Kapitel 6

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Ambers Blick blieb überrascht, wenngleich wortlos, an Bellatrix hängen und nicht die geringste Bewegung ihrer Haltung deutete darauf hin, dass sie etwas angesichts dieser Nachricht empfand. Sie hatte vom Krieg im fernen Europa gehört, dem viele Hexen und Zauberer zum Opfer gefallen waren. Lord Voldemort hatte sich an die Schalthebel der Macht geputscht, doch ein Teil der Bevölkerung hatte beständig Widerstand geleistet. Bis es nach knapp einem Jahr schließlich zu einem offenen Kampf vor den Toren der Hogwarts Schule für Zauberei gekommen war, bei dem Lord Voldemort schließlich im Duell dem Anführer des Widerstands, dem ehemaligen Hogwarts-Schüler Harry Potter, unterlag.

Gemeinsam mit ihren Kommilitonen hatte Amber vor drei Jahren die Nachrichten verfolgt. Wenngleich diese mehrheitlich jegliche Taten des grausamen Zauberers verurteilten, hatte sie selbst eine geheime Faszination verspürt, eine stille Begeisterung darüber, was man mit dunkler Magie und Gewissenlosigkeit erreichen konnte. Genau genommen war es dieser Zauberer gewesen, der in ihr die Lust geweckt hatte, die Geschicke des Landes in die Richtung zu drehen, die sie für richtig hielt und in dem Bewusstsein, dass niemand ihren Fähigkeiten etwas entgegen könnte, hatte sie begonnen, ihren Plan zu schmieden.

Unmittelbar spürte Amber ein Feuer in ihrem Inneren auflodern, eine Aufregung, die in ihre Adern kroch und sich unverzüglich in ihrem ganzen Körper verteilte. War es nicht genau so, wie sie es immer gedacht hatte? Dass sie von Jemand ganz Besonderem abstammte? Es gab keinen Zweifel, kein Innehalten der Gedanken, sie wusste plötzlich, dass Bellatrix' Aussage der Wahrheit entsprach.

Es war, als sei plötzlich ein lange fehlendes Puzzlestück aufgetaucht, das dann das Bild sofort komplett machte. Ein selbstgefälliges Lächeln umspielte Ambers Mundwinkel und ließ sie fast die mit einem Ausdruck absoluter Verehrung versehene Hexe vor ihr vergessen, die voller Bewunderung etwas von Lord Voldemorts Fähigkeiten hauchte. Lord Voldemort ihr Vater – es war schlichtweg eine berauschende Nachricht!

Mit leichtem Widerwillen – am liebsten hätte sie nun allein im Glück dieser Nachricht geschwelgt, während sie gleichzeitig den Wunsch verspürte, so viel wie möglich zu erfahren – blickte Amber auf ihr Gegenüber, das soeben mit vor Wut funkelnden Augen den Namen Harry Potter gezischt hatte. Ungeachtet ihrer inneren Freude über die Enthüllung ihrer Herkunft unternahm Amber den Versuch, Bellatrix' Ehrfurcht ein wenig zu dämpfen, indem sie scharf fragte:

„Wie konnte er so brillant sein und dann im Duell gegen einen Zauberer unterliegen, der der dunklen Magie abgeschworen hat!?"

Bellatrix' Gesicht nahm eine rötliche Färbung an, ihre Augen glitten aus den Höhlen und fixierten Amber starr und mit einer Plötzlichkeit, die Amber zurück zucken ließ, kreischte sie dann:

„Du kennst Harry Potter nicht! Der war stets mit Dumbledore und dem Phönixorden im Bunde. Nie hätte er allein den Dunklen Lord besiegen können! Einer von diesen Verrätern hat während des Duells einen lautlosen Todesfluch ausgesprochen!"

In Bellatrix' Augen war ein Schimmer von Zügellosigkeit getreten und ein Hauch von Irrsinn umgab die geäußerte Anklage, während ihr Gesicht einem Zerrbild der Wut glich. Amber begegnete diesem Ausbruch mit professioneller Gelassenheit und wies mit einem verständnisvollen Lächeln auf das Sofa zu Ihrer Linken, während sie sich gleichzeitig verächtlich fragte, was außer bodenloser Hingabe der Meister der dunklen Magie in ihrer unbeherrschten Mutter gesehen haben mochte.

„Ich glaube, du erzählst mir alles in Ruhe – Mutter. Kaffee? Oder lieber Tee?"

Ihrer sanften Stimme, begleitet von einem beruhigenden Lächeln, hatte Bellatrix nichts entgegen zu setzen. Entwaffnet trat sie ein paar Schritte zur Seite und ließ sich in die Polster sinken, um sich dann mit einer Arroganz, die ihrer vornehmen Herkunft Rechnung trug, für einen Tee zu entscheiden. Den Zauberstab in Richtung Küche haltend brachte Amber mit einem gemurmelten Zauber Wasser im Kessel zum Kochen. Indes blieb Bellatrix' Blick am Terrarium hängen und die Gedanken ihrer Mutter erahnend versicherte Amber freundlich:

Harry Potter und das süße Gift der HoffnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt