Kapitel 45

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TRIGGERWARNUNG: Gewaltanwendung ( einige Absätze )
Wenn das für dich ein Thema ist, dann schreib mich gern direkt an und ich erzähle dir, worum es in diesem Kapitel geht.

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Mit einem sanften Plopp erschien Amber direkt inmitten eines kleinen Wäldchens am Rande von Bedford. Eine leichte Märzbrise kräuselte das Wasser des nahen Flusses und die ab und an hinter den Wolken hervorblitzende Sonne hatte bereits die Kraft für ein wenig frühlingshafte Wärme. Amber entledigte sich ihres wollenen Umhanges und reckte Gesicht und Arme ein Weilchen dem Sonnenlicht entgegen.

Von nahem war das muntere Gezwitscher eines Vogels zu hören, der anscheinend der kühlen, englischen Winterwitterung getrotzt hatte, und Ambers aufmerksame Ohren vernahmen außerdem das Rascheln eines Tieres, das sich durch das trockene Laub am Boden wühlte. Nach stundenlangem Aufenthalt im hektischen London war die ruhige Atmosphäre des Waldes ein absolutes Geschenk. Lässig ließ Amber ihre Augen zwischen den Bäumen und dem Dickicht umherschweifen, bis etwas ihre Aufmerksamkeit weckte und sie innehalten ließ. Vorsichtig näherte sie sich einem sonnenbeschienenen Stein, auf dem es sich eine Kreuzotter bequem gemacht hatte, ihre silbrige Haut mit dem unverkennbaren Zickzackmuster glänzte in der Sonne.

Mit beruhigenden Zischlauten trat Amber näher und streckte auffordernd den Arm aus. Die Schlange hob den dreieckigen Kopf und musterte Amber ein Weilchen abwartend, bevor sie sich langsam entrollte und leise züngelnd Ambers Arm empor glitt, wo sie schließlich verharrte. Die Schlange war klein, gerade mal sechzig Zentimeter lang und kein Vergleich zu den großen Schlangen, die sie in den USA besessen hatte. Doch sie schien sich in Ambers Gegenwart genauso wohlzufühlen wie ihre amerikanischen Artgenossen. Mit der freien Hand strich Amber langsam über die glatte Haut und sprach leise auf das Reptil ein. Es war genauso eine Schlange wie diejenige, die ihr damals die Zeit vertrieben hatte, wenn ihre Mutter sie in den Keller gesperrt hatte...

Die zurückgekehrte Erinnerung an die grausame Bestrafung durch ihre Mutter hatte inzwischen die Tür zu weiteren Erlebnissen geöffnet, nur wenige davon angenehm. Zwar war es Bellatrix nie mehr gelungen, ihre kleine Tochter mit Hilfe von Magie zu züchtigen, doch auch in der Ausübung herkömmlicher Methoden war Bellatrix ausgesprochen kreativ gewesen. Längst hatte ihre Mutter darauf verzichtet, einen Vorwand für eine Bestrafung zu finden, und obwohl Amber noch ein Kind gewesen war, hatte sie Bellatrix' Absicht als das erkannt, was es war: ein Machtkampf.

Mit einem gewissen inneren Trotz hatte sie sich dagegen aufgelehnt, Bellatrix die Achtung zu erweisen, die diese einforderte. Denn Amber hatte hinter den Gedanken ihrer Mutter deren Angst vor der Macht gesehen, die Amber selbst eines Tages verkörpern könnte. Eine Macht, die irgendetwas mit jemandem zu tun hatte, der ein Gefühl höchster Ehrfurcht und weitere aufwühlende Emotionen in Bellatrix hervorrief, die Amber damals noch nicht hatte begreifen können. Und als wäre es gestern gewesen, konnte Amber erneut die Schmerzen spüren, die ihr damals angetan worden waren. Abermals hörte sie die Schreie des kleinen Mädchens, das sie vor langer Zeit einmal gewesen war. Nie wieder jedoch hatte die kleine Amanda um Schonung gebeten, nie wieder ihre Mutter angefleht aufzuhören.

Bellatrix und ihr Mann waren schließlich dazu übergegangen, die kleine Amanda tagelang im Haus eingesperrt zu lassen, während sie beide ihren Beschäftigungen nachgingen. Amber konnte sich erinnern, wie das anfängliche Gefühl von Erleichterung irgendwann in Angst und Panik umgeschlagen war. Eine kindliche Angst vor dem Verlassenwerden, trotz allem, was sie erdulden musste, und Panik zu verhungern, denn die bereitgestellten Nahrungsmittel waren stets irgendwann zur Neige gegangen. Dieser Hunger hatte es beinahe geschafft, sie zu brechen...

Unwillkürlich durchlief Amber ein Zittern, so dass die Schlange aufschreckte und hastig von Ambers Arm glitt. Sie schlängelte sich ins Dickicht und war schnell außer Sicht.

Harry Potter und das süße Gift der HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt