein Dauerhaftes Spielzeug, ich bin seine Abwechslung und du bist ... tja, das finden wir wohl alle erst noch heraus. Aber es ist nicht so als wären wir sein Harem. Ich habe meine eigenen ... Männer und Samuel hat noch nie was dazu gesagt oder es mir verboten."

"Und Veronica? Sie wirkt auf ihn geradezu fixiert." Erneut zuckt sie mit ihren Schultern und legt mir einen Pancake auf den Teller. "Sie ist es auch irgendwie. Ich tippe seitdem sie hier ist auf irgendeinen Komplex, der sie immer dazu bringt zurück zu Samuel zu gehen und dennoch habe ich eher das Gefühl sie würde ihn hassen, als wirklich zu mögen."

"Sie passen zueinander." Murmle ich leise, wodurch Jules Mundwinkel nach oben zuckt. "Und doch lässt du dich von ihm anfassen, warum?" Ich spüre wie das Blut in meine Wangen schießt, wie meine Zunge schwer wird und ich ihrem Blick ausweiche. "Ich ... stelle mir vor das es Lionel ist und irgendwie ..."

"Und irgendwie magst du es. Daran ist nichts falsch, Dalia. Du darfst so empfinden, allerdings solltest du Lionel daraus halten." Ich beiße mir zerknirscht auf die Zähne. Das sollte ich wohl und doch ist es der einzige Grund wieso ich ihn überhaupt so nah an mich herangelassen habe. Und vielleicht weil ich wirklich jede Berührung aufsauge, als sei ich am Verhungern. "Es ist schwer, wenn er ihm so ähnlich sieht." Sage ich erklärend.

"Es ist schwer, weil du immer noch daran glaubst, dass er Lionel ist." Berichtigt mich Jules, wodurch ich schuldig mit meinen Schultern zucke. Wahrscheinlich werde ich immer an dieser Theorie hängen bleiben. "Aber Lia, du hast alles versucht. Vielleicht solltest du einsehen, dass ... er es nicht ist." Seufzend beiße ich von meinem Pancake ab und treffe sogleich auf eine Blaubeere, die sich in meinem Mund verteilt. "Es gibt noch eine einzige Möglichkeit." Murmle ich leise, wodurch sie zögernd ihre Augenbraue hebt und ihr Blick etwas wachsames annimmt.

"Du willst seine Brust sehen." Erschließt sie sich selbst, woraufhin ich nicke. "Und wärest du bereit mit ihm zu schlafen? Immerhin ist das seine Bedingung und selbst dabei glaube ich, dass er lügt." Zögerlich, schwerfällig schüttle ich meinen Kopf. "Ich nicht, vielleicht aber du." Ihre grünen Augen werden groß, sogleich ich die Worte ausgesprochen habe. "Und ich soll was machen, was ich bisher noch nicht gemacht habe?"

"Ihn ausziehen?" Meine Frage wirkt so unsicher, wodurch sie so prustend zu lachen beginnt, dass ich selbst meine Mundwinkel nicht unten halten kann. "Dalia glaube mir, wenn ich es schon versucht habe. Wenn wir es alle schon irgendwie versucht haben. Aber er ist Eitel und irgendwas an seiner Brust ist derartig falsch, dass er es nicht zeigen möchte."

"Und du willst mir sagen, dass es unmöglich ist, dass er Lio ist?" Hake ich forsch nach, wodurch sie mir einen nachdenklichen Blick zuwirft. "Wenn du dir so sicher bist, dann ... probiere es selbst aus." Ich schlucke hart bei ihren spielerischen Worten. "Ich glaube du wirst sowieso nicht mehr lange haben, Lia." Ihr Blick gleitet von meinem Gesicht zu meinem Fuß, an welchem sich das Band befindet. Es ist jenes, dass ich bereits in diesem blass gelben Zimmer hatte, jenes welches mich wie ein Hund hat fühlen lassen, jenes welches ich mit nichts durchreißen kann. "Er weiß wo er dich finden wird, Lia. Also entweder drehst du den Spieß um oder ... du wartest hier bis er dich hat und diese Abmachung zwischen euch verfällt.

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Es scheint so, als wäre Lias Schonfrist vorbei, was sagt ihr?

Shattered SoulsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt