Kapitel 50

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Ein Strahl Sonnenlicht fiel durchs Fenster und hinterließ einen hellen Schein auf dem zerkratzten Holztisch, der ihnen sowohl als Esstisch als auch Hermine inzwischen als Arbeitsfläche diente. Im Augenblick war er mit Pergamenten übersät und gedankenverloren malte Hermine mit ihrer Feder ein paar Kringel auf ein Blatt, das noch immer eine gähnende Leere aufwies. Zu Hermines Frustration waren die Ermittlungen zu den Muggelmördern, wie sie in der Presse genannt wurden, in eine Sackgasse geraten, denn es gab keine weiteren Spuren zu verfolgen und daher auch nichts zu berichten, was einem Wochenmagazin würdig gewesen wäre.

Die Auroren vermuteten, dass es sich bei den Mördern um Einzelpersonen handelte, deren einzig verbindendes Merkmal ihr Rassismus war, doch mehr Internes hatte Ginny leider nicht in Erfahrung bringen können. Es deprimierte Hermine, dass bislang niemand für die Taten zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Überdies geschahen kontinuierlich weitere Morde, die, wenn man den Boulevardblättern der Muggel glauben durfte, in der nichtmagischen Bevölkerung Englands längst Angst und Schrecken verbreiteten.

Der Tagesprophet allerdings war auffallend ruhig geworden und schien dem Geschmack von Lesern Rechnung zu tragen, die nun deutlich weniger Interesse an den Muggelmorden zeigten, nachdem klar zu sein schien, dass Magier nicht in Gefahr waren. Dieser Umstand nagte an Hermine, denn er schien auf einen latenten Rassismus, zumindest bei Teilen der magischen Bevölkerung, hinzudeuten. Umso wichtiger wären ihr neue Erkenntnisse, um das Thema am Laufen zu halten und damit die Menschen aufzurütteln. Und aus genau diesem Grund versenkte sie sich auch zu Hause weiter in ihre Aufzeichnungen und zermarterte sich den Kopf.

Es war kein Geheimnis, dass eine kleine Anzahl Verdächtiger, deren Namen unter Verschluss gehalten wurden, verhört worden waren. Allerdings hatten man ihnen die Morde nicht zweifelfrei zur Last legen können, denn sie alle beriefen sich darauf, sich nicht daran erinnern zu können, was sie zur fraglichen Zeit gemacht hatten. Dies wirkte zwar in seiner Gesamtheit irgendwie verdächtig, reichte jedoch nicht für eine Verurteilung, da nicht genügend andere Beweise vorlagen.

Denn Zaubereiministerin Richards setzte inzwischen deutlich andere Maßstäbe als ihre Vorgänger – und zu Hermines Erleichterung war das Gericht mittlerweile unabhängig von dem Einfluss eines Zaubereiministers geworden. Unter den Schrecken von Voldemorts Terrorregime hatte sich gezeigt, wie sehr die Verquickung von Justiz und gesetzgebender Gewalt den Aufstieg des grausamen Magiers und seiner Anhänger beide Male begünstigt hatte. Inzwischen hatte das Ministerium offenbar daraus gelernt.

Grundsätzlich, dachte Hermine stirnrunzelnd, war das ganze Staatswesen jedoch immer noch äußerst reformbedürftig, denn anders als in den USA oder auch bei den Muggel wurden bei ihnen in Großbritannien Zaubereiminister bestimmt, statt von der Bevölkerung gewählt. Nicht nur einmal hatte sie mit Ron und Ginny – und anfangs auch mit Harry, bevor er sich immer mehr zurückgezogen hatte – darüber diskutiert. Sie alle waren sich einig gewesen, dass eine demokratische Staatsform zwar möglicherweise nicht eine Diktatur durch Voldemort verhindert, es ihm aber zumindest erschwert hätte, so zügig die absolute Macht zu ergreifen.

Wo waren eigentlich diese Überlegungen geblieben, dieser Wille zur Veränderung, nicht nur bei ihnen, sondern im Ministerium insgesamt? Wie eine Pfütze in der Sommerhitze war der Reformeifer im Laufe der letzten friedlichen Jahre vertrocknet. Die Menschen waren offenbar zufrieden damit, sich wieder auf ihr Privates zu konzentrieren und vermissten weder Mitsprache noch Teilhabe an Entscheidungen.

Hermine sah zu Ron hinüber, der es sich mit einem Schachspiel auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte. Er hatte sich erst kürzlich dieses magische Spiel gekauft, da Hermine schon in besseren Zeiten selten für eine Partie zu gewinnen gewesen war. Und jetzt hatte sie ohnehin keinen Kopf dafür. Wenn sie nicht über die Morde nachgrübelte, kreisten ihre Gedanken darum, ihrem Chefredakteur zu beweisen, dass ihr erster Bericht keine Eintagsfliege gewesen war und dass auch Hexen fähig waren, gut recherchierte Artikel zu schreiben (denn das Gros der schreibenden Mitarbeiter bestand noch immer aus Zauberern).

Harry Potter und das süße Gift der HoffnungWhere stories live. Discover now