Kapitel 56

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Sie kamen nicht vor dem schmiedeeisernen Tor des Malfoy-Grundstückes an, wie Hermine erwartet hatte, sondern landeten direkt im Herrenhaus in einer der Räumlichkeiten. Hastig ließ Hermine Dracos Hand los, als hätte sie sich verbrannt. Sie musste wahrlich verrückt sein, das hier zu tun! Ließ sie sich wirklich mit dem Teufel ein, wie Ginny es so metaphorisch ausgedrückt hatte? Wenn sie daran dachte, unter welchen Umständen sie das letzte Mal in diesem Haus verbracht hatte, wurde ihr flau im Magen. Vielleicht machte sie einen Riesenfehler...

Um sich abzulenken sah sie sich im Raum um. Das in Gold und Dunkelgrün gehaltene Zimmer war so groß wie Rons und ihre Stube und die mahagonifarbenen Möbelstücke bestimmt dreimal so teuer wie die Teile, mit denen sie ihr Zuhause ausgestattet hatten. Fenstersims und Kamin, in dem Draco soeben ein Feuer entfachte, waren aus weißem Marmor. Gegen ihren Willen beeindruckt strich sie mit den Fingerspitzen über den glänzenden, staubfreien Stein, der trotz der von den Flammen ausgehenden beginnenden Wärme kühl blieb.

Neugierig ließ Hermine den Blick über die mit Stuck verzierten Wände bis an die Decke gleiten und es hätte sie nicht überrascht, dort ein Wandgemälde vorzufinden, wie in den Palästen, die sie einst mit ihren Eltern besichtigt hatte. Doch die Decke war jungfräulich weiß.

Der dunkelgrüne Vorhang eines Himmelbettes war an allen Ecken zurückgezogen und jeweils mit einer goldenen Kordel befestigt, und an der Stirnseite prangte ein in Schwarz-Grün gehaltenes Wappen, das an den Seiten von Drachen eingefasst wurde und an dessen oberen Ende sich zwei Schlangen rankten. In der Mitte prangte der silberne Buchstabe M und darunter las Hermine den Spruch Sanctimonia Vincet Semper. Reinheit wird immer siegen. Sie schluckte.

Was machte sie hier? Dies war kein Ort, an dem sich eine muggelgeborene Hexe aufhalten sollte. Draco, der ihrem Blick gefolgt war, erklärte in fast entschuldigendem Ton:

„Das Bett ist ein Familienerbstück. Daher das Wappen." Mit einem Schulterzucken fügte er hinzu:

„Der Spruch hat sich wohl überholt."

Fast gewaltsam riss sich Hermine von dem einschüchternden Emblem los, drehte sich um und gewahrte erst jetzt die gegenüberliegende Wand voller Bücher. Obwohl ihr gerade das Herz bis zum Halse klopfte, ließ sie sich nichts anmerken, sondern trat mit hoch erhobenem Kopf näher. Sie erwartete Bücher über dunkle Magie zu finden, doch viele der Titel waren ihr bekannt, waren Bücher, die sie selbst gelesen hatte, allerdings in günstigen Einbänden. Nicht vornehm gebunden wie diese hier, die wahrscheinlich Originalausgaben waren.

„Hast du die alle gelesen?", kam es zweifelnd von Hermine.

„Ich glaube, ich weiß mehr über dich als du über mich", versetzte Draco trocken. „Denkst du, das sei nur Dekoration?"

Hermine spürte seine Blicke in ihrem Rücken, aber sie drehte sich dennoch nicht um. Da Draco nichts weiter sagte, dehnte sich das Schweigen im Raume aus. Hermine ließ ihren Blick noch einmal durch das Zimmer wandern und stellte dann mit betonter Beiläufigkeit fest:

„Ich hätte Silber, Schwarz und Grün als Raumfarben erwartet, nicht Grün und Gold."

„Hatte ich vor ein paar Jahren so haben wollen", erklärte Draco in ihrem Rücken. „Vielleicht ein mutiger Strang in mir."

Er bezog sich mit seiner Aussage auf das in Rot und Gold gehaltene Hogwarts-Haus Gryffindor, dessen vorherrschendes Merkmal der Mut seiner Schüler war, und Hermine hörte das Schmunzeln in seiner Stimme.

Obwohl sein Scherz der Stimmung im Raum ein wenig mehr Leichtigkeit verlieh, wurde Hermine immer deutlicher bewusst, worauf sie sich einließ, wenn sie Narcissa Malfoy erlauben würde, die Worte des Schwurs zu wählen. Dracos Mutter würde mit Sicherheit so zu formulieren wissen, dass ihrem Sohn kein Nachteil entstand. Sie jedoch musste verrückt gewesen sein, sich hiermit einverstanden erklärt zu haben!

Harry Potter und das süße Gift der HoffnungWhere stories live. Discover now