Kapitel 81

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„Wieso meldet er sich denn nicht?!"

Die Unruhe ließ Ginny nicht stillsitzen, immer wieder sprang sie auf und durchmaß den Raum, bis sie sich, kaum am Fenster angekommen, wieder umdrehte und sich wiederholt vorwarf:

„Wir hätten ihn niemals alleine zurückgehen lassen sollen."

Ron hob ein wenig verärgert den Blick von seinen Quidditch-Unterlagen, die Anspannung machte auch ihn fahrig und ließ ihn schärfer reagieren, als er es sonst getan hätte.

„Nun ist gut, Ginny! Du musst das nicht tausendfach wiederholen, das macht mich wahnsinnig. Es war immerhin Harrys ausdrücklicher Wunsch."

„Ja, weil das typisch Harry ist", fauchte Ginny und sah Ron mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Das war schon damals so, als er sich allein aufmachen wollte, um Sirius zu retten. Wie wir wissen, war es nur gut, dass wir alle zusammen im Ministerium waren."

Ihre Frustration und Verzweiflung fand ein willkommenes Ventil in dem Ärger, mit dem sie ihren Bruder anfuhr, weil er Harrys Wunsch nicht entschieden genug entgegengetreten war. „Du bist sein bester Freund, du hättest ihn umstimmen müssen!"

Gespeist von seinen eigenen Schuldgefühlen entgegnete Ron brüsk:

„Harry ist erwachsen, er weiß, was er tut. Außerdem ist er seit Monaten mit ihr zusammen, da wird er schon einschätzen können, ob er allein mit der Situation fertig wird oder nicht."

Hermine sah von dem Buch auf, aus dem sie noch hilfreiche Zaubersprüche herauszufinden gehofft hatte, und setzte zum Sprechen an, aber Ginny kam ihr zuvor.

„Ron! Wir reden hier von Voldemorts Tochter, nicht irgendeiner durchgeknallten Hexe! Ich flieg da jetzt hin!"

Mit einem Ruck warf sie ihre Haare über die Schulter und ging zur Anrichte hinüber, um ihren Zauberstab zu greifen.

„Ginny! Warte! Mach keinen Alleingang!", rief Hermine ihr nervös hinterher und schlug mit einem Ruck ihr Buch zu; auch in ihr hinterließ die Angst um Harry Spuren. Rasch stand sie auf und legte ihrer Freundin eine Hand auf die Schulter, die Ginny jedoch zornig abschüttelte.

„Ich kann hier nicht einfach sitzen und darauf warten, dass Harry sich meldet. Vielleicht ist ihm längst etwas passiert..."

Das Schluchzen, das Ginny in der Kehle saß, ließ sie verstummen. Hermine erwiderte Ginnys Worte mit einem bedrückten Blick und kommentierte leise:

„Wir hätten ihm sagen sollen, bis wann er sich melden soll."

Und fügte dann entschlossener hinzu: „Aber wir sollten zumindest jetzt zusammenbleiben. Sonst spielen wir ihr nur in die Karten."

Ron wollte etwas sagen, aber in diesem Moment registrierte er durch das Fenster im fahlen Licht der Straßenlaterne eine flüchtige Bewegung. Er starrte eine Sekunde lang konzentriert nach draußen, bis er fassungslos begriff, wer da vor ihrem Grundstück stand. Mit einem Ruck sprang er auf, riss die Tür auf und stürmte durch den Vorgarten zur Straße hinüber.

„Was machst du hier, Malfoy?!", fuhr Ron seinen ehemaligen Mitschüler an, dem er noch immer in Hass verbunden war.

Draco verschränkte die Arme vor der Brust und gab gedehnt zur Antwort: „Wonach sieht es denn aus, Weasley?"

„Als wenn du unser Haus ausspionierst", polterte Ron, dem soeben Dracos Todesserzugehörigkeit in den Sinn kam.

Dracos Lippen kräuselten sich: „Da legst du ja mal erstaunlich viel Einfallsreichtum an den Tag, Weasley."

Im gleichen Moment realisierte Ron, dass der Gedanke, der ihm durch den Kopf gegangen war, gar nicht so weit hergeholt zu sein schien. War Malfoy womöglich mit Voldemorts Tochter im Bunde? Wie der Vater, so der Sohn...

Harry Potter und das süße Gift der HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt