Kapitel 66

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Montag

Mit einem Lächeln auf den Lippen stand Amber in der Küche und lauschte dem sanften Geräusch, das Wasser hinterlässt, wenn es gefiltert wird. Der Keramikbecher in ihrer Hand erwärmte sich zügig und schon bald entstieg ihm der verheißungsvolle Duft nach schwarzem Kaffee. Er war so ziemlich die einzige Erinnerung an Amerika, die Amber aufrechterhielt. Ansonsten hatte sie sich nahezu perfekt an das Leben in Britannien angepasst, selbst ihr Akzent war schwächer geworden. Sie fühlte sich unerwartet wohl hier und vermutete, dass das Aufwachsen in diesem Land sie stärker beeinflusst hatte als zu erwarten gewesen war.

Die Strahlen der Morgensonne stahlen sich durch das Fenster in die Küche und ließen den Holzfußboden beinahe golden aufleuchten. Amber beobachtete, wie die strahlende Fläche immer größer wurde und das Licht schließlich auch Tisch und Stühle erfasste. Obwohl sie eher der Dunkelheit zuneigte, konnte sie nicht bestreiten, dass ihr dieser Anblick Freude bereitete. Es versprach ein sonniger, frühlingshafter Tag zu werden und dies unterstrich noch die gute Stimmung, in der sie sich seit einigen Tagen befand.

In Harrys Gegenwart hielt sie sich selbstverständlich zurück, denn es war unangebracht, angesichts seiner düsteren Verfassung pure Zufriedenheit auszustrahlen. Obwohl sie allen Grund dazu hatte. Harrys Bruch mit Hermine war genauso verlaufen, wie Amber es geplant hatte und Harrys Wut über den Verrat seiner besten Freundin hatte sich auch über das Wochenende nicht gelegt. Tatsächlich hatten seine Worte vor der Tür, die nicht zu überhören gewesen waren, unverkennbar klar gemacht, wie tief sein Zorn auf Hermine war.

Bedächtig nahm Amber einen Schluck des heißen Kaffees und ließ unwillkürlich ein spöttisches Grinsen zum Vorschein kommen. Sie war überzeugt davon, dass Harrys Gefühle gegenüber Hermine von Dauer sein würden, solange Hermine auf ihren Verdächtigungen gegenüber Amber bestand. Und so, wie Amber diese muggelgeborene Hexe kennengelernt hatte, zweifelte sie nicht daran, dass Hermine bei dem bleiben würde, was sie als richtig empfand, ungeachtet der Konsequenzen.

Nicht überraschend hatte Hermine versucht, mit Harry Kontakt aufzunehmen, doch deren Eulen hatte Harry unbeantwortet gelassen. Sie hatten nichts außer dem Wunsch Hermines nach einem Gespräch enthalten und mit keinem Wort den Verdacht, den sie gegen Amber geäußert hatte, zurückgenommen.

Noch am Freitagabend hatte sich Amber in ihrem Misstrauen gegenüber Hermine bestätigt gefühlt. Sie wusste, dass sie die scharfsinnige Hexe früher aus dem Weg hätte räumen müssen. Ärgerlicherweise hatten Harry und Ron ihr durch ihr rasches Auftauchen neulich die Möglichkeit vereitelt. Aber nun konnte Amber zufrieden feststellen, dass Hermines Verhalten ihr die perfekte Möglichkeit geliefert hatte, einen Keil in ihre Freundschaft mit Harry zu treiben.

Selbst Ron, der sich gestern auf den Weg nach Godrics Hollow gemacht hatte, hatte Harrys Kälte zu spüren bekommen, nachdem er es abgelehnt hatte, Hermine ins Gewissen zu reden. Nicht nur Amber wusste, dass Ron es tunlichst vermied, erneut mit Hermine aneinanderzugeraten, auch Harry war sich dessen Beweggrund bewusst. Er hatte sich anschließend bei Amber bitter darüber beklagt, dass Ron eher einen Konflikt mit ihm riskierte als mit seiner Freundin. Amber hatte verzichtet darauf hinzuweisen, dass Rons Konsequenz absolut logisch war und stattdessen Verständnis für Harrys Reaktion geheuchelt.

Der vorige Streit zwischen Ron und Hermine spielte ihr wunderbar in die Karten. Beide Paare standen nun auf verschiedenen Seiten. Es war, als könne sie selbst das Schicksal beeinflussen, dachte Amber überheblich, denn die Freundschaft zu Ron und Hermine hatte einen ordentlichen Knacks bekommen und Harry hatte nun nur noch sie. Die Situation war somit absolut perfekt.

Amber setzte sich auf die Arbeitsfläche, lehnte sich gemütlich gegen den breiten Fensterrahmen und blickte hinaus. Es erschien ihr unwahrscheinlich, dass sich Harry bald wieder mit Ron versöhnen würde, selbst wenn sie sich im Ministerium begegneten. Und falls dennoch dieser Fall eintreten würde, so würde sie es in Harrys Gedanken lesen und mit einem dezenten Imperiusfluch Abhilfe zu schaffen wissen. Zwar wusste Amber, dass Harry die grundsätzliche Fähigkeit besaß, diesem Fluch zu widerstehen. Doch war das mit Sicherheit nur dann der Fall, wenn er mit einem solchen Angriff rechnete... Und sie würde es tunlichst zu vermeiden wissen, einen Argwohn bei ihm zu wecken.

Harry Potter und das süße Gift der HoffnungWhere stories live. Discover now