Kapitel 63

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Hastig zog Draco die verhexte Erinnerung wieder in den Vordergrund und steckte den Zauberstab zurück in seinen Hosenbund. Unterdessen war Mr. Donovan noch immer damit beschäftigt, Hermine seinen genauen Tagesablauf zu beschreiben. Mit einem Mal unterbrach er seinen Redefluss und eine ungesunde Blässe breitete sich auf seinem Gesicht aus.

„Und dann...", fragte Hermine, die Feder aufmerksam gezückt, doch Mr. Donovan griff sich in seinen Bart und zerrte fast panisch daran, als müsse er seinen Händen etwa zu tun geben. Schließlich erhob er sich von dem Sofa in einer Schnelligkeit, die man seinem beleibten Umfang kaum zugetraut hätte, und stotterte:

„Das... das ist genug für heute. Lassen Sie Ihren Advokaten herkommen. So... so schnell wie möglich."

Er warf Draco einen fast gequälten Blick, so dass es dem jungen Zauberer eiskalt durchfuhr. Einen kurzen Moment schloss Draco die Augen. Was hatte er getan? Das Mindeste, was er tun konnte, war nun, für die beste Verteidigung zu sorgen. Graystone hatte sich bereits bereit erklärt, diese zu übernehmen. Mr. Donovan nuschelte aufgelöst Sätze in seinen Bart, von denen Draco nur sinnbefreite Bruchstücke wie „Methode", „frei" und „Silverin" hörte und schien seine Besucher völlig vergessen zu haben.

Hermine hatte den Blick auf ihr Klemmbrett gerichtet und machte sich eifrig Notizen. Schließlich gewahrte sie Dracos Blick und sah hoch, unübersehbare Erleichterung auf ihrem Gesicht. Draco konnte es ihr nicht verdenken. Sie hatte es geahnt und konnte sich jetzt bestätigt fühlen. Neben seiner Zerrissenheit spürte er ungefragt Bewunderung für ihre intelligente Schlussfolgerung in sich aufwallen.

„Bitte gehen Sie jetzt!", drängte Mr. Donovan, der inzwischen zu sich gekommen zu sein schien. Er machte eine fahrige Geste zur Tür hin und Draco und Hermine ließen sich nun nicht lange bitten.

„Mr. Graystone wird sich bei Ihnen melden", versicherte Draco dem älteren Zauberer und warf diesen im Hinausgehen noch einen nachdenklichen Blick zu. Dann schloss sich mit einem Ruck die Tür hinter ihnen.

Die ersten Meter gingen sie schweigend zurück, um ein wenig Abstand zwischen sich und das Haus zu bringen. Doch als Draco sich einer kleinen von Gittern umschlossenen Parkanlage zuwandte, trat ihm Hermine in den Weg.

„Das ist nicht dein Ernst!", fuhr sie ihn an und die Empörung trieb ihr die Röte in die Wangen.

„Was?", zischte Draco und begriff nicht, warum Hermine plötzlich so aufgebracht war. Sie sollte ihm lieber dankbar für seine Hilfe sein!

„Dass du einen Advokaten für diesen Mörder besorgst!"

Hermines Gesicht war eine einzige Anklage. Einen Moment lang schwieg Draco, dann kniff er die Augen zusammen und widersprach heftig:

„Du weißt nicht, ob er das ist!"

Seine Vehemenz wirkte wie eine Rechtfertigung und verärgert ballte er seine Hände zu Fäusten. Er war niemandem Rechenschaft schuldig, am wenigsten Hermine. Sie stand nun noch in seiner Schuld.

„Das ist doch sonnenklar bei der Reaktion..."

Mit einem geknurrten „Granger!" unterbrach Draco die junge Hexe mitten im Satz. „Jeder hat ein Recht auf Verteidigung."

„Das ausgerechnet von dir zu hören!", schoss Hermine zurück. „Als wenn ehrliche Verteidigung jemals für euch eine Rolle gespielt hat, nachdem Voldemort zurück an der Macht war!"

Draco holte hörbar Luft und starrte Hermine finster an.

„Soweit ich mich erinnern kann", sagte er betont langsam und mit eisiger Stimme, „hast du mich in unserem siebten Schuljahr lediglich ein paar Stunden auf Malfoy Manor gesehen und ich wage zu behaupten, dass ich dabei nicht den Anschein vermittelt habe, sonderlich erpicht auf einen erneuten Besuch des Dunklen Lords zu sein. Also hör auf, mich für sein Handeln verantwortlich zu machen!"

Harry Potter und das süße Gift der HoffnungWhere stories live. Discover now