Kapitel 22

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Acht Wochen später.

Mit der Schnelligkeit eines Wimpernschlages verblassten die Bilder seines Traumes, doch die Empfindungen, die er geweckt hatte, blieben noch eine Weile im Raum zurück und ließen ihn die verbliebenen Fragmente auskosten. Mit der langsam dämmernden Erkenntnis, dass es sich um einen Traum gehandelt hatte – und um was für einen! – schlug Draco geschockt die Augen auf. Die dunklen Vorhänge ließen zwar kaum Licht hindurch, aber an ein erneutes Einschlafen war nicht mehr zu denken. Er konnte das Pochen seines Herzes direkt hinter seinem Brustbein spüren und der rasche Puls machte es ihm unmöglich, wieder zur Ruhe zu kommen. Was hatte er da bloß geträumt!

Der Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er für einen Sonntag früh dran war und mit einem Stöhnen riss er die Vorhänge seines Himmelbettes beiseite und schlüpfte in seine Pantoffeln. Die Helligkeit im Zimmer war genauso gedämpft wie seine Stimmung und um sich von dem aufwühlenden Traum abzulenken, verschwand er sogleich im Bad. Das kühle Nass weckte zwar seine Lebensgeister, konnte aber dennoch seinen ruhelosen Gedanken keinen Einhalt gebieten.

Dracos Laune befand sich daher auf einem Tiefpunkt, als er sich auf den Weg ins Esszimmer machte. Ein plötzlich aufgeregtes Wispern ließ ihn mit einem Stirnrunzeln innehalten, mit gespitzten Ohren lehnte er sich an die Wand. Das Portrait seiner Urgroßmutter direkt gegenüber, die soeben äußerst rüstig mit ihrem Spazierstock versehen wieder den Bilderrahmen betrat und ihm einen missbilligenden Blick zuwarf, ignorierte er. Die Unterhaltung drehte sich offenbar um Dobby, einen der Hauselfen, den sie einmal besessen hatten, dem Harry Potter jedoch mit einem Trick zur Freiheit verholfen hatte.

Und der anschließend in den Zeiten von Voldemorts erneuter Herrschaft den Gefangenen auf Malfoy Manor die Flucht ermöglicht hatte. Draco wusste nicht, ob der Hauself das von Tante Bella nach ihm geschleuderte Messer überlebt hatte – dass sie getroffen hatte, stand außer Frage, denn es war beim Apparieren genauso verschwunden wie Dobby selbst.

Was mochten die Hauselfen nun über Dobby zu reden haben? Unhörbar schlich Draco langsam näher und zog dabei den Gürtel seines seidenen Hausmantels enger, der gerade begonnen hatte sich zu lösen. Es war die Stimme von Maika, der Hauselfin, die ihnen Großonkel Tiberius nach seinem kürzlich erfolgten Tod vermacht hatte. Mit heller Stimme, die allmählich die Flüsterlautstärke überschritt, berichtete sie von einem auf Hogwarts arbeitenden Hauselfen, den sie beim Einkaufen getroffen hatte.

„Und er hatte dort gearbeitet – gegen Bezahlung. Als freier Elf!"

Sie klang unüberhörbar beeindruckt. Das Gemurmel von Rissa hingegen war kaum zu verstehen.

„Maika weiß es nicht", gab die neue Hauselfin zu verstehen, dann wurde sie schwärmerisch:

„Es muss schön sein, seine eigene Herrin zu sein..."

Draco schüttelte verächtlich den Kopf. Also wirklich, was denen durch den Kopf ging... Er zweifelte daran, dass ein Hauself ohne die ordnende Hand eines Herrn oder einer Herrin überhaupt alleine klarkommen würde.

„Gestorben. Durch die Hand einer Zauberin." Das war wieder Maikas Stimme. „Aber er hat ein Grab, genauso wie Hexen und Zauberer!"

„Wieso das?" In ihrer Aufregung war jetzt auch Rissas quiekende Stimme zu vernehmen.

Draco lauschte ebenso aufmerksam. Ein Grab für einen Hauselfen? Lächerlich.

„Harry Potter war damals nach Hogwarts gekommen und hat einem der Hauselfen dort von Dobbys Tod und seiner Beerdigung am Meer berichtet."

Maikas Bewunderung war unüberhörbar und beinahe hätte Draco abfällig geschnaubt. So etwas konnte auch nur diesem Potter einfallen! Er war wirklich eine Schande für die Zaubereigesellschaft. Und der ehrfurchtsvolle Ton, der ihm aus dem Esszimmer entgegen drang, verdoppelte Dracos Ärger noch. Egal wie zurückgezogen Potter lebte, die Bewunderung, mit der stets sein Name ausgesprochen wurde, war einfach nicht totzukriegen.

Harry Potter und das süße Gift der HoffnungWhere stories live. Discover now