Kapitel 13

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Mit höchster Konzentration hatte Draco seine Augen geschlossen. Er saß vor dem Schreibtisch aus poliertem Mahagoni, ohne das sein Rücken die Lehne des Stuhles berührte, und hatte seine Hände sanft auf dem Zauberstab liegen, der sich vor ihm auf dem Schreibtisch befand. Nur noch ein kleines Detail fehlte, er spürte, dass er kurz davor war, es zu fassen zu kriegen; es war, als wenn er einem Schnatz hinterher flog, der sich fast in Griffweite befand.

Es brauchte nur noch die richtige Silbe, er spürte sie dicht vor sich herumschwebend, doch frustrierenderweise entzog sie sich den Bemühungen seines Gehirns, sie einem Laut zuzuordnen.

Verdrossen schlug Draco die Augen wieder auf und starrte verärgert auf den Stab vor ihm. So dicht war er dran gewesen, aber es war, als hindere eine unsichtbare Wand ihn daran, den Zauberspruch zu vollenden. Vielleicht war er einfach zu müde. Stundenlang schon hatte er sich in seinem Zimmer vergraben, vor dem Tisch gesessen, Worte um Worte auf ein Blatt Papier gekritzelt, bis ihm der Kopf rauchte.

Mittlerweile war es Normalität geworden, sich fast Abend um Abend hinter seinem Schreibtisch zu versammeln, besonders jetzt, wo er spürte, dass er kurz davor stand, die Schwingungen, aus denen der Zauberspruch bestand, so zu verändern, dass man in der Lage wäre, ihn auch reversibel zu machen und er somit gezielter einsetzbar würde.

Es war das Studienfach Zaubertränke und die dort angelaufene, aber stagnierende Forschung hierzu, die Draco auf die Idee gebracht hatte, einen anderen Weg einzuschlagen. Er hatte noch immer die Worte seines damaligen Hauslehrers, Professor Snape, über die Ähnlichkeiten zwischen Zaubertränken und Zaubersprüchen im Ohr. Bei beiden kam es auf die genauen Nuancen ihrer Bestandteile an, seien es Zutaten oder Silben und Töne, auf ihre Reihenfolge und Menge, ihr Zusammenspiel und ihre Betonung.

Snape selbst war sowohl ein Meister in Zaubertränken als auch in Zaubersprüchen gewesen. Er hatte eigene verfasst, und Draco war ihm dankbar für alles, was er ihm seinerzeit mitgegeben hatte, auch für die Dinge, die über den Unterrichtsstoff hinaus gingen. All das, zusammen mit seinem scharfen Verstand und analytischen Fähigkeiten, die er auf Hogwarts lieber verborgen gehalten hatte – außerhalb des Hauses Ravenclaw kam so etwas bei Mitschülern nicht gut an – hatte in ihm den Wunsch, ja sogar das Bedürfnis geweckt, mittels einen neuen Zauberspruchs die Wirkung des Vergessenzaubers rückgängig zu machen.

Eine nicht unwichtige Triebfeder für den Beginn seiner eigenen Forschung waren Langeweile und Eintönigkeit gewesen, denn seitdem sein Vater nach Azkaban verbannt worden war, wurden seine Mutter und er von der feinen Gesellschaft der reinblütigen Familien gemieden, auf den Feiern und Veranstaltungen, ja selbst auf den Wohltätigkeitversammlungen zugunsten reinblütiger, aber notleidender Magier waren sie nun unerwünscht.

Draco schnaubte abfällig über das Verhalten der Familien, in deren Gesellschaft er seine ganze Kindheit verbracht hatte. Er verachtete sie für das verlogene Verhalten, das sie jetzt an den Tag legten, für die größtmögliche Distanz, die sie seiner Familie angedeihen ließen. Denn sie alle hatten den dunklen Lord unterstützt. Jeder Satz, der über ihn gefallen war, war ein Lob auf seine Fähigkeiten gewesen, eine Hoffnung auf eine reine Gesellschaft fern von den schädlichen Einflüssen der Muggel und Muggelliebhaber. Anders als seinem Vater war es ihnen jedoch gelungen, dies vor den Augen des Ministeriums verborgen zu halten.

Rastlos spielte Draco mit seiner Schreibfeder, ließ sie wiederholt durch die Finger gleiten, bis sie schließlich zerbrach und er die Teile vom Tisch schnippte. Warum musste sich sein Vater auch den Todessern anschließen, warum hatte er es nicht so machen können wie die Palmertons, Montroses und Sutherlands und im Grunde genommen auch die Blacks! Sie alle hatten die Achtsamkeit besessen, sich nur zwischen Ihresgleichen zu offenbaren und im Verborgenen über Mittelsmänner zu agieren.

Harry Potter und das süße Gift der HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt