neununddreißig

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neununddreißig

„Liv?", hörte ich eine überraschte Stimme hinter mir, als ich - für meinen Geschmack viel zu langsam - das Gebäude fluchtartig verlassen und danach erst einmal meinen Tränen freien Lauf gelassen hatte.

Schnell wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht, ungeachtet dessen, dass ich dadurch mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nur meine Wimperntusche verschmierte und drehte mich um.

„Anna", stellte ich fest. Zugegebenermaßen war ich nicht wirklich überrascht, sie hier zu sehen, da selbst mir mittlerweile klar war, dass man als eingefleischter Fan jedes in die Tat umzusetzende Konzert mitnahm.

„Schön dich wiederzu... Stopp! Hast du geweint?", wurde ich leicht überdreht gefragt. Anna schien noch einige Endorphine vom Konzert intus zu haben.

Mir war durchaus bewusst, dass es nichts bringen würde, an dieser Stelle eine kleine Notlüge einzubauen, da mich meine roten und angeschwollenen Augen verraten würden. Dazu kam die Tatsache, dass ich auch ohne Spiegel wusste, dass sich meine Mascara überall befand außer an meinen Wimpern.

„Vielleicht ein bisschen?", antwortete ich, um die Tatsache, dass ich mir gerade noch mein Leben aus dem Leib geschluchzt hatte, etwas zu verharmlosen.

„Und es ging dabei um einen Typ?", fragte sie mich mit einem so wissenden Unterton in ihrer Stimme, dass ich mich selbst fragte, warum sie die Frage überhaupt gestellt hatte.

Nachdem ich etwas niedergeschlagend geseufzt und anschließend genickt hatte, hatte sich Anna auch schon mit den Worten „Wie gut, dass ich da bin und zufälligerweise heute nichts mehr vorhabe" untergehakt und mich mit sich mitgezogen.

Unser Weg - oder besser gesagt Annas Weg, auf dem ich mitgeschleift wurde - führte uns zu einer der wenigen Location die um diese nächtliche Uhrzeit noch geöffnet hatten.
Dass wir nicht die Einzigen waren, die McDonalds als unser Ziel auserkoren hatten, wurde uns klar, als wir uns in die lange Schlange einreihten. Um uns herum war ungefähr alles anwesend, was man hier auch nur annäherungsweise vermuten konnte.
Der Laden war gut gefüllt mit einer Mischung aus Heimkehrern von der Nachtschicht, verliebt turtelnden Pärchen, betrunkene Jugendliche und weitere Personen, die alles zwischen Drogendealer und Mörder hätten sein können.

Anna quatschte mich mit den Erlebnissen von dem heutigen Konzert zu, wohl mit der Absicht, mich von meinem Kummer, welcher mir durch den Anblick des verliebten Pärchens, welches sich gegenseitig mit Pommes fütterte, abzulenken.
Ihre Absicht war zwar löblich, verpasste allerdings etwas das Ziel, da das Geschwärme über Louis vielleicht nicht die richtige Ablenkung war, nach der ich mich sehnte.

„So: Was ist passiert?", fragte Anna, nachdem wir Platz genommen hatten.
Während sie ihren Löffel in ihr McFlurry tunkte und konzentriert die Schokoladensauce mit dem restlichen Eis vermischte, ergänzte sie noch: „Und ich will natürlich die ganze Geschichte hören!"

„Ok Cheffin!", grinste ich, während ich fieberhaft überlegte, wie ich das von mir Vanlangte umsetzen sollte. Ich meine, man darf nicht vergessen, dass vor mir ein Louis Tomlinson Fan sitzt und mein Liebeskummer etwas mit exakt dieser Person zu tun hatte.
Auf der einen Seite hatte ich das Gefühl, dass ich Anna vertrauen konnte. Auf der anderen Seite wollte ich allerdings alles dafür tun, dass Louis' Privatleben auch sein Privatleben blieb.

Nachdem auch ich mein Eis vermischt und dann genüsslich einen Löffel davon gekostet hatte, fing ich ganz allgemein an: „Also da gibt es so einen Jungen, den ich vor ein paar Monaten kennengelernt habe. Zwischen uns hat sich etwas entwickelt, aber heute ich mir klar geworden, dass unsere Leben einfach zu verschieden sind."

Anna hatte mich aufmerksam beobachtet und nickte mir jetzt zu: „Kurze Zwischenfrage: Wieso nennt du ‚den Jungen' nicht bei seinem Namen? Ich meine mir ist bewusst, dass er Louis heißt, aber es ist immer ein bisschen schwierig, solche Liebeskummergeschichten zu besprechen, wenn man immer nur von einer hypothetischen Situation und einer hypothetischen Person redet."

„B-Bitte was?", stotterte ich vollkommen irritiert. Der Aspekt, dass sie direkt auf Louis geschlossen hatte, ließen mich gerade meine Schauspielkünste anzweifeln.

„Liv, ganz im Ernst: Erstens kamst du heulend aus dem Hintereingang von der Location, in der Louis sein Konzert hatte. Und zweitens warst du auf dem Konzert, auf welchem wir uns kennengelernt hatten, eindeutig kein Fan. Dafür standest du allerdings ziemlich weit vorne und hast Louis so angestarrt, als wolltest du direkt über ihn herfallen...Schon da war mir klar, dass ich meine Verlobung mit Louis auflösen müsste", sie seufzte theatralisch, lachte dann aber, als sie meinen Gesichtsausdruck sah.

„Ähm, jaa...", ich war immer noch etwas perplex über diese grandiose Schlussfolgerung und machte mir eine gedankliche Notiz, dass ich Anna Privatdetektivin als Job vorschlagen sollte.
Dennoch hatte ich auch ein bisschen Angst, dass mein Kummer in den Fankreisen nicht ganz so gut aufgehoben war.

Anna schien Gedanken lesen zu können, den sie meinte: „Kein Angst. Wir Fans lieben Louis über alles und genau deswegen würden wir nie etwas tun, was ihm schaden könnte. Keine Sorge, ich kann Schweigen wie ein Grab."

Ich musste lächeln, als sie mir ihren kleinen Finger hinstreckte, um das gerade eben Gesagt zu besiegeln.

Nachdem der Kleine-Finger-Schwur geleistet wurden war, hakte sie nach: „Und was genau ist dein Problem mit dieser Zwei-verschiedenen-Welten-Sache?"

„Ich glaube alle Fans, würden sich wünschen, in meiner Situation zu sein. Aber ich glaube sie bedenken oft nicht, dass es nicht einfach ist, eine Beziehung mit einem Star zu haben. Man muss damit klar kommen, dass er von vielen Frauen angehimmelt wird. Außerdem hat er ja einen ganz untypischen Berufsalltag...", fing ich an, meine Gründe darzulegen, doch ich wurde von Anna unterbrochen.

„Und woher weißt du dass so genau? Hast du schon mal eine Beziehung mit einer Person, die in der Öffentlichkeit steht, geführt?"

Und als ich daraufhin meinen Kopf schüttelte, sagte sie: „Du kannst das doch gar nicht wissen, wenn du es nicht ausprobiert hast."
Und dann fügte sie noch lachend hinzu: „Außerdem solltest du vielleicht mal einige Fanfictions lesen. Darin ist auch nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen, aber letztendlich klappt es dann doch."

„Ja aber...", setzte ich an, um noch weitere Argumente aufzulisten, doch tief im Inneren musste ich zugeben, dass Anna Recht hatte. Ich hatte Louis und mir noch nicht einmal eine Chance gegeben.
Ich hatte schon aufgegeben, bevor der Kampf überhaupt begonnen hatte.

„Nichts aber!", sagte sie streng. „Es gäbe nur einen Grund, sich nicht zu trauen, diesen Sprung ins Ungewisse zu machen und der wäre, dass du Louis nicht liebst. Wobei, wenn ich mir dich so als Häufchen Elend näher betrachte, kann ich mit absoluter Sicherheit sagen, dass dieser Grund nicht vorliegt."

Nein, tat er tatsächlich nicht. Schon von Anfang an hatte ich mich komplett zu Louis hingezogen gefühlt.

Chiara hatte einmal einen von ihren komischen Sprüchen zu mir gesagt: Man merkt erst, was einem wichtig war, wenn man es verloren hat. Doch auch wenn ich damals noch Witze über verloren gegangene und nicht mehr auffindbare Haargummis gemacht hatte, wusste ich jetzt, was sie damit gemeint hatte.

Schon als ich mich vorhin mit Tränen in den Augen rumgedreht und die Konzerthalle verlassen hatte, war mir bewusst geworden, dass ich mich Hals über Kopf in Louis verliebt hatte.

„Ja, ich liebe ihn", antwortete ich Anna leise und zu meiner eigenen Überraschung zitterte meine Stimme nicht.

Hätte sich Anna nicht gerade einen vollen Löffel Eis in den Mund geschoben, hätte sie wahrscheinlich gesagt „Ich wusste es", so konnte sie allerdings nur mit vollem Mund zustimmend nicken.

Als sie endlich wieder Sprechen konnte, schaute sie mich an und sagte: „Du musst mir aber eine Sache versprechen."

Ich nickte und schaute sie erwartungsvoll an, während ich nun diejenige war, die sich ihrem Eis gewidmet hatte. Was ich besser nicht getan hätte, denn das, was Anna als nächstes sagte, brachte mich dazu, mich heftigst an meinem Eis zu verschlucken.

„Du musst mir versprechen, dass du mich zu eurer Hochzeit einlädst."

moments (Louis Tomlinson ff) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt