Chapter Fifty-Five

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"Was ist, wenn das alles eine Lüge ist? Wenn ich es bin?" Die Zweifel nagen an mir, seitdem ich von den Drogen aufwachte und sie weg war. Es fühlt sich an wie eine Bestrafung, dass man sie mir nahm. Das er sie mir nahm. Weil er meine Lüge war. Weil er es einfach konnte. 

"Wieso solltest du eine Lüge sein, Lionel?" Ich schaue apathisch über den Raum und zu der Pinnwand. Zu diesen Nadeln die mich zu ihr führen könnten. "Ich habe meinen Vater erschossen, aber ... sie war es, die es vertuscht hat. Ich habe nichts gemacht außer gezittert und sie ... sie war nicht kaltblütig oder herzlos, sie war das komplette Gegenteil davon. Sie tat das für mich. Für uns." Und ich glaube es war jener Moment in dem ich mich in sie verliebte. In dem ich mehr in mir spürte als das Band unserer Freundschaft. Es war ... mehr. Sie ist so viel mehr. 

"Ich weiß." Mein Blick gleitet wieder zu Harvey, welcher mich matt anlächelt. "Woher–?"

"Kannst du dich noch erinnern, als Lia dann zum ersten Mal bei uns essen war?" Ich nicke nur knapp, kann mich aber an einige unangenehme Fragen von Harvey erinnern, die Lia einschüchterten – und mich auch. "Ich sprach den Tod deines Vaters an. Und während du tatsächlich nur gezittert hast und meinem Blick ausgewichen bist, starrte sie mir unverhohlen in die Augen. Sie ist furchtlos, wenn es um dich geht. Und du bist es, wenn es um sie geht. So funktioniert ihr. Ich verlor meine Frau nicht an Feinden, sondern an mir selbst, weil wir nicht stark genug waren. Weil wir nicht auf einer Höhe waren. Ich habe dich ausgewählt, Lionel, weil du nicht nur ein starker Geist bist, sondern einen anderen mitbesitzt." Ich schlucke gegen seine Worte an und glaube zum ersten Mal ... seit einer sehr langen Zeit zu glauben, dass sich der Kreis um Lia und mich schließt. Es wirkt wie ein Puzzle, dass sich langsam zusammensetzt, so falsch es auch sein mag. "Steige aus oder ziehe dich zurück, sobald du möchtest. Ich werde dich zu nichts zwingen, aber ... ich möchte dir einfach sagen, dass ihr das schaffen könntet."

Meine Brauen ziehen sich zusammen. "Du willst den Untergrund ... übernehmen?" Höhne ich fragend, wodurch sein Mundwinkel nach oben zuckt. "Es wird immer der Untergrund bleiben, erwarte also keinen Frieden, aber ... er braucht mehr Kontrolle und nicht noch mehr Macht. Charles wird ihn vernichten und die Grenzen sprengen, wenn er nicht bald zurücktritt." Mein Blick gleitet zu Aiden. Er ist sein angenommener Sohn – der Nachfolger von dem ganzen hier. 

"Fürchtest du dich davor, wenn er es übernimmt?" 

"Er will das Amt nicht, also wird er es mit Hass und Gleichgültigkeit führen. Ich fürchte mich nicht nur davor, es ängstigt mich zu Tode. Wir wollen nicht hier sein, wenn der Untergrund brennt." Aber genau das wären wir. Wir würden alle zugrunde gehen. Meine Augen ziehen sich leicht zusammen, vor allem als ein weiterer aufsteht und einen neuen Ort an die Wand pinnt. Dann schaut er zu Aiden und nickt. Ich stütze mich von der Wand ab und gehe auf Aiden zu, als bereits alle aufstehen und den Raum tonlos verlassen. 

"Geh zu deinem Stiefvater." Sage ich entschlossen und lasse seinen Blick zu mir gleiten. Der Trotz steht groß in seinen Augen geschrieben, wodurch ich allerdings nicht meinen Blick abwende. "Du wirst zu ihm gehen und ihm die Orte nennen. Und er wird dir sagen, welches am wahrscheinlichsten Artjoms Versteck ist. Und wenn er keine Ahnung hat, dann wird er all seine Spione und Männer mit den meinen losschicken, um jeden Ort binnen 12 Stunden zu durchsuchen." 

So wie die Ader an meiner Schläfe zuckt, so zuckt seine Halsschlagader. Ich kann gerade noch so das kleine Lächeln auf Harveys Lippen erkennen, als er nach draußen tritt. Die Tür fällt laut schallend ins Schloss, sodass nur noch das Brummen der Elektronik und die Stille von uns herrscht. "Rede noch einmal so mit mir, Lionel und du wirst nicht die Chance haben–"

"Wer ist sie?" Unterbreche ich ihn neugierig, ehe ich meine Arme vor meiner Brust verschränke. Seine Braue zuckt ungeduldig nach oben, während ich aus dem Augenwinkel beobachte wie sich seine Fäuste öffnen und schließen. "Wovon sprichst du?"

"Die kleine, blonde, dessen Fotos in der Schublade liegen. In einem Haus, welches du vor Charles versteckt hältst. Wer ist sie, dass du sie unsichtbar vor ihm machen möchtest?" Ich danke Lia dafür, dass sie neugierig war. Dafür, dass sie die Fotos entdeckt hat und mich danach gefragt hat. Denn es würde zumindest seine Motivation erklären. Während sein Blick sich erhärtet und er jeden Moment bereit ist, mich auszuknocken, wird meiner weicher. "Stelle dir vor es wäre sie, Aiden. Stelle dir vor, du wärest so hilflos wie ich. Sie ist meine beste Freundin." Sein Kiefer mahlt aufeinander, ehe er einen Schritt nach hinten tritt und auf die Pinnnadeln schaut. Sie beobachtet, als würde er sich wirklich vorstellen, dass diese Frau dort irgendwo ist. 

"Ich werde mit Charles reden. Wenn er auf dich zukommt, dann wirst du ihm sagen, dass sie interne Informationen weiß und Artjom auf dem besten Weg ist, diese zu bekommen. Kein Wort dazu, dass du etwas für sie empfindest – und sei es noch das kleinste bisschen Mitgefühl. Du bekommst fürs erste meine Männer zur Verstärkung." 

Er möchte sich bereits abwenden, als ich ihn zum innehalte zwinge. 

"Wer ist sie?" Meine Frage kommt genauso überraschend für ihn, wie für mich. Aber ich bekomme keine Antwort, stattdessen geht er und lässt mich mit den schreienden Nadeln alleine. 

Halte nur noch ein kleines bisschen durch, Lia ... ich werde dir über den gesamten Globus folgen, um dich zu finden. 

»❃«

Lio zerbricht mir jedes Mal ein kleines bisschen das Herz. Aber tatsächlich erschließt sich langsam wirklich das Ende. 

Es stand übrigens schon im ersten Teil fest, dass Harvey seine Frau erschießt, weil er einfach nicht Lionel ist und weil er ja doch irgendwie zum Untergrund gehört und eine Ar*loch Ader besitzt, die man bestrafen sollte. 

Ach herr je Leute wo soll das noch hinführen?


Shattered SoulsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt