Kapitel 72

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Montag, später Nachmittag

„Ist gut, Ron", vernahm Draco die unverkennbare Stimme von Hermine, leicht belustigt, noch ein ordentliches Stück vom Eingang zur Bibliothek entfernt, die er gerade verlassen wollte. Offenbar stand der Wind günstig, sonst wäre Hermine nicht zu hören gewesen. Sie war ihm noch etwas schuldig, daher entschloss sich Draco, im Schatten des Eingangsbereiches stehen zu bleiben und auf sie zu warten. Er wusste es besser, als Hermine mit seiner Frage in Anwesenheit des rothaarigen Wiesels zu konfrontieren.

„Ich bin sowieso noch ein Weilchen in der Bibliothek", hörte er wieder Hermine reden und dann wurde es bis auf munteres Vogelgezwitscher auf einmal unerfreulich leise, als Hermine und der verhasste Rotschopf in einen Kuss versanken. Draco schnaubte angewidert. So viel zu Hermines Worten, sie würde mit dem Wiesel reden. Unbegreiflich, was sie in dem Feuermelder sah. Er war doch intellektuell eine absolute Null.

Doch Draco machte sich keine größeren Sorgen. Er hatte schon schwerere Herausforderungen gemeistert, als irgendwann auch die Hexe rumzukriegen, die es gewagt hatte, ihm eine Abfuhr zu erteilen. Doch seine Schritte mussten dieses Mal gut überlegt sein. Aus diesem Grund kreisten seine Gedanken auch weiterhin regelmäßig um Hermine.

Und um die Frage, was es zu bedeuten hatte, dass sie ihm neulich in die Fakultät gefolgt war. Was ihr Blick ihm hatte sagen wollen, als sie ihn sekundenlang angestarrt hatte. Und warum die kurze Berührung ihrer Finger ihn erneut elektrisiert hatte. Bei Salazar, er hatte Lust, das Wiesel so was von zu verfluchen... oder ihm die Nase zu brechen. Gereizt spielte Draco mit dem Zauberstab in seinen Händen. Doch jede solche Aktion wäre nachteilig für seine Absichten. Denn dann konnte er das kleine bisschen Vertrauen, das ihm Hermine schenkte, definitiv vergessen.

Als Draco wieder hochschaute, war Weasley verschwunden und Hermine trat mit einem äußert grüblerischen Blick auf das Bibliotheksgebäude zu. Bis sie ihn plötzlich gewahrte und unentschlossen stehenblieb. Er steckte den Zauberstab in seinen Umhang und begrüßte sie lediglich kühl mit einem Kopfnicken und der knappen Erwähnung ihres Namens. Bei der Erinnerung an ihre Abfuhr auf Malfoy Manor brannte erneut die Scham in ihm. Was war da bloß in ihn gefahren? Es war die angenehme Atmosphäre gewesen, die absolut passende Gelegenheit... und der verfluchte, unverzeihliche Gefühlscocktail in seinem Kopf.

Doch er hatte seine Lektion gelernt. Hermines Verhalten hatte ihm deutlich gemacht, dass der Name Malfoy stets mit der Gefolgschaft des Dunklen Lords verbunden sein würde, völlig egal, was er auch tat. Wozu also sich bemühen, einen eigenen Weg zu gehen?

Er hatte daher inzwischen von dem Plan, dem Ministerium seinen Zauberspruch zu verkaufen, Abstand genommen. Es war sinnlos, ihnen einen Zauber zu Verfügung zu stellen, der im Zusammenspiel mit dem Gedächtniszauber verheißungsvolle Möglichkeiten bot, die vermutete Wahrheit so zu lenken, wie man es gebrauchen konnte...

Draco hoffte, dass die Wahrheit über Bellas Tod seiner Mutter tatsächlich irgendwie bei der Freilassung seines Vaters helfen konnte und er nicht gezwungen sein würde, seine Innovation doch noch als Verhandlungsmasse in den Ring zu werfen. Es wurde daher höchste Zeit, dass Hermine lieferte, was sie versprochen hatte! Er machte Anstalten, einen finsteren Gesichtsausdruck aufzusetzen. Doch noch rechtzeitig erkannte er einsichtig, dass er so seinem Ziel, Hermine für sich zu gewinnen nicht näher kommen würde, und er verzog daher seine Lippen zu einem Lächeln.

Erstaunlicherweise gelang ihm dies ohne die geringste Anstrengung, als er sich plötzlich überraschend dicht Hermine gegenüber sah. Sie sah entschlossen aus, ihre Wangen überzog der Hauch einer Röte, als hätte sie sich gerade schnell bewegt, und ihre Augen funkelten ihn an. Seine veränderte Mimik hatte sie jedoch offenbar irritiert, sie schwieg sekundenlang, dann kam, verhalten, eine Frage:

Harry Potter und das süße Gift der HoffnungWhere stories live. Discover now