Kapitel 51

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Es war, als hätte ihr jemand einen Schlag in die Magengrube verpasst. Hermine schüttelte mehrmals den Kopf und öffnete leicht die Lippen, brachte aber keinen Ton heraus. Ron atmete heftig, schwieg aber nun ebenfalls. Mit einer ruckartigen Geste schob er sich ein paar in die Stirn gefallene Haarsträhnen fort und sein finsterer Blick schien deutlich zu machen, dass mit einer Entschuldigung nicht zu rechnen war.

Die aufgeladene Atmosphäre war fast körperlich spürbar und Hermine merkte, dass sich neben der anfänglichen Fassungslosigkeit langsam die Wut in jede einzelne Zelle ihres Körpers ausbreitete. Resolut hob sie ihr Kinn, warf Ron einen vernichtenden Blick zu und schnappte sarkastisch zurück:

„Fein."

Mit hektischen Bewegungen raffte sie ihre Unterlagen zusammen, stopfte sie in ihre Tasche und stand auf.

„Gut, dass ich jetzt weiß, woran ich mit dir bin, Ronald Weasley. Es geht doch nichts über eine ehrliche Rückmeldung."

Sie drehte sich in hoheitsvoller Haltung um, ohne sich anmerken zu lassen, wie sehr Rons Verhalten sie verletzt hatte, und verließ das Zimmer. Ron machte sich nicht die Mühe, sie zurückzuhalten. Sekunden später schlug die Eingangstür lautstark zu und Hermine apparierte direkt neben den Seitenausgang eines Kinos im Norden Londons.

Tränen glitzerten in ihren Augen und ließen sie den Gehweg vor ihr nur verschwommen erkennen. Sie hatte selten Streit mit Ron und wenn, dann ging es meist um so banale Dinge wie Unordnung oder Einkäufe. Aber dies hier... – wie hatte Ron nur so abfällig über etwas sprechen können, das ihr wichtig war? Das eigentlich auch ihm wichtig sein sollte!

Hermine steckte die Hände in die Tasche und starrte verloren auf eine Stelle, die übersät von Zigarettenstummeln war. Ein paar Tränen lösten sich aus den Augenwinkeln und glitten ihre Wangen hinunter, bis sie sich in den Mundwinkeln sammelten. Hermine fuhr mit der Zunge darüber und spürte ihrem salzigen Geschmack nach.

Es ging doch auch die Zaubererwelt etwas an, wenn Mörder von Muggel frei herumliefen. Es war wichtig, dass man deutlich machte, dass Rassismus keinen Platz mehr unter ihnen haben durfte und dass alle Energie in das Bemühen gesteckt werden musste, weitere Morde zu verhindern! Warum, bei Merlin, verstand Ron das auf einmal nicht mehr? Seine Abneigung gegen ihre Recherchen würde doch wohl kaum daran liegen, dass ihr erster Artikel so viel Aufmerksamkeit erregt hatte? Oder? ODER? Unwillig schüttelte Hermine den Kopf. Das wäre doch nun wirklich kindisch...

Kurz kam ihr der Gedanke, mit Ginny oder Harry darüber zu sprechen, aber der Besuch bei beiden verbat sich. Weder wollte sie Ginny mit dem Streit zwischen sich und ihrem Bruder belasten noch legte sie Wert darauf, bei Harry auf Amber zu treffen. Vielleicht würde sie ihm eine Eule schicken... später.

Hermines Blick wanderte die unscheinbare Betonfassade hoch, an der sie stand. Die graue Wand hatte nichts von der schmucken Vorderfront des Kinos, wie sie Hermine von ihren Besuchen als Kind erinnerte. Schon damals hatte sie sich immer gewundert, warum die Ausgänge des Kinos so schäbig gestaltet waren.

Kino... wie lange war das her! Irgendwann in den Sommerferien vor Voldemorts Rückkehr musste es gewesen sein, zusammen mit ihren Eltern... Hermine schluckte und konnte nicht verhindern, dass neue Tränen in ihr aufwallten. Was mochten ihre Eltern jetzt in Australien machen? Ging es ihnen gut? Wie gerne hätte sie jetzt die Arme ihre Mutter um sich gespürt und das kindliche Gefühl genossen, dass alles gut werden würde, wenn nur die Eltern bei ihr wären... sie beschützen würden. Dabei war es genau anders herum gewesen – sie hatte ihre Eltern durch den Vergessenszauber schützen müssen.

Ungeniert zog Hermine die Nase hoch und stutzte plötzlich. Ihr Gehirn hatte einen Gedanken registriert, der irgendwie wichtig gewesen war. Was war es nur gleich gewesen? Sie schlang die Arme um den Körper, sah auf den dreckstarrenden Boden unter ihr und versuchte sich zu konzentrieren. Geborgenheit. Eltern. Vergessenszauber...

Harry Potter und das süße Gift der HoffnungOnde as histórias ganham vida. Descobre agora